Donnerstag, 28. März 2024

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Strafzölle der USA
"Verhindern, dass Trump einfach weitermacht"

Am Rande der OECD-Ministerkonferenz werden auch die drohenden Strafzölle der USA gegenüber der EU thematisiert. Dass sie kommen, steht für EU-Parlamentarier Daniel Caspary (CDU) außer Frage. Er befürchte, dass sie sogar nur ein erster Schritt seien, sagte Caspary im Dlf. Deshalb müsse die EU reagieren.

Daniel Caspary im Gespräch mit Silvia Engels | 30.05.2018
    Das Bild zeigt US-Präsident Trump nach der Unterzeichnung seiner Verordnung über Schutzzölle. Er ist umringt von amerikanischen Stahlarbeitern.
    US-Präsident Trump nach der Unterzeichnung der Verordnung über Schutzzölle umringt von amerikanischen Stahlarbeitern (dpa-bildfunk / AP / Susan Walsh)
    Silvia Engels: In Paris beginnt heute eine lang anberaumte OECD-Ministerkonferenz. Dort geht es um Wirtschaftsausblicke und Konjunkturerwartungen. Die Sitzung hat aber an Dramatik gewonnen, weil dort unter anderem EU-Kommissarin Malmström, Bundeswirtschaftsminister Altmaier und US-Handelsminister Ross erwartet werden. Am Rande der Sitzung wollen sie Wege finden, um in letzter Minute die drohenden Strafzölle der USA gegenüber der EU abzuwenden.
    Ende der Woche könnten die von US-Präsident Trump angedrohten Handelszölle auf Stahl und Aluminium aus der EU in Kraft treten. Am Telefon ist Daniel Caspary. Er ist Mitglied des Ausschusses für internationalen Handel im EU-Parlament und Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe dort. Guten Morgen, Herr Caspary!
    Daniel Caspary: Guten Morgen, Frau Engels.
    Der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary im Dlf-Studio.
    Der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary im Interview der Woche des Deutschlandfunks. (Deutschlandradio / Detjen)
    Engels: Sind die Strafzölle noch abzuwenden?
    Caspary: Ich befürchte, nein. Ich gehe im Moment davon aus, dass die amerikanische Regierung die Strafzölle verhängen wird, und ich wünsche mir, dass wir dann in Europa schnell und angemessen reagieren.
    Zunächst nur sehr, sehr kleine Auswirkungen
    Engels: Mit welchen wirtschaftlichen Folgen rechnen Sie in Europa?
    Caspary: Ich gehe davon aus, dass dieser erste Schritt der amerikanischen Regierung nur sehr, sehr kleine Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft hat. Wir reden im Moment ja vor allem über Zölle im Bereich Stahl und Aluminium. Die Sorge, die ich eher habe, ist, dass das nur ein erster Schritt ist. Die amerikanische Regierung spricht ja schon darüber, möglicherweise Zölle einzuführen auf Autos oder gegen Autos und andere Zölle einzuführen, und das ist genau die schwierige Situation, in der wir sind. Lassen wir uns den ersten Schritt einfach bieten, oder reagieren wir darauf? Da ist unsere Strategie, wir sollten darauf reagieren. Wir sollten angemessene Gegenmaßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass die Lage weiter eskaliert und Trump dann einfach weitermacht.
    Engels: Die EU hat sich ja schon vorbereitet. Für gewisse amerikanische Produkte sollen im Gegenzug auch Zölle erhoben werden. Wollen Sie noch weitere Schritte?
    "Mit den Amerikanern auf jeden Fall im Gespräch bleiben"
    Caspary: Nein. Es geht mir jetzt als allererstes darum: Wir müssen mit den Amerikanern auf jeden Fall im Gespräch bleiben. Wir sollten die Hoffnung nie aufgeben. Und selbst wenn jetzt Zölle auf Stahl und Aluminium verhängt werden: Wir müssen weiter im Gespräch bleiben, um einfach alles daran zu setzen, dass die Märkte offen bleiben.
