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Strafverfahren
Verfassungsschutz-Chef Maaßen verteidigt Strafanzeigen

Seine Anzeigen lösten die Ermittlungen gegen "netzpolitik.org" aus, nun rechtfertigt Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sein Vorgehen - im Kampf gegen Extremismus und Terrorismus sei es notwendig gewesen.

02.08.2015
    Der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, fotografiert am 11.06.2015 in Potsdam (Brandenburg) während einer Pressekonferenz im Rahmen der Sicherheitskonferenz zur Cybersicherheit.
    Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen (picture alliance / dpa / Ralf Hirschberger)
    "Um die weitere Arbeitsfähigkeit meines Hauses im Kampf gegen Extremismus und Terrorismus sicherzustellen, war es notwendig, gegen die Herausgabe von als vertraulich oder geheim eingestuften Dokumenten des BfV juristisch vorzugehen", sagte Maaßen der "Bild am Sonntag". "Alles Weitere ist nun eine Angelegenheit der Justiz." Dass Generalbundesanwalt Harald Range inzwischen entschieden hat, die Ermittlungen vorerst nicht voranzutreiben, wollte Maaßen nicht kommentieren.
    Das Ermittlungsverfahren gegen die Journalisten von "netzpolitik.org" war am Donnerstag bekannt geworden. Generalbundesanwalt Range sah bei dem Gründer des Portals, Markus Beckedahl, und Autor André Meister einen Verdacht auf Landesverrat. Sie hatten in zwei Artikeln Pläne des Verfassungsschutzes zum Ausbau der Internet-Überwachung beschrieben und Auszüge von vertraulichen Dokumenten ins Netz gestellt. Die Macher von "netzpolitik.org" kritisierten dies als "Angriff auf die Pressefreiheit an sich". Am Samstag demonstrierten etwa 1300 Unterstützer in Berlin für die Pressefreiheit.
    Unter dem großen öffentlichen Druck hatte Generalbundesanwalt Range bereits am Freitag erklärt, er werde die Ermittlungen gegen die Journalisten vorerst nicht weiter vorantreiben und auf "mögliche Exekutivmaßnahmen" verzichten. Zunächst soll ein externes Sachverständigengutachten klären, ob es sich bei den Veröffentlichungen um die Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses handelt, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
    Kritik aus der Politik
    Dennoch nimmt auch in der Politik die Kritik an Range zu, FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki forderte personelle Konsequenzen: "Wenn der Generalbundesanwalt die verfassungsrechtliche Rechtsprechung zur Pressefreiheit und zur Aufgabe von Journalisten nicht beachtet, dann ist er in seinem Amt eine Fehlbesetzung", sagte er der "Welt am Sonntag". Auch Christian Flisek, SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, forderte über Twitter den Rücktritt des Generalbundesanwalts, SPD-Vize Ralf Stegner schloss sich dieser Forderung ebenso an wie Linken-Chef Bernd Riexinger. Der Grünen-Innenexperte Volker Beck bezeichnete das Verfahren im Deutschlandfunk als "Schnapsidee", der Tatbestand des Landesverrats sei nach dem Strafgesetzbuch nicht erfüllt.
    Schon am Freitag war Justizminister Heiko Maas auf Distanz zu Range gegangen: Er habe Zweifel daran, dass es sich bei den veröffentlichten Dokumenten "um ein Staatsgeheimnis handelt, dessen Veröffentlichung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt", hatte der Justizminister erklärt. Zudem habe er Range auch seine Zweifel daran mitgeteilt, dass die Journalisten von "netzpolitik.org" mit ihrer Veröffentlichung die Bundesrepublik Deutschland benachteiligen oder eine fremde Macht begünstigen wollten.
    Lediglich aus der CDU gab es Unterstützung: Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Patrick Sensburg (CDU), bezeichnete die Rücktrittsforderungen im Handelsblatt ebenso als verfehlt wie CDU-Innenpolitiker Bosbach: "Wer beim Ermittlungsverfahren kritisiert, hier würde mit Kanonen auf Spatzen geschossen, sollte nicht selber ein so großes Kaliber wählen", sagte dieser.
    (swe)