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Strategie 2025
Wie sich VW neu erfinden will

Mit Milliardeninvestitionen in Elektroautos, neue Dienstleistungen und in autonomes Fahren will sich Volkswagen aus der Krise durch den Abgas-Skandal befreien. Details seiner Strategie für die kommenden zehn Jahre hat Europas größter Autobauer jetzt vorgestellt. Ganz so leicht wird der Umbau wohl nicht.

Von Dietrich Mohaupt | 16.06.2016
    Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, spricht am 16.06.2016 auf einer Pressekonferenz in der Autostadt am VW Werk in Wolfsburg. Volkswagen stellte mit der «Strategy 2025» die Planung des Autobauers bis zum Jahr 2025 vor.
    Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender von VW, stellt die Planung des Autobauers bis zum Jahr 2025 vor. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Demut sieht anders aus: In der Wolfsburger Autostadt beschwört VW-Lenker Matthias Müller den "größten Wandel" in der Konzerngeschichte. Mit der neuen Konzernstrategie bis 2025 will Europas führender Autobauer inmitten seiner größten Krise massiv in die Elektromobilität, ins autonome Fahren und in die damit verbundenen Geschäftsmodelle investieren. Audi, Porsche und VW sollen den Markt bis 2025 mit mehr als 30 Elektromodellen beflügeln, kündigt Müller an: "Der Verbrennungsmotor bleibt wichtig, er wird uns noch länger begleiten und auch im Jahr 2030 noch etwa zwei Drittel des Marktvolumens neuer Fahrzeuge ausmachen. Das heißt aber auch, das andere Drittel wird dann elektrisch fahren."
    Das wären dann zwei bis drei Millionen der smarten Stromer pro Jahr – ein ziemlich ehrgeiziges Produktionsziel, vor allem angesichts der aktuell eher dürftigen Absatzzahlen von E-Mobilen. Trotzdem erwägen die Wolfsburger sogar die Produktion eigener Batteriezellen und den Aufbau eines Ladenetzes. Zugleich tritt der VW-Boss aber auch auf die Bremse. Die Innovationskraft für Neuentwicklungen müsse künftig nicht mehr zwingend aus dem eigenen Hause kommen, betont Matthias Müller. "Wir geben uns nicht mehr der Illusion hin, alles besser zu können oder alles selbst entwickeln zu müssen. Für ein ingenieurgetriebenes Unternehmen wie unseres ist gewiss das ein Paradigmenwechsel."
    Carsharing, führerloses Fahren, Fahrdienste per App
    Volkswagen wird künftig also verstärkt einkaufen gehen, Unternehmen und deren Know-how erwerben, um sich zum Beispiel beim Thema autonomes Fahren in der Spitzengruppe platzieren zu können. Ein Trend, den der Konzern bisher nicht unbedingt ganz groß auf der Agenda stehen hatte. App-gestützte Fahrdienste, Robotaxis, Carsharing, Transport on Demand – das sind die Stichworte dazu. Das Credo des VW-Chefs: "Wir glauben an die Zukunft dieser Technologie, an ihre rasche Verbreitung und ihr revolutionäres Potenzial. Deshalb machen wir das autonome Fahren und künstliche Intelligenz zu Kerntechnologien des Volkswagenkonzerns."
    Das wird richtig Geld kosten. Bis 2025 sind Investitionssummen im zweistelligen Milliardenbereich im Gespräch. Finanziert werden soll das unter anderem durch einen stärkeren Focus auf Profitabilität und Effizienz. In praktisch allen Konzernbereichen gebe es da Potenziale, betonte Müller, über den Abstoß einzelner, wenig profitabler Marken gebe es aber noch keine finalen Beschlüsse.
    Insgesamt sei die neue Konzernstrategie – wie üblich – ein durchaus interessantes Paket, meint Automobilexperte Hans-Gerhard Seeba: "Man hat eigentlich in alter Volkswagen-Gewohnheit schon eine grandiose Strategie vorgestellt – ob es tatsächlich ein vollständiger Paradigmenwechsel ist, wird die Zukunft zeigen."
    Längere Frist aus den USA vom US-Richter
    Vor allem, weil der Konzern ja nicht nur nach vorne in eine sehr teure Zukunft schauen muss, sondern weiter auch mit den Folgen des Abgasskandals vor allem in den USA zu kämpfen hat. Immerhin haben die Wolfsburger seit heute Nacht ein wenig mehr Zeit in dieser Sache bekommen.
    Der kalifornische Richter Breyer, bei dem zahlreiche Klagen gegen den Konzern gebündelt sind, hat die Frist für die Vorlage von Details für einen Vergleich vor Gericht verschoben, um eine Woche und damit auf einen Termin nach der Hauptversammlung am 22. Juni. Diese Entscheidung verschaffe dem Konzern auf der einen Seite noch etwas Luft, so Seeba, "aber auf der anderen Seite wäre das natürlich eine gute Sache gewesen, wenn man anlässlich der Hauptversammlung reinen Tisch machen könnte. Das ist jetzt nicht der Fall, von daher steht die Hauptversammlung in der Beziehung nicht eben unter einem guten Stern."