    Das Zweite ist: Die Gegenmaßnahmen, die diskutiert werden – und über die Gegenmaßnahmen wird ja schon seit Wochen diskutiert -, die sind sehr, sehr angemessen. Wir nutzen ja nicht den Rahmen der Welthandelsorganisation dann komplett aus, oder lassen es weiter eskalieren. Aber wir setzen ein Zeichen in Höhe ungefähr der Hälfte. Das heißt, wir setzen ein Zeichen.
    Und das Dritte ist: Wir machen ja konsequent weiter mit unserer Außenhandelsstrategie. Wir haben jetzt in Kraft das Freihandelsabkommen mit Südkorea schon seit einigen Jahren. Unser Kanada-Abkommen ist in Kraft getreten. Wir schließen Japan und Singapur jetzt ab in wenigen Wochen, die dann unterschrieben werden und auch bald im Europäischen Parlament dann ratifiziert werden können. Wir verhandeln mit zahlreichen anderen Ländern wie jetzt Australien und Neuseeland. Unsere Antwort auf Trump ist ja nicht nur, dass wir jetzt nur wie das Kaninchen auf die Schlange Richtung Amerika schauen, sondern wir versuchen ja ganz im Gegenteil, unsere Strategie weiterzufahren, globale Märkte offenzuhalten, viele, viele Partner zu finden, damit sich diese Sichtweise, die gerade im Weißen Haus vorherrscht, nicht global durchsetzt.
    Riesiges Interesse an guten Handelsbeziehungen
    Engels: Nun ist allerdings die Drohung, die Sie schon angesprochen haben aus den USA, was mögliche Zölle auch für Autos und Autoprodukte angeht, für die deutsche Wirtschaft eine viel größere Bedrohung als die Drohung mit Zöllen auf Stahl und Aluminium. Kann Deutschland hier einfach abwarten beziehungsweise auf die Strategie setzen, die Sie skizzieren, mittelfristig andere Handelsstrukturen auszubauen?
    Caspary: Das Allererste ist: Wir wollen andere Strukturen ausbauen, um uns da etwas abzusichern. Und das Zweite ist: Wir haben doch als Europäer ein riesen Interesse daran, gute Handelsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten zu haben. Viele der Themen, die Präsident Trump anspricht, wenn er zum Beispiel darüber spricht, dass wir Zölle in Europa auf amerikanische Produkte haben und umgekehrt und ihn das stört, das sind ja alles Themen, die wir mit den Vereinigten Staaten schon seit vielen, vielen Jahren ansprechen wollen.
    Wir haben ja die Verhandlungen über das geplante TTIP-Abkommen gehabt, wo es ja um die Frage der Zölle ging, wo es um die Frage der nichttarifären Handelshemmnisse ging, wo es generell um die Frage ging, wie stellen wir uns als westliche Marktwirtschaften auf in der Globalisierung, in der andere Spieler, die vor 20 Jahren noch gar keine Rolle gespielt haben, immer stärker werden – Stichwort China, Indien und andere. Und das ist ja gerade im Moment das Frustrierende, dass wir eigentlich ein gemeinsames Interesse haben. Auch die Handelsungleichgewichte, die durch unfaire Maßnahmen der Chinesen entstehen, Stichwort Stahl-Dumping, könnten wir doch viel, viel besser gemeinsam mit den Amerikanern angehen.
    Und deswegen: Ich kann aus innenpolitischen, wahltaktischen Gründen die Vorgehensweise von Präsident Trump verstehen, aber er schadet damit ja nicht nur uns; er schadet damit sich selber. Ich kann mir nicht vorstellen, dass zum Beispiel Autohersteller, die im Moment in Amerika sind, da weiter tätig sein können im derzeitigen Umfang, wenn dann zum Beispiel als Gegenmaßnahme gegen amerikanische Zölle dann auch die Chinesen Zölle einführen und Autoexporte aus Amerika nach China schwieriger werden. Da wird ja gerade was möglicherweise von Präsident Trump in Gang gesetzt, was er, glaube ich, im Zweifel noch gar nicht abschätzen kann, wozu das führen kann auch für sein Land.
