Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Streik-Zwischenbilanz
Folgen für Konjunktur überschaubar

Der Bahn-Streik ist vorerst beendet, aktuell streiken die Erzieher und auch die Post hat in Kürze Arbeitsniederlegungen angekündigt. Noch stehen die Kosten für die Streikwelle nicht fest, aber Experten geben zumindest aktuell noch Entwarnung: Mittelfristig habe der Arbeitskampf keine gravierenden Auswirkungen auf die Konjunkturentwicklung.

Von Brigitte Scholtes | 11.05.2015
    Kleintransporter von Volkswagen stehen zur Auslieferung auf einem Zug im Rangierbahnhof Seelze in der Region Hannover.
    Kleintransporter von Volkswagen stehen zur Auslieferung auf einem Zug im Rangierbahnhof Seelze in der Region Hannover. (dpa / Julian Stratenschulte)
    Zehn Millionen Euro am Tag: Diese Zahl nennt die Deutsche Bahn, wenn man sie nach den Einnahmeausfällen der letzten Streikwoche fragt. Die Folgen für die deutsche Wirtschaft lassen sich bisher nur schätzen: Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hatte in der vergangenen Woche schon von bis zu einer halben Milliarde Euro gesprochen. Von Produktionsausfällen ist aber bisher nichts bekannt geworden, zumindest nicht bei Auto, Chemie und Stahl, den drei am stärksten betroffenen Branchen.
    Schaden für mittelfristige Konjunkturentwicklung gering
    Auf die mittelfristige Konjunkturentwicklung werde der Streik jedoch kaum Auswirkungen haben, glauben Konjunkturexperten, das hätten schon die Ausstände des vergangenen Herbstes gezeigt, das Bruttoinlandsprodukt könnte allenfalls im zweiten Quartal um 0,1 Prozentpunkte geringer ausfallen.
    Man solle die sich häufenden Streiks in verschiedenen Branchen nicht überbewerten, meint David Milleker, Chefvolkswirt von Union Investment:
    "Wir streiken in Deutschland gar nicht häufiger als sonst, sondern die Beispiele sind einfach nur prominenter, weil sie einfach nur viel mehr Leute betreffen, beispielsweise jetzt der Streik in den Kindertagesstätten. Wenn man sich das anschaut, dass beispielsweise die richtig großen Blöcke, nämlich die Chemie- und die Metallindustrie, eigentlich sehr, sehr zügig und ohne große Streiks zum Abschluss gekommen sind, dann verzerrt das so ein bisschen das Bild."
    Die großen Industriebranchen sind in einer anderen Lage, erklärt der Volkswirt:
    "In der Tat ist es aber so, dass beispielsweise die Lohnabschlüsse jetzt in heimischen Branchen, also dem Einzelhandel oder dem Bau, eher höher ausgefallen sind, während beispielsweise die Branchen, die im internationalen Wettbewerb stehen wie Metall- und Elektroindustrie oder auch Chemie eigentlich auch sehr moderate Lohnabschlüsse gehabt haben in einer Situation, in der Deutschland eigentlich ziemlich nahe an der Definition von Vollbeschäftigung steht."
    Nicht zu unterschätzende Bedeutung
    Die Dienstleistungsbranche mahnt aber, dass man die Bedeutung ihrer Arbeitnehmer für die deutsche Wirtschaft nicht unterschätzen sollte. Das gelte vor allem für die Erzieher. So sagte Verdi-Chef Frank Bsirske in der vergangenen Woche zur Begründung der Streiks in den Kindertagesstätten:
    "Es kann nicht angehen, dass für den gekonnten Umgang mit Maschinen in der Industrie deutlich mehr verdient wird als für den gekonnten Umgang mit unseren Kindern."
    Wie viele Kosten ein solcher Streik der Kitas verursacht, ist nicht auszumachen. Zwar werden auch hier mehr Menschen die Auswirkungen spüren, aber der wirtschaftliche Schaden dürfte nicht so gravierend sein.
    Bundesweiter Post-Streik möglich
    In die Zukunft denkt andererseits auch die Deutsche Post, wo die Zeichen wieder auf Streik stehen. Sie hat 49 kleinere Regionalgesellschaften gegründet, in denen die Mitarbeiter von Spedition und Logistik nach niedrigeren Tarifen bezahlt werden. Postsprecher Thomas Kutsch erklärt, warum der Konzern so handelt:
    "Man muss gucken, wo kriegen wir die Kosten in den Griff, und die Flexibilisierung in diesen Bereichen, im Personalbereich, die müssen wir anpacken. Wir können nicht erst anfangen, wenn sozusagen auch unsere Arbeitnehmervertreter sagen, jetzt schreiben wir Miese, jetzt müssen wir. Also, wir wollen keine Notpläne fahren, sondern wir wollen selbstbewusst in die Zukunft schauen."
    Das sehen die Postmitarbeiter ganz anders, in dieser Woche soll bundesweit gestreikt werden. Es gebe zwei Seiten der Streikwelle, meint David Milleker von Union Investment:
    "Auf der einen Seite: Wir haben durchaus den Trend, dass in Deutschland mit der guten Arbeitsmarktsituation mal wieder etwas höhere Lohnabschlüsse drin sind, das ist auch absolut normal. Das ist auch in Anbetracht der internationalen Lage verhältnismäßig. Was wir aber durchaus haben ist, dass die Bereitschaft in Schlüsselindustrien gerade über Spartengewerkschaften sehr brutal zu Werke zu gehen, doch deutlich zugenommen hat."
    Das liegt sicher auch daran, dass der Plan, ein Tarifeinheitsgesetz einzuführen, die kleinen Spartengewerkschaften um ihre Existenz fürchten und kämpfen lässt.