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Strände
Keime werden zum Gesundheitsrisiko

Durch den Wechsel von Ebbe und Flut werden an Sandstränden immer wieder Fäkalien, Mikroorganismen und Keime angespült, die für Badende zum Gesundheitsrisiko werden können. Nun fordern Wissenschaftler nicht nur die Wasserqualität, sondern auch die Sauberkeit von Stränden zu messen.

Von Volker Mrasek | 03.08.2015
    Sommer am Strand von Rockaway Beach in New York.
    Risiken beim Baden am Strand: Durch Keime oder Fäkalien, die angespült werden, entstehen Hautausschläge. (Imago / Levine-Roberts)
    In ihrem Weißbuch plädieren die Autoren dafür, den Sand von Stränden routinemäßig auf Fäkalkeime und Krankheitserreger zu untersuchen. Und nicht mehr nur das Badewasser. Das sei nicht mehr zeitgemäß, sagt Helena Solo-Gabriele, Umweltingenieurin und Professorin an der Universität von Miami in den USA: "Es gibt fast kaum noch ungeklärte Abwasser-Einleitungen in der Nähe von Badestränden. Das waren die Hauptquellen von Keimen im Wasser, nach denen man sich immer orientiert hat. Heute sind sie das aber nicht mehr. Und wir stellen fest, dass die Verschmutzung des Sandes inzwischen wichtiger für die Badewasser-Qualität geworden ist."
    Im Blick haben die Forscher dabei die Gezeitenzone, die bei Flut unter Wasser steht und bei Ebbe trockenfällt. "Der Sand funktioniert fast wie ein Schwamm. Wenn das Meer geht, bleiben Mikroorganismen im feuchten Sand zurück und reichern sich an. Bei Flut gelangen sie dann wieder schubweise ins Badewasser. An Stränden liegen ja oft angespülte Algen - dort finden sich auch die meisten Mikroben im Sand. Wir haben eine Studie an einem Strand in Florida gemacht. Und festgestellt: Wenn besonders viele Fäkalkeime aus der Gezeitenzone ins Wasser gespült wurden, waren auch Haut-Irritationen bei Badenden am häufigsten."
    Häufig stammen Fäkalkeime und Krankheitserreger auch aus dem Kot von Seevögeln, die ihr Geschäft in der Gezeitenzone verrichten.
    ADAC fordert ebenfalls Messungen am Strand
    Nach den Vorschriften der EU wird die Belastung des Badewassers mit bestimmten Darmbakterien in ein Meter Tiefe gemessen. Umweltingenieurin Solo-Gabriele verweist auf Schwächen, die eine solche Qualitätskontrolle in ihren Augen hat: "Das Badewasser ist sehr variabel in seiner Qualität. Man misst tagelang ganz wenig - und dann plötzlich sehr viele Keime. Und die Auswertung dauert 24 Stunden. Es kann also sein, dass ein Strand geschlossen wird, obwohl sich die Wasserqualität in der Zwischenzeit wieder verbessert hat. Wir glauben, dass der Sand uns ein Signal liefert, das zeitlich konstanter ist - gerade auch dann, wenn er erhöhte Konzentrationen von Bakterien enthält."
    Ergänzungsbedürftig sind die Messungen auch nach Ansicht des ADAC. Bei seinen eigenen Tests lässt der Automobil-Klub das ganz flache Wasser beproben. Weil das der Bereich sei, in dem Kleinkinder badeten. Den Sand untersucht aber auch der ADAC bisher nicht.
    Unter den Autoren des Weißbuches sind übrigens keine deutschen Forscher. Und auch beim Umweltbundesamt gibt man sich reserviert. Auf Anfrage betont die zuständige Fachbehörde des Bundes zwar: "Auf die hygienische Sauberkeit des Strandes sollte unbedingt geachtet werden."
    In Portugal Sandmessungen bereits Standard
    Eine Untersuchung des Sandes auf Pilze, Parasiten und bakterielle Erreger sei aber schwierig und in seiner Aussagekraft fragwürdig: "Eine regelmäßige Beprobung von Sandstränden mit negativem Ergebnis könnte sich während der Benutzung (...) durch eine hohe Anzahl von Badegästen sehr schnell ändern und würde eine falsche Sicherheit vermitteln."
    Dem würde auch João Brandão sicher nicht widersprechen, Experte für Pilzinfektionen am Nationalen Gesundheitsinstitut in Lissabon. Doch der Biotechnologe hat bisher sehr positive Erfahrungen gemacht. In Portugal gibt es nämlich Strände, an denen der Sand schon seit Jahren routinemäßig mikrobiologisch untersucht wird. Und das, so Brandão, klappe gut: "Ein wichtiger Punkt ist tatsächlich, wie repräsentativ die Messungen sind. Hier in Portugal nehmen wir grundsätzlich Proben von drei verschiedenen Stellen am Strand. Und es gibt immer mehr Labore, die die Analysen zuverlässig durchführen. Das überprüfen wir auch. Also, das Ganze ist durchaus machbar!"
    Ihr Weißbuch wollen die Forscher jetzt an Kollegen verteilen, die einen direkten Draht zu den Fachbehörden ihrer Heimatländer haben - unter anderem in Portugal, Großbritannien, Kanada und den USA. Auf die Agenda soll das Thema auch bei einem bevorstehenden Expertentreffen der Weltgesundheitsorganisation.
    Skeptikern der Strand- und Sandbeprobung rät João Brandão, auf jeden Fall einen Blick in das neue Weißbuch zu werfen: "Sie sollten unseren Text lesen - und aufwachen!"