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Streikrecht
Vorwärts zurück zur Tarifeinheit

Erst die Piloten, dann die Lokführer, nun wieder die Piloten. Der Unmut über die Streiks der letzten Wochen ist groß. Also sollte Arbeitsministerin Andrea Nahles Rückenwind für ihr Tarifgesetz haben, das Kleingewerkschaften in die Schranken weisen soll. Aber die politische Gemengelage bleibt schwierig - besonders für eine SPD-Ministerin.

Von Stefan Maas | 16.10.2014
    Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am Rednerpult im Bundestag
    Tarifeinheit soll "in Kürze" kommen: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) (picture alliance / dpa/ Maurizio Gambarini)
    Es war eine klare Aussage von Arbeitsministerin Andrea Nahles, Anfang September im Bundestag:
    "Dass einige Spartengewerkschaften für Ihre Partikularinteressen vitale Funktionen unseres gesamten Landes lahmlegen ist nicht in Ordnung."
    Gefolgt von einer klaren Ansage:
    "Ein Betrieb ein Tarifvertrag. Das hat über viele Jahre in Deutschland gegolten, das soll auch wieder sein. Und ich werde deswegen in Kürze einen Entwurf für ein Gesetz zur Tarifeinheit hier vorlegen."
    Zurück zur Tarifeinheit, das haben CDU, CSU und SPD schon im Koalitionsvertrag vereinbart. Auf Wunsch der Arbeitgeber, die Dauerauseinandersetzungen mit Kleingewerkschaften der Lockführer oder Piloten fürchten - und der großen Gewerkschaften, die sich wegen des Ausscherens der kleinen Interessenvertretungen um ihre Schlagkraft sorgen. Gekippt worden war das Prinzip 2010 vom Bundesarbeitsgericht, kleine, spezialisierte Gewerkschaften können seitdem ihre Interessen separat durchsetzen. Für Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer eine Gefährdung der Tarifautonomie. Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände sagt: Bei Tarifverträgen muss wieder klar sein, was gilt und wie lange. Und drängt auf eine gesetzliche Regelung
    Auf die Frage, wann mit einem Gesetzentwurf zu rechnen und wie der von Nahles benannte Zeitraum "in Kürze" zu definieren sei, antwortet das Arbeitsministerium heute:
    "Bei der Tarifeinheit geht es um ein sehr komplexes, sehr kontrovers diskutiertes Vorhaben mit verfassungsrechtlichen Implikationen. Die Formulierung des Gesetzentwurfs ist hoch anspruchsvoll. Es bedarf noch zahlreicher tiefgehender und umfassender Rechtsprüfungen und Abstimmungen. In diesem Prozess sind wir derzeit. Daher können wir Ihnen weder inhaltlich-materielle Einzelheiten noch ein festes Datum für die Kabinettbefassung oder ein Inkrafttreten eines dort zu beschließenden Gesetzentwurfes nennen."
    DGB gegen Einschränkung des Streikrechts
    In der Tat ist der Abstimmungsprozess nicht einfach, mehrere kleine Gewerkschaften wie die Ärztegewerkschaft Marburger Bund haben schon Verfassungsbeschwerde gegen das geplante Gesetz angekündigt. Auch die politische Gemengelage ist schwierig. Besonders für eine SPD-Ministerin, denn nicht nur die Grünen sehen eine solche gesetzliche Regelung kritisch und haben deshalb einen Antrag in den Bundestag eingebracht, die Tarifeinheit nicht gesetzlich zu regeln. In der heutigen Bundestagsdebatte erklärte Beate Müller-Gemmecke, die Sprecherin für Arbeitnehmerrechte:
    "Für uns ist und bleibt die gesetzliche Tarifeinheit ein Angriff auf das Streikrecht."
    Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund lehnt nach einem Beschluss auf dem Bundeskongress im Mai eine gesetzliche Tarifeinheit ab, sollte dadurch das Streikrecht eingeschränkt werden. Dafür hatte sich vor allem die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi eingesetzt. Auf Nachfrage bestätigt der DGB, eine gesetzliche Regelung sei nur dann akzeptabel, wenn sie zwei Voraussetzungen erfülle. Sie müsse verfassungskonform sein und dürfe das Streikrecht nicht angreifen, wie das ein Eckpunktepapier des Arbeitsministeriums noch im Juni vorsah. Der SPD-Abgeordnete Bernd Rützel versichert heute im Bundestag:
    "Das liegt uns fern. Wir werden gesetzlich nicht das Streikrecht antasten."