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Neue Filme
Mode, Krankheit und ein Thriller

Ein Enfant terrible der Modeszene, die Coming-of-Age-Geschichte eines türkischen Jungen in Deutschland und ein Mann auf einem Höllentrip - das sind die Themen der drei neuen Filme "Alexander McQueen – Der Film","Sandstern" und "Mandy".

Von Jörg Albrecht | 28.11.2018
    Designer Alexander McQueen während der Präsentatin seiner Herbst-Winter-Kollektion 2006/2007 in Paris.
    Jetzt als Film- Der Designer Alexander McQueen, hier während einer Präsentation in Paris 2006 (picture alliance/dpa/Foto: Java)
    Der britische Musiker Michael Nyman mit einem Stück, das er 2006 für Alexander McQueen geschrieben hat. Der exzentrische Modedesigner hat sich immer wieder von den minimalistischen Kompositionen seines Landsmannes inspirieren lassen. Somit war der Soundtrack für einen Dokumentarfilm über Alexander McQueen quasi vorgegeben. Der lässt chronologisch – in sechs Kapiteln untergliedert – Leben und Werk des Mannes Revue passieren, der in den späten 1990er Jahren die Modewelt umgekrempelt hat.
    Bobby Hillson, Gründerin des Mode-Studiengangs an der Londoner St. Martins School of Art, erinnert sich, wie sich ein junger, frisch ausgebildeter Schneider bei ihr bewarb. Vor ihr habe ein unscheinbarer, ungepflegter, unattraktiver Junge gestanden. Er habe sie damals nach einer Stelle gefragt und ihre Neugier geweckt. Denn der junge Mann habe Leidenschaft gezeigt.
    Archivmaterial und aktuelle Interviews
    Wie der blasse, aber ehrgeizige Junge aus dem Londoner East End sein eigenes Label gründet, wie er zur Überraschung vieler dann zu Givenchy geht, aber auch wie er seine ganz eigene Vision von Mode verfolgt und diese in aufsehenerregenden Modeschauen präsentiert - all das zeigt "Alexander McQueen – Der Film" in einem lebhaften Zusammenspiel aus Archivmaterial und erstaunlich intimen Interviews mit Familienmitgliedern und Weggefährten.
    Man dürfe sich, so McQueen in einem alten Interview, nach einer Modenschau nicht fühlen wie nach einem Mittagessen. Man solle danach entweder angewidert sein oder berauscht. Hauptsache man fühle etwas. Wenn man aber nichts fühle, dann habe er versagt.
    Das schillernde Porträt streift auch die dunkle Seite seines Protagonisten, dem Geld nie etwas bedeutete und mit nur 40 Jahren dann auch das eigene Leben nichts.
    "Alexander McQueen – Der Film": empfehlenswert
    "Piroggen. Selbstgemacht. - Schmeckt gut. - Das sind Piroggen."
    Und das ist unverkennbar Katharina Thalbach. Als Anna nimmt sie in "Sandstern" von Yilmaz Arslan den Nachbarsjungen Oktay unter ihre Fittiche. Der Zwölfjährige, der kein Wort Deutsch spricht und der die Bluterkrankheit hat, wirkt verloren, als er im Sommer 1980 aus der Türkei in die Bundesrepublik kommt, wo schon seit Jahren seine Eltern leben. Weder zu seiner Mutter noch zu seinem Vater hat er eine Bindung. Die Eltern werden sich schon bald trennen, Oktays Mutter wird wegen Drogenhandels verhaftet und er in einer Pflegeeinrichtung untergebracht.
    Tragikkomödie
    "Dem Arzt hast du erzählt, dass deine Eltern tot wären. Vermisst du denn deine Mutter gar nicht? - Wie oft noch: Nein! Aber deine Mutter hat ein Recht zu wissen, wie es dir geht. - Nein, ich will nicht, dass sie weiß, dass ich sterbe."
    Der Nackenschläge noch nicht genug, hat sich Oktay, der als Bluter täglich Infusionen benötigt, auch noch mit HIV infiziert. Man kann den Eindruck gewinnen, dass Yilmaz Arslan, der auch das Drehbuch geschrieben hat, keinerlei Maß hält bei den dramatischen Wendungen in seiner Coming-of-Age-Geschichte. Aber mit leichter Hand, märchenhaften Metaphern und einer guten Portion Humor bricht der Regisseur die tragischen Vorkommnisse immer wieder auf. Außerdem kann er voll und ganz auf seinen sensationellen Jungdarsteller vertrauen. Roland Kagan Sommer ist seiner facettenreichen Rolle in jeder Sekunde gewachsen.
    "Sandstern": empfehlenswert
    "Manchmal frage ich mich, ob wir von hier wegziehen sollten. - Es gefällt mir hier. Es ist so friedlich hier, Red. Es ist unser kleines Zuhause."
    Doch die Vertreibung aus dem Paradies, das sich der Einsiedler Red und seine große Liebe Mandy mitten im Wald erschaffen haben, steht unmittelbar bevor. Als eine religiöse Sekte ganz in der Nähe ihre Zelte aufschlägt und ihr Anführer Mandy entführen lässt, um sie später dann in einem Opferritual zu ermorden, schwört Red Rache: "Was hast du mit dem Ding vor? -Ich gehe jagen. - Was willst du jagen? -Jesus-Freaks. Sie haben sie angezündet. So verrückte Hippie-Typen."
    Horrorthriller mit großartiger Filmmusik
    Hinlänglich bekannt ist die brutale Selbstjustizgeschichte, die so schon hundertfach erzählt wurde. Was den Film dennoch über die Action- und Horrorthriller vom Reißbrett hebt, ist die Regie mit ihren visuellen und akustischen Ideen. Der kanadische Filmemacher Panos Cosmatos verfremdet viele Szenen mit Farbeffekten und zitiert aus dem Horrorkino der 1970er Jahre. Manche Bilder könnten Cover von Alben einer Heavy-Metal-Band sein. Überhaupt die Musik: Die dräuenden elektronischen Klänge stammen aus der Feder des Isländers Jóhann Jóhannsson, der Anfang des Jahres gestorben ist. "Mandy" ist eine der letzten großartigen Filmmusiken, die er vollenden konnte.
    "Mandy": akzeptabel