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Jemeniten auf Jeju
Südkorea wehrt sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen

Die südkoreanische Insel Jeju war bis vor Kurzem ohne Visum zu erreichen. Seit über Malaysia ein paar hundert jemenitische Flüchtlinge gekommen sind, gibt es Proteste nationalistischer Aktivisten, die die Asylbewerber als faul und gefährlich verunglimpfen. Jetzt nimmt Jeju keine Jemeniten mehr auf.

Von Jürgen Hanefeld | 04.08.2018
    mehr als 100 Einwohner der südkoreanischen Insel Jeju protestieren gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Jemen
    Mehr als 100 Einwohner der südkoreanischen Insel Jeju protestierten Ende Juni gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Jemen (picture alliance/ dpa/ Chris Jung)
    Die ersten kamen vor zwei Jahren: sieben junge Jemeniten. Im vergangenen Jahr waren es 42. Und in diesem Jahr bereits 561. Die Aktivistin Lee Hyang sagt:
    "Jeju war immer ein sehr friedlicher Ort. Wir haben nicht mal unsere Autos abgeschlossen. Jetzt aber, wo die Ausländer da sind, ist die Lage sehr unsicher geworden. Die sitzen abends zu fünft oder sechst im Park herum. Da kann man es richtig mit der Angst bekommen."
    Lee Hyang ist Sprecherin einer Gruppe, die die Araber am liebsten aus dem Land werfen würde. Sie warnt vor allen möglichen Gefahren:
    "Der Jemen, wo die Leute herkommen, gehört ja zu den Ländern, die aus Nordkorea Waffen importieren. Wir sehen da auch eine Terrorgefahr. Ihre Pässe könnten gefälscht sein. Es sind ja fast alles junge Männer im wehrfähigen Alter. Stellen Sie sich vor, es kommt zum Krieg mit Nordkorea, und dann sind wir hier von Jemeniten infiltriert."
    Kein Überfall, kein Diebstahl, kein Verbrechen
    Noch, das räumt Lee Hyang ein, sei allerdings gar nichts passiert. Auch die Einwanderungsbehörde erklärt auf Nachfrage, es gebe gar kein besonderes Problem zurzeit. Kein Überfall, kein Diebstahl, kein Verbrechen. Die jungen Männer dürften Jeju nur deshalb noch nicht verlassen, weil ihr Asylstatus überprüft würde. Entweder sie würden anerkannt oder aus humanitären Gründen geduldet.
    Bis vor Kurzem war die Insel, etwa so groß wie Rügen und ebenso beliebt als Ferienort, für eine Vielzahl von Ausländern ohne Visum zu erreichen. Südkorea versprach sich davon einen Touristenboom. Dass auch andere die Lücke entdecken würden, hatte man übersehen. Nur: Woher kommt die Angst vor den Fremden? Kan Yok Shin ist Sprecher eines Netzwerks, das den Flüchtlingen helfen will:
    "Wir Insulaner haben überhaupt keine Erfahrung mit Asylbewerbern. Als im Mai plötzlich mehr als 500 Jemeniten vor der Tür standen, waren wir erst mal überrumpelt. Dazu kommt, dass es alles Muslime sind. Die meisten hier verbinden den Islam mit Terror, Krieg und Flüchtlingsströmen. Außerdem gibt es jede Menge "fake news" über diese Leute, also Falschmeldungen im Internet."
    Die meisten Jemeniten sind über Malaysia gekommen
    Die Sozialstation, in der Kan Yok Shin arbeitet, wird von der katholischen Kirche betrieben. Sein Büro ist gleichzeitig Warenlager für gespendete Lebensmittel und Kleidung: Säcke mit Reis und Nudeln stapeln sich an den Wänden, Paletten mit Konserven, Tomatensauce und Thunfisch, Seife und Shampoo. Dies ist die wichtigste Anlaufstelle für diejenigen, um die es hauptsächlich geht: junge Männer aus dem Jemen.
    "Es gibt kein Leben im Jemen zurzeit. Nicht mal das Notwendigste, nicht mal sauberes Wasser. Ich bin so traurig."
