Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Strafzoll-Streit mit den USA
"Der Handelskrieg ist nicht abgewendet"

Der grüne Europapolitiker Sven Giegold hält es für falsch, bei den USA um Ausnahmen bei Strafzöllen auf etwa Stahl zu "betteln". Viel mehr müsse die EU mit allen Partnern auf der Welt darüber sprechen, wie das Handelssystem auf eine ökonomisch und demokratisch vernünftige Grundlage gestellt werden könne, sagte er im Dlf.

Sven Giegold im Gespräch mit Martin Zagatta | 22.03.2018
    Sven Giegold, Europa-Abgeordneter der Grünen, bei einer Rede in Münster
    Sven Giegold, Europa-Abgeordneter der Grünen (Imago)
    Martin Zagatta: Etwas schärfere Töne gegen Russland und nur vorsichtige Erleichterung darüber, dass es vorerst keine amerikanischen Strafzölle gegen die EU gibt. Da wollen wir nachfragen, was das jetzt heißt. Sven Giegold ist der Sprecher der Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament. Guten Abend, Herr Giegold!
    Sven Giegold: Guten Abend, Herr Zagatta.
    Zagatta: Herr Giegold, vorerst keine Strafzölle für die EU. Damit ist das Problem vertagt, aber – das war jetzt deutlich herauszuhören – nicht vom Tisch. Ist das für Sie jetzt mehr als eine Atempause?
    Giegold: Nein, das ist wohl nur eine Atempause. Das klingt ja auch nicht nach einer wirklichen Beruhigung, wenn gleichzeitig gesagt wird, Stahl ist auch ein Problem, wenn es in Form von Autos importiert wird. Da ist ja die nächste Drohung im Grunde gleich angelegt. Nein, der Handelskrieg ist nicht abgewendet, und wir Grünen waren ohnehin immer skeptisch, ob es klug ist, jetzt für Ausnahmen für Europa zu betteln, selbst wenn man sich kurzfristig natürlich freut, dass nicht sofort ein Schaden hier eintritt.
    "Man muss multilateral reden"
    Zagatta: Aber wie ist das, wenn Sie sagen, keine Ausnahmen für Europa ist Ihre Position? Wie ist das mit China zum Beispiel, was Trump jetzt ganz besonders wichtig scheint? Unter Dumpingpreisen aus China leidet ja auch die europäische Wirtschaft. Sollte sich Brüssel da nicht sogar an die Seite von Donald Trump stellen?
    Giegold: Zunächst mal ist es natürlich richtig, über einige schwierige Themen mit China auch hart zu sprechen. Das gilt sowohl beim Diebstahl von Technologie; das gilt aber auch für Dumpinglösungen dort und auch für manche Übernahmen, wo man nicht naiv sein darf, dass es hier nicht darum geht, als freundlicher Investor alleine aufzutreten, sondern sehr strategisch Kontrolle über wichtige Zukunftsmärkte zu erhalten. Darüber muss man aber multilateral reden und nicht dadurch, dass man einseitig einen Handelskrieg im Grunde begründet. Das ist die Drohung von Trump. Das sollte nicht der europäische Stil sein. Europa sollte viel mehr mit allen Partnern auf der Welt darüber reden, wie wir das Handelssystem endlich auf eine ökonomisch und demokratisch vernünftige Grundlage stellen, und dafür gäbe es jetzt eine Chance, weil Trump im Grunde sich soweit isoliert hat, dass wir mit den Schwellenländern auch eine neue Gesprächsbasis finden können. Ich sehe noch nicht, dass die EU-Kommission und die Bundesregierung diese Chance jetzt ergreifen will.
    "Unser Überschuss ist zu hoch"
    Zagatta: Sie sagen, Trump hat sich isoliert. Auf der anderen Seite hat dieser Handelskonflikt uns ja auch vor Augen geführt, dass die EU tatsächlich höhere Einfuhrzölle hat als die USA. Muss Brüssel da Trump nicht in dem einen oder anderen tatsächlich auch entgegenkommen?
