Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Streik bei Lufthansa
"Die Kollegen haben jegliches Maß verloren"

Der Frust von Lufthansa-Mitarbeitern aufgrund des Pilotenstreiks wächst. Nach DLF-Informationen wurde ein offener Brief verfasst und erneut eine Unterschriftenaktion ins Leben gerufen. Inzwischen ist es nicht mehr nur das Bodenpersonal, das verärgert ist.

Von Brigitte Scholtes | 22.10.2014
    Mehrere Lufthansa-Maschinen auf dem Rollfeld in München.
    Auf dem Rollfeld des Flughafens in München blieben viele Maschinen am Boden. (picture alliance / dpa / Peter Kneffel)
    In der Lufthansa-Belegschaft wächst der Unmut. Schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage hat es einen offenen Brief und eine Unterschriftenaktion gegeben. Die richten sich gegen das Verhalten der Vereinigung Cockpit im aktuellen Tarifstreit. Während beim ersten Mal aber die Piloten von ihren Kollegen am Boden nur aufgefordert wurden, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, wird der Ton in einem zweiten Schreiben schärfer. Da äußern Mitarbeiter ihr Unverständnis über das Vorgehen und die Forderungen der Piloten. Und weiter heißt es:
    "Wir rufen Sie hiermit auf, sich Ihrer Verantwortung für die gesamte Lufthansa Group, unserer Passagiere und Mitarbeiter zu stellen. Wir appellieren an Sie, Ihren eingeschlagenen Kurs zu überdenken. Durch Ihr aktuelles Vorgehen entsteht für alle Mitarbeiter der Lufthansa Group ein enormer wirtschaftlicher Schaden und auf der Seite der Passagiere ein unwiderruflicher Image- und Vertrauensverlust. Wir müssen uns schon jetzt darauf einstellen, dass uns die Auswirkungen nachhaltig begleiten werden. Wechseln Sie Ihre kurzsichtige, eigennützige Perspektive und orientieren Sie sich wie das Lufthansa Management und alle Mitarbeiter des Konzerns an zukunftsfähigen Lösungen."
    Zweite Unterschriftenaktion
    Es sollen angeblich unter den Mitarbeitern, die nicht dem Flugbetrieb angehören, etwa 1.000 Unterschriften gesammelt worden sein, die zeitnah an die Piloten übergeben werden sollen. Die erste Unterschriftenaktion hatte Cockpit noch als "Randerscheinung" abgetan. Man kommuniziere mit den Kollegen am Boden, sagt Markus Wahl, Vorstandsmitglied der Vereinigung Cockpit:
    "Wir versuchen natürlich schon, unsere Anliegen möglichst direkt in persönlichen Gesprächen mit den entsprechenden Mitarbeitergruppen zu vermitteln. Ich selbst hatte gestern die Gelegenheit, am Airport mit einigen Kollegen zu sprechen, um auch die Kollegen informiert zu halten, quasi 'alle in einem Boot'."
    Doch dass alle in einem Boot sitzen, die Mitarbeiter hinter Forderungen der Piloten stehen, das sehen einige offensichtlich anders. Wie groß der Unmut ist, das zeigen etwa diese Äußerungen eines Lufthansa-Managers aus der Verwaltung, der aber anonym bleiben möchte. Zitat:
    "Ich finde das mittlerweile stark übertrieben. Die Kollegen haben jegliches Maß verloren. Mittlerweile herrscht hier völlige Verständnislosigkeit. Man hat den Eindruck, die schaukeln sich mit der Bahn gegenseitig hoch. Und das ist allgemein die Stimmung."
    Der Frust steigt unter den Lufthansa-Kollegen
    Und selbst an Bord gibt es offenbar Ärger über das Verhalten der Piloten, wie ein Flugbegleiter, der aber ebenfalls anonym bleiben wollte, gegenüber dem Deutschlandfunk sagte:
    "Der Frust steigt, definitiv, und bei einigen Kollegen ist sicher auch Wut mit dabei. Es gab bei der Vereinigung Cockpit noch nicht einmal ein Wort des Bedauerns oder des Danks dafür, dass wir uns solidarisch zeigen. Diese Streiks haben einen massiven Einfluss auf unser Privatleben. Tarifverhandlungen sind ein Kompromissgeschäft, und das findet im Moment überhaupt nicht statt."
    Gestern schon hatten auch gestrandete Fluggäste der Lufthansa in Frankfurt berichtet, dass einzelne Mitarbeiter an den Umbuchungsschaltern wegen der Belastung durch den Streik in Tränen ausgebrochen seien. Der Graben zwischen Bodenmitarbeitern und Flugzeugführern, den es immer schon gegeben hat, wird tiefer. Und das könnte zu einer ernsthaften Gefahr für die Lufthansa werden, sorgen sich einige Mitarbeiter.