    "Wir kamen als Flüchtlinge nach Korea, weil die Situation in unserer Heimat wirklich schlecht ist."
    "Meine ganze Familie lebt im Jemen, ich habe sie seit Jahren nicht gesehen."
    "Die Mehrheit der Koreaner ist sehr nett zu uns. Vor allem die ältere Generation, die selber Krieg erlebt hat. Die fühlen mit uns."
    "Ich habe in Malaysia studiert, als der Krieg im Jemen begann. Ich habe meinen Master in Ingenieurwesen gemacht, dann lief mein Visum ab. Zurückzukehren in den Jemen, ist zu gefährlich. Der einzige sichere Ort für uns war Jeju, weil hier kein Visum verlangt wurde."
    Allmählich wird klar: Die meisten jemenitische Flüchtlinge sind über Malaysia gekommen, sprechen sehr gutes Englisch, sind Ingenieure, Anwälte, Journalisten. Und haben Angst, für den Bürgerkrieg in ihrer Heimat rekrutiert zu werden, von dem die Vereinten Nationen sagen, dieses sei die schlimmste humanitäre Krise unserer Zeit.
    Asylbewerber aus dem Jemen bereiten Essen in einer Unterkunft auf in einem Hotel auf der südkoreanischen Insel Jeju zu
    "Der einzige sichere Ort für uns war Jeju": Asylbewerber aus dem Jemen bereiten Essen in einer Unterkunft auf in einem Hotel auf der südkoreanischen Insel Jeju zu (AFP/ Ed Jones)
    Klassische Demagogie
    Kan Yok Shin sagt:
    "Frauen und Kinder sind Opfer dieses Gemetzels, aber junge Männer werden zu Tätern. Sie werden einfach eingezogen, egal zu welcher Miliz. Deswegen wollen sie nicht zurück. Sie wollen sich dem Krieg entziehen. Einige sind im Jemen bereits gefoltert worden."
    Die eifernde Nationalistin Lee Hyung weiß das. Aber sie verhöhnt das Argument. Im Gegensetz zu den angeblich tapferen Koreanern, die ihr Land bis aufs Messer verteidigten, seien Araber Feiglinge und Drückeberger. Was sie sagt, ist klassische Demagogie. Eine Mischung aus Halbwahrheiten und populären Lügen. Aber im Internet muss nichts bewiesen werden. Es reicht die Behauptung:
    "Muslime sind alle gleich. Mit anderen Kulturen können sie sich gar nicht vertragen. Südkorea sollte sich mal bei Putin, Trump oder einigen osteuropäischen Präsidenten eine Scheibe abschneiden. Die wollen auch keine Ausländer mehr. Wir sagen: Korea den Koreanern! Hier auf Jeju bekommen die falschen Flüchtlinge auch noch bis zu 10.000 Dollar Begrüßungsgeld! Muslime wollen ja nicht mal arbeiten. Wie denn auch, wenn sie fünfmal am Tag beten."
    Inselverwaltung gibt Protesten nach
    Die Flüchtlinge auf Jeju bekommen gar kein Geld vom Staat. Sie sind auf die Hilfsorganisationen angewiesen, dürfen allerdings auch in beschränktem Umfang arbeiten: in Restaurants, auf Fischfarmen und beim Fischfang auf dem Meer. 228 von 561 haben dieses Angebot angenommen. Einer zeigt seine Abrechnung:
    "Ich habe 1.400 Dollar verdient und davon 1.000 Dollar nach Hause geschickt. Mein Vater ist herzkrank. Ich bin jetzt 26 Jahre alt. Was soll ich mit meinem Leben anfangen? Sobald ich zurück kann, will ich heiraten. Aber wann wird das sein?"
    Inzwischen ist Jeju für Jemeniten geschlossen. Das heißt: Die Inselverwaltung hat den Protesten nachgegeben. Lee Hyang hat gewonnen. Einer, der durchgeschlüpft ist, beteuert:
    "Wir sind schließlich Menschen. Niemand ist perfekt, außer Gott. Wir wollen in Frieden hier leben, bis der Krieg zu Ende ist. Dann gehen wir zurück in unser Land. "