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Streikbedingte Ausfälle
Die Rechte Reisender und Arbeitnehmer

Reisende, deren Flüge wegen des Verdi-Streiks ganz ausfallen, haben die Chance auf Erstattung des Flugpreies, gerade dann, wenn das EU- Fluggastrecht greift, sagt Kay Rodegra. Das gelte auch für Pauschaltouristen, auch wenn diese etwas mehr Geduld mitbringen müssten, sagt der Experte für Reiserecht.

Kay Rodegra im Gespräch mit Jule Reimer         | 27.04.2016
    Anzeigetafel im Münchner Flughafen mit ausgefallenen Flügen
    Anzeigetafel im Münchner Flughafen mit ausgefallenen Flügen (picture alliance / dpa / Matthias Balk)
    Jule Reimer: An sechs großen Flughäfen in Deutschland haben heute Morgen Warnstreiks der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für massive Flugausfälle gesorgt. Unter anderem streiken die Angestellten der Flughafenfeuerwehr. In München fallen deshalb zwei Drittel aller Flüge aus, am größten Flughafen Frankfurt am Main wurde ein Viertel von normalerweise über 1300 Flügen annulliert, erklärte ein Sprecher.
    Auch in anderen Bereichen wie etwa im Nahverkehr, bei der Müllabfuhr und in Kindertagesstätten streikt Verdi heute. Kay Rodegra ist Rechtsanwalt und unter anderem spezialisiert auf Reiserecht. Aber, Herr Rodegra, erst mal eine andere Rechtsfrage: Wenn ich heute mit großer Verspätung zur Arbeit erschienen bin oder es aufgegeben habe, dort hinzukommen, weil es vielleicht zu kompliziert war, oder weil ich keine Unterbringungsmöglichkeit für mein Kind gefunden habe, muss ich dann nachträglich Urlaub nehmen oder nacharbeiten?
    Kay Rodegra: Nein, das muss man nicht zwangsläufig. Wichtig ist erst mal, dass man seinen Arbeitgeber sofort informiert hat. Das ist nämlich eine Arbeitnehmerpflicht, die ich habe. Sonst droht eine Abmahnung. Und dann kommt es ein bisschen darauf an, warum ich zuhause bleiben musste. Konnte ich mein Kleinkind nicht in die Kita bringen, dann habe ich Anspruch darauf, weiterhin mein Gehalt zu bekommen, obwohl ich den einen Tag zuhause bleibe. Das ist dann entschuldigt. Aber wenn ich zu spät gekommen bin, weil der Nahverkehr gestreikt hat, das fällt unter das sogenannte Wegerisiko des Arbeitnehmers. Für die Zeit, wo ich nicht da war, kann der Arbeitgeber mein Gehalt kürzen oder Nacharbeit verlangen. Das muss man dann absprechen mit dem Arbeitgeber.
    Bei Streik kann EU-Fluggastrecht gelten
    Reimer: Formell werden ja nicht alle Flughäfen in Deutschland 24 Stunden bestreikt, aber der Streik ist so geschickt organisiert, dass der Flugverkehr im Grunde bundesweit lahmgelegt ist. Welche Rechte habe ich denn beim Umbuchen gegenüber der Fluggesellschaft?
    Rodegra: Da hat man sehr weitläufige Rechte, denn es gelten für alle Flüge ab der EU die EU-Fluggastrechte. Und das bedeutet: Wenn ein Flug ausfällt, muss die Airline mir einen Ersatzflug zum nächstmöglichen Termin bereitstellen, und für die Wartezeit bis dahin muss sie Betreuungsleistungen erbringen, und zwar kostenfrei. Das sind zum Beispiel bei längeren Verspätungen kostenfreie Mahlzeiten und auch die Möglichkeit, eine E-Mail zu versenden und zu telefonieren. Und wenn das Ganze über Nacht geht, wenn mir heute gesagt wird, der Flug kann heute nicht mehr rausgehen, erst morgen Früh, dann muss mir die Fluggesellschaft kostenfrei ein Hotelzimmer anbieten und mich auch dort hinbringen. All das habe ich als Passagier aufgrund der EU-Fluggastrechte, über die mich die Airline auch informieren muss.
