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Strahlende Last

Kernenergie. Strategien zur Endlagerung von Atommüll standen im Mittelpunkt des Forums in Paris. Während in Frankreich auf Basis eines neuen Gesetzes debattiert wird, bleibt die Frage eines deutschen Endlagers völlig offen.

Von Suzanne Krause | 14.11.2006
    Die Kernkraft gehört in den Industriestaaten rund um den Globus seit langen Jahren zum Alltag. Doch bis heute gibt es weltweit nirgendwo ein definiertes Endlager für hoch strahlenden Atomabfall. Eine Tatsache, an die bei der Eröffnung des Eurosafe-Forums in Paris erinnert wurde.

    Frankreich hat im Juni 2006 ein Gesetz zur Entsorgung verabschiedet. Es definiert, was als Abfall gilt und was als recycelbar. Es definiert ebenso die Verantwortungsbereiche der unterschiedlichen Organisationen, was die Erforschung weiterer Möglichkeiten der Entsorgung angeht und auch den Betrieb einer Endlagerstätte.

    Jacques Repussard, Generaldirektor der französischen Instituts für Strahlenschutz und Nukleare Sicherheit, des IRSN, ergänzt:

    "Der erste Aspekt des Gesetzes betrifft also das Vorgehen. Dazu gehört:
    Das Gesetz schreibt Fristen vor und vor allem, wann das Parlament eine endgültige Entscheidung fällen wird, um dann, nach Vorlage des Sicherheitsberichts der Betreiber, den Bau einer unterirdischen Endlagerstätte für hochstrahlenden Abfall zu genehmigen."

    Bis 2015 soll das Sicherheitsdossier für das Verfahren der Baugenehmigung stehen, damit 2025 das Endlager eröffnen kann. Gesetzlich verankert wurde jedoch auch, dass die Endlagerung für eine Frist von 100 Jahren umkehrbar sein soll. Die Forderung nach Umkehrbarkeit entspringt den öffentlichen Anhörungen zum Thema, bei der die französische Regierung in diesem Jahr vier Monate lang die Meinung der Bevölkerung einholte. Seit Jahren schon ist ein unterirdisches Forschungslabor in Nordostfrankeich, in Bure, im Bau. Doch die dortige Bevölkerung weigert sich standhaft, ein Endlager auf ihrem Grund zu akzeptieren. Auch andernorts heißt es: nicht in meinem Hinterhof. Jacques Repussard:

    "Das französische Gesetz ist vielleicht nicht das weitreichendste zum Thema Endlagerung in der Welt. Aber es ist der jüngste Text zum Thema und hat somit die Lehren ziehen können, zum einen aus den bisherigen technischen und wissenschaftlichen Arbeiten, sei es im nationalen oder internationalen Bereich. Und zum anderen hat es die Lehren gezogen aus den öffentlichen Debatten betreffs der Erwartungen der Gesellschaft."

    In Deutschland hat sich seit 1998, seit der Ankündigung des Atomausstiegs, wenig getan zum Thema Endlager, resümiert Lothar Hahn, Direktor der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit. Und zur Debatte stand bislang nur die Entsorgung im Salzstocklager von Gorleben. Laut Hahn müsse man in Deutschland nun die Hausaufgaben machen, um das Entsorgungsgesetz von 1983 zu aktualisieren, um neue Richtlinien beispielsweise von der internationalen Atomenergiebehörde IAEA und neue Anforderungen zu integrieren:

    "Jetzt steht man vor der Frage, macht man da weiter, wo man 1998 aufgehört hat genau, oder gibt es neuere Überlegungen, die man jetzt hier berücksichtigen muss, etwa ein vergleichender Prozess mit anderen Formationen. Das ist noch nicht entschieden, ob man beispielsweise bei Salz bleibt oder ob man auch Ton, wie in Frankreich, in Erwägung zieht, ob man vergleichende Betrachtungen macht, mit welchem Tiefgang man die macht und wie der Prozess der letztendlichen Endlagerdefinition laufen wird. Es ist einiges offen, es ist mehr an Wissen dazu gekommen, das muss erstmal aufgearbeitet werden. Es ist leider auch viel Zeit verstrichen, wo nicht all zu viel passiert ist."

    Yves Marignac, Pariser Direktor der atomkritischen Gruppe World Information Service Energy, rät den Eurosafe-Teilnehmern bei seinem Vortrag, in ihrer Endlager-Forschung über den bisherigen Tellerrand zu schauen:

    "Die Analyse aller bestehenden Risiken und der Risikentransfers für kommende Generationen betreffs der technischen Entscheidungen bleibt sehr unzureichend, und es ist noch viel zu tun, um die Risiken zu senken, damit solche Entscheidungen, auch betreffs der Standortwahl und der künftigen Generationen, akzeptabel werden."