Samstag, 20. April 2024

Archiv


Stolperfallen Korruption und Kriminalität

Im März sollte Bulgarien zur Schengen-Zone beitreten. Doch Deutschland und Frankreich haben angekündigt, den Beitritt zu blockieren. Der Grund: Angesichts des mangelnden Fortschritts im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität wäre ein Wegfall der Genzkontrollen "verfrüht".

Von Simone Böcker | 23.12.2010
    Es herrscht reger Betrieb am Flughafen in Sofia. Dimiter und Vessela Konstantinov stehen in der Schlange vor dem Check-in Schalter, in einer Stunde geht ihr Flug nach Brüssel. Sie freuen sich auf den Tag, an dem sie ihren Pass beim Reisen einmal nicht mehr vorzeigen müssen.

    "Für uns macht es einen Unterschied, ob man den Pass zeigt oder nicht, es ist ein psychologischer Unterschied."

    "Wenn die Grenzen fallen, sind die Leute freier. Es ist dann völlig normal, dass man einfach so eine Grenze passieren kann. Der Unterschied ist riesig. Seine Dokumente zeigen zu müssen, das ist noch immer eine Verpflichtung."

    Ob ihr Land auch wirklich für Schengen bereit ist, wissen sie nicht. Dabei laufen die Vorbereitungen, um die Schengen-Standards an den bulgarischen Grenzposten zu erfüllen, schon seit einigen Jahren. Glaubt man Anastas Todorov, dem Direktor der Grenzpolizei am Flughafen, sind die erforderlichen Maßnahmen für den bulgarischen Luftgrenzverkehr bereits voll und ganz umgesetzt. In grüner Uniform steht er in der Ankunftshalle und zeigt stolz die neuesten Umbauten: Die voneinander räumlich getrennten Kontrollposten für Schengen- und Nicht-Schengenpassagiere. Eine vorläufige Überprüfung der EU-Kommission in seinem Bereich gibt ihm recht:

    "Die Ergebnisse in dem Bericht der EU-Kommission waren ausgesprochen positiv. Es gab nur sieben kleine Anmerkungen, von denen schon viele beseitigt sind, der Rest wird bis zum Ende des Jahres beseitigt werden."

    Ähnlich sieht es in den meisten anderen Kontrollbereichen aus. Laut einer Untersuchung des Open Society Institutes in Sofia sind die technischen Anforderungen nahezu vollständig erfüllt. Dazu gehört auch das Schengen-Informationsystem, eine europaweite Datenbank für die Passüberprüfung. Sie ist bereits seit einigen Wochen in Betrieb. Mit ihr kann in sekundenschnelle festgestellt werden, ob eine Person gesucht wird. Die Polizistin Nadeschda Angelova hat sich in ihrer Kontrollkabine schnell eingearbeitet.

    "Das System ist sehr viel detaillierter und genauer. Wir haben viel mehr Treffer, weil die Datenbank viel größer ist. Dazu kann man leichter herausfinden, ob es sich wirklich um die gesuchte Person handelt oder nicht."

    Trotz der guten Ergebnisse: Frankreich und Deutschland fürchten bei einem Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien gravierende Konsequenzen für die innere Sicherheit der EU. Ihre Ängste sitzen tief: Vor dem zunehmenden Flüchtlingsstrom über die Türkei und Griechenland, Befürchtung vor zunehmender Arbeitsmigration nach Westeuropa - und nicht zuletzt die Furcht vor wenig Handhabe gegen einreisende Roma, deren Ausweisung aus Frankreich schon diesen Sommer zu großen Auseinandersetzungen geführt hatte. Vladimir Shopov, Politologe und Analyst in Sofia, findet die Kritik problematisch.

    "Es ist wirklich nicht fair, die Frage jetzt in dieser Art und so spät aufzuwerfen. Das hätte man viel früher und auf einer vereinbarten Basis machen müssen. Das ist nicht geschehen. Und jetzt, zehn Minuten vor zwölf sagt jemand: So geht es eigentlich nicht."

    Viele politische Beobachter und Analysten sind einer Meinung mit Shopov und werfen Brüssel in dieser Frage einen doppelten Standard vor.

    "Der Kern der Frage ist doch: Wann sollen wir denn endlich bereit sein? Die Kriterien sind oftmals gar nicht klar definiert. Es ist also völlig unklar, wann wir sie erreicht haben werden. Die bulgarische Regierung müsste deswegen mehr darauf drängen, dass ganz genau formuliert wird, was mit diesen Auflagen eigentlich gemeint ist."

    Für Shopov zählt nun die finale Bewertung der EU-Kommission. Nur im Falle, dass hier tatsächlich Mängel festgestellt werden, hält er es für gerechtfertigt, Bulgariens Schengen-Beitritt zu verschieben. Anastas Todorov, der Direktor der Grenzpolizei am Flughafen, hat vor der Überprüfung seines Bereichs keine Angst.

    "Was die Kriterien angeht, bin ich sicher, dass wir sie erfüllt haben. Doch die Entscheidung wird wahrscheinlich politisch ausfallen."