Donnerstag, 28. März 2024

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Stopp von Nordkorea-Satire
Startet Pjöngjang Krieg im Internet?

Nach Terrordrohungen von Hackern hat die Filmproduktionsfirma Sony die Nordkorea-Satire "The Interview" zurückgezogen. Pjöngjang könnte damit zu tun haben. Wenn sich der Verdacht erhärtet, dann steht ein ziemlich alberner Film auf einmal im Zentrum einer sehr ernsten Debatte.

Von Wolfgang Stuflesser, Los Angeles | 18.12.2014
    Poster von "The Interview".
    The Interview: Zwei amerikanische Fernsehjournalisten sollen Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un töten. (Imago/Richard Levine)
    "Wollen wir zusammen Kim Jong Un töten?
    Ich würde sehr gern Kim Jong Un töten."
    Nein, feinsinnig ist "The Interview" nicht. Die Story der Komödie ist schnell erzählt: Zwei amerikanische Fernsehjournalisten, gespielt von Seth Rogen und James Franco, bekommen die Chance, den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un zu interviewen. Als sich die beiden auf die Reise vorbereiten, schaltet sich die amerikanische Regierung ein:
    "Die CIA würde sich sehr freuen, wenn Sie ihn ums Eck bringen. - Den Führer von Nordkorea töten? - Ja."
    Nun ist das alles natürlich reine Fiktion, aber Nordkorea - das echte - hatte schon im Sommer die geplante Veröffentlichung des Films als "kriegerischen Akt" bezeichnet und mit - so wörtlich – "erbarmungsloser Vergeltung" gedroht.
    Drohungen gegen amerikanische Kinobetreiber
    Der deutsche Kinostart war für Februar geplant, und schon zu Weihnachten sollte der Film in die US-Kinos kommen. Doch dann wurden diese Woche Drohungen gegen amerikanische Kinobetreiber bekannt, die den Film zeigen wollten. Eine Gruppe Hacker warnte davor, den Film anzuschauen – "erinnert euch an den 11. September 2001", heißt es in der Erklärung.
    Aus Angst vor Terroranschlägen entschieden sich mehrere große Kinoketten, den Film nicht ins Programm zu nehmen. Nun zieht Sony die Konsequenz und sagt den Filmstart ganz ab. Das Magazin Variety zitiert eine Sony-Sprecherin mit den Worten:
    "Angesichts der Entscheidung einer Mehrheit unserer Kinobetreiber, den Film 'The Interview' nicht zu zeigen, haben wir beschlossen, den für den 25. Dezember geplanten Kinostart abzusagen. Wir respektieren und verstehen die Entscheidung unserer Partner und teilen natürlich auch ihr vorrangiges Interesse an der Sicherheit ihrer Angestellten und Kinobesucher."
    Sony Pictures ist sichtlich vorsichtig geworden. Schließlich wurde das Filmstudio in Los Angeles, eine Tochter des japanischen Großkonzerns, vor wenigen Wochen Opfer eines Hackerangriffs, bei dem von den Firmenservern große Mengen vertraulicher Daten gestohlen wurden. Die tauchen nun nach und nach im Netz auf: Was bestimmte Stars für bestimmte Filme verdient haben, wie sich die Topmanager fiese Mails schreiben und sich sogar über Präsident Obamas Hautfarbe lustig machen. Experten gehen davon aus, dass der Angriff und die Terrordrohungen gegen die Kinos das Werk derselben Hackergruppe sind. Die Regierung in Nordkorea hat offiziell bestritten, daran beteiligt zu sein. Doch jetzt berichten verschiedene US-Medien das Gegenteil.
    Enorme finanzielle Schäden befürchtet
    CNN, Foxnews, die New York Times und andere zitieren Quellen bei den Ermittlungsbehörden, die den Angriff mit dem Regime in Pjöngjang in Verbindung bringen. Wenn sich der Verdacht erhärtet, dann steht ein ziemlich alberner Film auf einmal im Zentrum einer sehr ernsten Debatte, womöglich eines Kriegs im Internet - mit finanziellen Schäden Millionen-, vielleicht Milliardenhöhe und der Gefahr der Eskalation - was, wenn die Hacker als nächstes kein Hollywoodstudio, sondern einen Börsenplatz ins Visier nehmen?
    In den amerikanischen Medien diskutieren die Experten, ob Sony zu schnell klein beigegeben hat. Dan Rather, eine Legende des Nachrichtenjournalismus, plädierte bei CNN für die Meinungsfreiheit - auch um den Preis der Terrorgefahr:
    "Wir müssen einen Weg finden, diesen Film als Dokument der Meinungsäußerung in den USA zu zeigen. Sonst werden wir von einem Regime nach dem anderen rund um die Welt erpresst."
    Dabei spiele die Qualität des Films keine Rolle, pflichtete ihm sein Kollege Fareed Zakária bei:
    "Es geht um die freie Meinungsäußerung. Und dazu zählt nun mal nicht nur geschliffene politische Satire, sondern im Zweifel auch pubertärer Klamauk."
    Sony habe zu schnell klein beigegeben, ist die Meinung vieler Kreativer aus der Film- Fernsehbranche, die bei Twitter ihrem Ärger Luft machen. Moderator Jimmy Kimmel nennt den Vorgang einen "ungeheuerlichen Präzedenzfall". Schauspieler Rob Lowe bedauert einen vollständigen Sieg der Hacker. Regisseur Judd Apatow aber hofft, dass die Hacker mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden und der Film nun von mehr Menschen auf der ganzen Welt gesehen werde - legal oder als illegaler Download im Netz.