    "Ganz klar WTO-rechtswidrig"
    Engels: Gehen wir mal einen Moment weg von diesen Strafzöllen. EU-Handelskommissarin Malmström sagte gestern im EU-Parlament: Selbst wenn die USA auf Strafzölle verzichten würden, dann würden sie wohl irgendeine Art von Obergrenze für EU-Exporte verhängen. Was muss man sich darunter vorstellen?
    Caspary: Wir haben generell im internationalen Handel in vielen Bereichen auf der einen Seite Zölle und als zweites quasi Quoten. Quoten heißt, man kann dann eine bestimmte Anzahl von Produkten, zum Beispiel eine bestimmte Anzahl von Autos zollfrei in ein Land einführen. Und wenn man dann zum Beispiel 100.000 Autos in ein Land zollfrei verkauft hat, ab dem 100.001. Auto greifen dann bestimmte Zölle, um einfach die Menge zu reduzieren. Aber machen wir uns doch gar nichts vor: Selbst wenn so eine Maßnahme in den Vereinigten Staaten ergriffen wird, die schränkt Handel ein. Die ist ganz klar WTO-rechtswidrig, weil wir im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO mit den Vereinigten Staaten andere vertragliche Regelungen getroffen haben. Und der Punkt ist noch mal: Wir sind doch bereit, über vieles zu sprechen, und ich kenne auch viele, viele Unternehmen, die Probleme haben, in den amerikanischen Markt einzutreten. Es ist doch nicht nur so, dass Amerikaner in Europa Probleme haben, sondern anders herum ist es doch mindestens genauso. Und deswegen: Egal welche Maßnahmen ergriffen werden, sie sind einfach illegal, sie sind ungerechtfertigt. Sie haben gerade auch wieder von Strafzöllen gesprochen. Man kann Strafzölle verhängen gegen Stahl und Aluminium aus China, wo tatsächlich gedumpt wird. Aber wer Zölle verhängt gegen Stahl und Aluminium aus Europa, der verhängt keine Strafzölle, sondern das sind reine ungerechtfertigte illegale protektionistische Zölle und dagegen müssen wir uns wehren.
    Breite Unterstützung für Gegenmaßnahmen
    Engels: Aber genau diese Argumente scheinen ja, gerade im Weißen Haus nicht zu verfangen. Noch mal die Frage: Kurzfristig werden ja europäische Unternehmen, auch deutsche Unternehmen betroffen sein. Kann die EU irgendetwas tun, wenn diese Verhandlungen, die nun anstehen, scheitern, um Unternehmen auch kurzfristig zu schützen?
    Caspary: Kurzfristig dann sicher nicht, sondern wenn die Amerikaner die Zölle verhängen sollten oder Quoten einführen, dann greifen die und dann sind wir genau an dem Punkt, wo wir dann Gegenmaßnahmen ergreifen. Das wurde auch gestern Abend im Europäischen Parlament in der Debatte zu dem Thema sehr, sehr deutlich. Es gibt eine breite Unterstützung im Europäischen Parlament durch die relevanten Fraktionen, dass wir dann angemessene Gegenmaßnahmen ergreifen. Denn es scheint so zu sein, Präsident Trump ist ja ein Mann starker Worte, und ich befürchte, er versteht keine andere Sprache, als dass wir dann reagieren. Deswegen genau die Strategie: Wir reagieren dagegen, aber nur ungefähr in Höhe der Hälfte dessen, was im Rahmen der Welthandelsorganisationsvorgaben möglich ist. Das ist auch das Zeichen, wir lassen uns nicht alles bieten, wir setzen Gegenreaktionen, aber wir wollen gesprächsbereit bleiben.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.