    Reimer: Was ist denn, wenn ich am Vorabend angereist bin, weil ich gehofft habe, morgens um sieben noch auf den Flug zu kommen, der dann ausfällt?
    Rodegra: Das ist dann leider Pech. Diese Anreisekosten, die ich da habe und jetzt aus Bequemlichkeit schon eine Nacht vorher angereist bin, da kann ich jetzt nicht im Nachhinein sagen, liebe Fluggesellschaft, bezahl mir das, denn da trifft die Fluggesellschaft ja kein Verschulden, weil es sind ja nicht die Piloten, die hier streiken, sondern Sicherheitspersonal zum Beispiel, wofür die Fluggesellschaft nichts kann, weil sie darauf gar keinen Einfluss hat auf diese Arbeitnehmer, die dort streiken.
    Für annullierten Flug gibt es Geld zurück
    Reimer: Und wenn ich im Nachhinein umdisponieren muss? Den Zug habe ich verpasst, haben wir vorhin bei der einen Dame gehört?
    Rodegra: Dann ist es so, wenn ich den Zug verpasse und der ist nicht gebunden an mein Flugticket und mein Flieger geht dann weg, dann habe ich in der Tat Pech. Da kann ich keine vollständige Erstattung des Flugtickets von der Airline verlangen und auch die Bahn kann ich hier nicht in die Haftung nehmen für den Flugausfall. Da bleibe ich tatsächlich auf einem Teil meines Schadens sitzen. Nur das nicht verbrauchte Flugticket als solches, da sind ja auch Steuern und Gebühren enthalten, die muss mir die Fluggesellschaft erstatten.
    Reimer: Wenn ich jetzt sage, okay, heute wollte ich fliegen, morgen will ich es nicht mehr, kriege ich dann das Geld zurück, wenn ich komplett auf den Flug verzichte?
    Rodegra: Ja. Wenn mein Flug generell annulliert wird oder eine Verspätung über fünf Stunden hat, dann darf ich als Fluggast sagen, ich möchte mein Geld zurück, und dann darf die Fluggesellschaft auch nicht einen Teil davon einbehalten, irgendwelche Stornokosten. Das geht dann nicht. Wenn es den Flug nicht gibt, den ich gebucht habe, dann gibt es Geld zurück.
    Reimer: Wie sieht die Lage aus, wenn ich in London oder Rio festsitze und hier nicht ankommen kann?
    Rodegra: Das passiert ja heute auch, weil die Flughäfen teilweise dicht sind. Dann kann keine Maschine ankommen und da ist es dann so, dass man glücklich sein kann, wenn man mit einer EU-Fluggesellschaft unterwegs ist. Wenn man von einem Drittstaat herfliegt, von den USA zum Beispiel, dann gelten auch die EU-Fluggastrechte, wenn ich mit einer Maschine einer Fluggesellschaft unterwegs bin, die ihren Sitz in der EU hat. Und dann muss ich auch dort kostenfrei betreut werden und dann muss mir auch ein Ersatzflug am nächsten Tag zur Verfügung gestellt werden.
    Pauschaltouristen brauchen mehr Geduld
    Reimer: Noch einen kurzen Blick auf die Pauschalreisenden.
    Rodegra: Auch da gelten zwar die EU-Fluggastrechte. Gleichwohl brauchen Pauschaltouristen etwas mehr Geduld. Wenn der Reiseveranstalter mir sagt, man wird garantiert am nächsten Tag geflogen und bis dahin gibt es ein Hotel, dann kann ich nicht sagen, ich trete vom Vertrag zurück, wegen höherer Gewalt zum Beispiel. Das geht dann nicht, wenn mir in Aussicht gestellt wird, dass meine Reise ermöglicht werden kann.
    Reimer: Der Reiserechtsexperte Kay Rodegra zu den Rechten von Reisenden, auch von Arbeitnehmern heute, anlässlich des Streiks von Verdi. Vielen Dank!
    Rodegra: Bitte schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.