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Straßenrad-WM in Katar
Unerträgliche Hitze und keine Zuschauer

Zwei Drittel aller Wettbewerbe sind bei der diesjährigen Straßenrad-WM in Katar bereits absolviert – doch richtig unglücklich dürfte unter den Sportlern kaum jemand sein, wenn die WM am 16. Oktober zu Ende ist. Zu extrem die Bedingungen, unwürdig die Atmosphäre – das ist zumindest bei vielen deutschen Startern der Tenor.

Von Holger Gerska | 13.10.2016
    Tony Martin bei der Straßnerad-WM in Katar 2016
    Allein auf weiter Flur: Tony Martin bei der Straßnerad-WM in Katar 2016 (picture alliance / dpa, Yuzuru Sunada)
    Es sind bizarre Bilder: Radsportler, die sich über gähnend leere, breite Straßen durch die Wüste und durch Baustellen-Landschaften quälen – bei offiziell 38 Grad im Schatten. Aber den Schatten werfen sie nur selbst.
    Die Straßenrennen werden zur Tortur, sagt der Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin: "Man muss vielleicht allgemein die Frage stellen, warum eine WM in Katar ausgetragen wird. Das ist mehr als fragwürdig." Zumal es hier niemanden interessiert. Bei der Handball-WM vor zwei Jahren wurden die Hallen zum Teil noch mit Soldaten gefüllt, hier herrscht Leere. Keine Musik, keine Stimmung, keine Zuschauer.
    "Vor allem im Zielbericht und bei der Siegerehrung ist es schon schöner, wenn viele Leute da sind und jubeln und einen anfeuern. Klar ist das ein bisschen schade", sagt die ehemalige Weltmeisterin Lisa Brennauer, während Tony Martin noch deutlicher wird: "Also zumindest gestern war es der Fall, als weniger Fans als Reporter und Fotografen da waren. Ich glaube, alle wissen, warum die Radsport-Weltmeisterschaft hier ist. Geld regiert die Welt."
    Sport als Spielzeug reicher Scheichs
    Im Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt und mit sklavenähnlichen Bedingungen für die Gastarbeiter. Aber Sportverbände brauchen Geld und nehmen auch Öl-Dollar. Der deutsche Delegationsleiter Udo Sprenger kann sich eigentlich nicht beschweren. Schließlich wohnt seine Mannschaft im feudalen Ritz-Carlton – alle Kosten dafür trägt der Veranstalter.
    "Ich denke, es ist nicht die richtige Richtung, und die UCI sollte sich überlegen, was sie in Zukunft macht." Der Weltverband selbst will sich erst am Wochenende äußern, verweist auf die Rolle der UCI als Entwicklungshelfer in Sachen Radsport. Und er ist ja nicht allein: Die Tischtennis-WM war hier, die Box-WM, die Handball-WM. Es folgen Turner, Leichtathleten und 2022 die Fußballer.
    Auf einem großen Wandbild wird in Katar die Vergabe der WM 2022 an das Land gefeiert.
    2022 findet in Katar die Fußball-WM statt. (imago stock & people)
    "Da die anderen Sportverbände auch ihre Weltmeisterschaften hier austragen, muss ich stark annehmen, dass sie sich sanieren. Hier ist genug Geld. Hier kann man die Weltmeisterschaft machen. Und ich denke, wenn der Fußball genauso wenig besucht wird wie hier, dann wird es einen Aufschrei geben."
    "Meinung der Fahrer interessiert nicht"
    Diese WM findet dann immerhin im späten Herbst statt. Die Radsportler wie Tony Martin wurden von ihrem Weltverband in die Hitze geschickt. "Ich glaube doch, dass die UCI teilweise sehr träge in ihren Entscheidungen ist und teilweise auch taub ist, was die Bedürfnisse der Fahrer angeht. Ich denke, dass andere Kriterien als die Meinung der Fahrer entscheiden."
    Und so tobt hinter den Kulissen der Kampf um die Verkürzung des auf 260 Kilometer angesetzten Straßenrennens der Profis. Toni Martin glaubt nicht daran. "Wenn man jetzt verkürzt, hat das etwas von Schwanz einziehen. Ich weiß nicht, was am Sonntag anders sein soll als am Freitag." Vielleicht kommen ein paar Zuschauer mehr: Statt 25 dann vielleicht 250.