    Giegold: Ganz so einfach ist die Geschichte nicht. Das kommt immer auf den Produktbereich an. Etwa bei den Autos, was jetzt ganz oft immer zitiert wurde, da ist der Bereich der Pickups mit hohen Einfuhrzöllen in den USA geschützt, 25 Prozent. Der ist deutlich höher als die Zölle, die wir hier haben. Man muss immer genau hingucken. Das ist immer ein Paket. Aber richtig ist: Unser Überschuss, den wir mit den Amerikanern haben, der ist inzwischen zu hoch, und das gilt nicht nur für Deutschland, das gilt auch für die EU als Ganzes. Zwar verdienen die amerikanischen Großunternehmen sehr gut in Europa, Apple, Amazon und so weiter, aber das gleicht die Überschüsse in der Handelsbilanz nicht aus. Deshalb sind wir gut beraten, gerade in Deutschland mehr zu investieren und auch im Niedriglohn-Sektor Veränderungen vorzunehmen. Aber dafür muss man wiederum keinen Handelskrieg beginnen, um darüber vernünftige Gespräche führen zu können.
    Digitalsteuer: "Keine Steuer für US-Unternehmen"
    Zagatta: Herr Giegold, wenn Sie da jetzt Apple und die großen Konzerne nehmen, da hat ja die EU-Kommission gerade verkündet, diese Internet-Konzerne, vor allem US-Unternehmen jetzt höher zu besteuern. Da ist doch jetzt in diesem Zusammenhang und gerade, wenn Trump anbietet, wir setzen die Strafzölle erst mal aus und wollen noch verhandeln, schon der nächste Konflikt vorprogrammiert. Sollte man in diesem Moment vielleicht darauf verzichten?
    Giegold: Davon halte ich, ehrlich gesagt, gar nichts, weil das ist keine Internetsteuer für amerikanische Unternehmen. Das unterscheidet das ganz grundsätzlich von dem einseitigen Vorgehen von Trump im Bereich seiner Zollpolitik. Sondern es geht darum, dass alle Unternehmen, auch europäische Unternehmen von diesen neuen Digitalsteuern betroffen sein werden, weil auch die zahlen zu wenig Steuern, viele zumindest.
    Zagatta: Aber es trifft doch jetzt vor allem die Amerikaner …
    Giegold: Nein, es trifft nicht die Amerikaner, sondern der normale Amerikaner hat überhaupt nichts davon, dass Apple oder Amazon über all die Jahre dreistellige Milliardenbeträge in karibischen Steueroasen verbracht haben, die sie in Europa erwirtschaftet haben, sondern das ist unfairer Wettbewerb innerhalb Europas zwischen Unternehmen, die im digitalen Raum aktiv sind, und Unternehmen, die einfach ganz normal ihren Geschäften nachgehen.
    Zagatta: Ich meine damit auch, es trifft vor allem jetzt amerikanische Unternehmen. Aber wenn wir da einen Punkt machen: Die EU – das haben wir jetzt gerade gehört – hat sich zumindest darauf geeinigt, ganz, ganz deutliche Worte an Russland zu richten, schärfere Töne jetzt noch, als man das vorher erwartet hat. Aus Ihrer Sicht jetzt, sind das Worte, denen auch irgendwelche Taten folgen sollten, oder gibt es dazu keine Möglichkeiten?
    Giegold: Nun gut, zunächst mal laufen Sanktionen. Die werden zum Teil nicht überall in der Schärfe angewendet, wie es richtig wäre. Wir sind dort als Grüne immer auch für eine Politik ohne Naivität gegenüber Putin gewesen. Die ganzen Gerüchte, es gäbe noch keine Beweise, das Muster auch von vorigen Ermordungen von Regimegegnern entspricht genau dem Muster, das wir jetzt auch in Salisbury gesehen haben, und deshalb ist eine gemeinsame Reaktion Europas richtig und man darf nicht akzeptieren, wenn innerhalb der EU auf solche Weise gemordet wird.
    Zagatta: Sven Giegold ist der Sprecher der Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament und war ganz spät heute, wofür ich ihm jetzt auch danke, bei uns noch in der Sendung. Herr Giegold, herzlichen Dank für dieses so späte Gespräch.
    Giegold: Gerne! Das ist selbstverständlich. – Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.