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Strafzahlung bei Wohnungsleerstand
Barcelonas Bürgermeisterin bittet zur Kasse

Barcelona steht bei Touristen hoch im Kurs. Gerade im Sommer platzt die Stadt aus allen Nähten. Doch während viele Besucher dank Airbnb in Privatwohnungen Unterschlupf finden, fehlt es den Einheimischen an bezahlbarem Wohnraum. Jetzt will die Bürgermeisterin hart durchgreifen und verhängt dank eines alten Gesetzes Strafen.

Von Marc Dugge | 01.12.2016
    Ferienwohnungen in La Barceloneta, Barcelona, Spanien.
    Ein lokaler Konflikt der Einheimischen mit den Touristen in Barcelona sind die mangelnden Wohnungen (EPA/Marta Perez)
    Der Zorn der Bürgermeisterin traf erst mal zwei Wohnungsvermittlungsportale. In Barcelona ist es illegal, ohne Lizenz eine Wohnung an Gäste zu vermieten. Bei Airbnb und Homeaway sind sie trotzdem zu finden. Ada Colau wirft den Portalen vor, das willentlich geschehen zu lassen. Deswegen sollen sie jetzt eine Strafe von je 600.000 Euro zahlen. Airbnb hat schon angekündigt, Rechtsmittel einzulegen.
    Die Bürgermeisterin greift durch, auch gegen Banken. Vier Banken sollen Strafen von je 315.000 Euro zahlen. Weil sie Wohnungen seit mehr als zwei Jahren leer stehen lassen. Josep Maria Montaner, Stadtrat für Wohnraum im Rathaus Barcelona: "Unser Ziel ist, mehr erschwinglichen Wohnraum, mehr Sozialwohnungen in Barcelona zu schaffen. Die Herausforderung ist, die bis zu 80.000 leerstehenden Wohnungen zumindest zu einem Großteil zu erschwinglichen Mietwohnungen zu machen."
    Spanischer Bankenverband reagiert empört
    Die betroffenen Wohnungen haben einmal Privatpersonen gehört, die ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen konnten. Irgendwann fielen die Immobilien zurück an die Banken. Diese sollen sie jetzt zu erschwinglichen Preisen vermieten oder zu Sozialwohnungen umwandeln. So will es Bürgermeisterin Ada Colau. Nicht ohne Grund: Öffentlichen Wohnraum gibt es in Barcelona kaum. Der Anteil liegt nach Angaben der Stadt bei gerade mal drei Prozent, weit unter dem europäischen Durchschnitt. Ada Colau will das ändern: Mit einem Mix aus Anreizen und eben auch Strafen. Der Spanische Bankenverband reagiert empört. Sprecher José Luis Martínez:
    "Wir sind mit den Strafen nicht einverstanden. Wir denken, dass man sich eher versöhnlich geben sollte. Die Banken zeigen doch schon soziale Verantwortung: Sie haben Familien geholfen, die Probleme hatten, ihre Zahlungen zu leisten und auch einen Sozialfonds für Wohnungen geschaffen. Wir sind für den Weg der Versöhnung und des Dialogs, nicht für Strafen."
    Versöhnung und Dialog hätte Stadtrat Montaner auch lieber gehabt, sagt er. Lange habe die Stadt gezögert, Strafen zu verhängen. Doch die Wohnungen hätten immer länger leer gestanden. Da sei der Stadt keine andere Wahl geblieben. Grundlage dafür ist ein katalanisches Gesetz aus dem Jahr 2007. Es wiegt das Recht auf Wohnraum gegen das Recht auf Eigentum auf. Bisher wurde das Gesetz kaum angewandt. Das sei nun endlich anders, so Carlos Macías, Sprecher der Plattform der Hypothekengeschädigten: "Wir haben ab 2013 von den Rathäusern gefordert, dieses Gesetz anzuwenden. Aber es gab lange einfach keinen politischen Willen, sich mit den Banken, den großen Besitzern, anzulegen."
    Bürgermeisterin war früher Aktivistin für Opfer der Immobilienkrise
    Der Aktivist hat in Ada Colau eine Mitstreiterin. Früher ist sie selbst für die Vereinigung auf die Straße gegangen. Verkleidet als weiblicher Superman forderte sie mehr Rechte für die Opfer der Immobilienkrise. Heute, als Bürgermeisterin, sitzt sie an den Hebeln und zögert nicht, sie auch zu bedienen. Die Strafen gegen die Banken seien legal, so Josep Maria Moltó, Verwaltungsrechter der Universität von Barcelona. Er ist allerdings skeptisch, ob sie etwas bewirken werden: "Sanktionen haben selten einen nachhaltigen Effekt. Außerdem richten sich diese Maßnahmen gegen wirtschaftliche Großmächte, für die solche Strafen keine große Anstrengung bedeuten."
    Privateigentümer dagegen würden immer ein Interesse daran haben, ihre Wohnung schnell zu vermieten, so Moltó. Ada Colau will, dass dies zu erschwinglichen Preisen geschieht und dass die Mieter künftig vor allem Einwohner von Barcelona sind und weniger Touristen. Sie weiß, dass sie als Bürgermeisterin am Thema Wohnungsmarkt gemessen werden wird. Und auch, dass selbst einer Superfrau Grenzen gesetzt sind.