Tori Amos: "Native Invader"

Poetisch und vielschichtig über die Konflikte in der Welt

Tori Amos
Tori Amos während eines Konzertes in London © Deutschlandradio / Kerstin Poppendieck
Von Kerstin Poppendieck · 07.09.2017
Eigentlich wollte Tori Amos ein Album über die Wurzeln ihrer Mutter machen, reiste auch in die Smoky Mountains dafür. Doch dann gewann Donald Trump die Wahl.
"Ich kann mich an keine Zeit wie diese erinnern - mit Ausnahme der späten 60er, nachdem Martin Luther King und Bobby Kennedy ermordet wurden, dem Vietnamkrieg, und als Nixon Präsident wurde."
"Krieg als Theaterstück. Konflikte regieren, mit dem Ziel, uns zu spalten bis es keine Seiten mehr gibt, die wir einnehmen könnten": Mit verletzlicher Stimme singt Tori Amos in dem Lied "Breakaway" von Krieg, Verrat und Blutdiamanten. Dazu begleitet sie sich selbst am Klavier, was das Lied nur noch eindringlicher macht. Tori Amos hat in ihrer Musik schon immer ihre politische Meinungen geäußert, aber so deutlich war sie selten.
"Ich glaube, wenn man sich in der aktuellen Zeit fragt, wie wir mit all dem umgehen können, was gerade um uns herum passiert, sollte man sich die Natur ansehen. Auch sie wird attackiert und hat einen Weg gefunden, damit umzugehen. Auf meiner Reise habe ich mich gefühlt, als würde ich eine Sinfonie erleben. Die Wasserfälle, die Stürme und alles andere haben da zusammen gearbeitet."

"Genau ansehen, was passiert"

Eigentlich wollte Tori Amos ein ganz anderes Album machen. Ein Album inspiriert von den Wurzeln der Familie ihrer Mutter, die aus North Carolina stammt. Dafür ist sie in die Smoky Mountains gereist, um sich inspirieren zu lassen. Der Wahlkampfsieg Donald Trumps und alles, was dem folgte, hat allerdings alles verändert. Tori Amos konnte nicht anders, sie musste ein Album machen, dass die aktuelle politische Situation in den USA thematisiert. Aber auch dabei haben ihr die Erlebnisse in den Smoky Mountains geholfen: Die Natur sei der beste Lehrer bei unseren Problemen, meint Tori Amos.
"Wir sollten alle einen Schritt zurückgehen und uns genau ansehen, was gerade passiert – vor allem bei den Mächtigen dieser Welt sollten wir uns genau anschauen, wie sie vorgehen. Sie warten einfach nur, selbst reden zu können. Aber sie hören dem anderen nicht zu, sie sind nicht präsent. Und das können wir von der Natur lernen: präsent zu sein. Diese Machthaber werden höchstwahrscheinlich nicht merken, wenn ein Sturm im Anmarsch ist. Ihnen ist klar, dass irgendwann ein Sturm kommt, aber sie merken nicht, wenn es soweit ist."

In intimer Atmosphäre

Ihr Album "Native Invader" jetzt einfach "Amos' Antwort auf Trump" zu nennen, wäre zu simpel. Dafür ist dieses Album zu poetisch und vielschichtig, manchmal sogar esoterisch. Tori Amos schafft es trotz der harten Themen wie Klimawandel, Missbrauch und illegale Einwanderer eine intime Atmosphäre aufzubauen. Bei manchen der Lieder hört man nur Amos helle, klare Stimme, die nicht zu altern scheint, begleitet vom Klavier. Bei anderen Songs gibt es elektronische Klänge von Synthesizern, warme, akustische Gitarren oder geschickt eingesetzte Halleffekte. Wie beim bittersüßen "Chocolate Song".
"In dem Lied geht es ganz eindeutig um ein Paar und darum, wie sich ihre Liebe im Laufe der Zeit verändert. Am Anfang stehen sie am Herd, rühren in einem Topf Schokolade und brauchen nichts anders. Keinen Urlaub im fünf Sterne Hotel. Sie stehen in der Küche und das war alles, was sie wollten. Dann hat sich etwas geändert, und sie haben angefangen sich gegenseitig zu verletzten, dem anderen unbeschreibliche Schmerzen zuzufügen – obwohl sie sich noch immer liebten. Aber wie wir ja alle wissen, zeigt sich Liebe auf die unterschiedlichsten Arten. Aus Liebe kann auch Hassliebe werden."
Tori Amos ist eine aufmerksame Beobachterin, die sich intensiv und kritisch mit dem auseinander setzt, was um sie herum passiert und die es schafft, trotz der Schärfe ihrer Texte die Musik nie aggressiv oder düster klingen zu lassen. Mit "Native Invader" veröffentlicht sie ein Album, das sowohl inhaltlich als auch musikalisch überzeugt und einmal mehr zeigt, was für eine Ausnahme-Musikerin Tori Amos ist.
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