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Streiks im Öffentlichen Dienst
Verdi: "Die Kampfbereitschaft ist groß"

In Nordrhein-Westfalen stehen die Busse und Bahnen vielerorts still - und auch die Kita-Türen bleiben geschlossen: Die Angestellten im Öffentlichen Dienst streiken. Von einer Einigung scheinen Arbeitgeber und Arbeitnehmer weit entfernt. Denn diesmal geht es um mehr als nur eine Lohnerhöhung.

Von Vivien Leue | 26.04.2016
    Streikende demonstrieren in Düsseldorf.
    Streiktag im Tarifkonflikt des Öffentlichen Dienstes in Düsseldorf. (dpa/picture alliance/Monika Skolimowska)
    Die Stimmung unter den Düsseldorfern ist angespannt. Lange Staus auf dem Weg zur Arbeit, und dazu noch eisig kalter Wind, sodass auch Fahrradfahren keine schöne Alternative ist. Wie in vielen anderen Städten im Land stehen Busse und Straßenbahnen heute nicht zur Verfügung - aufgrund des Warnstreiks im Öffentlichen Dienst sind sie fast alle in den Depots geblieben.
    - "Eineinhalb Stunden Stau, Katastrophe in Düsseldorf."
    - "War nicht so toll heute auf den Straßen."
    - "Keine Zeit, wir sind jetzt schon über Termin."
    - "Die sollen aufhören zu streiken, die sollen arbeiten gehen."
    Allerdings gab es auch vereinzelt Verständnis für die Forderungen der Streikenden:
    "Wollen ja alle ein bisschen besser gestellt sein, ne? Wird ja alles immer teurer. Da muss man das schon in Kauf nehmen."
    Wiederholter Streik in Kitas
    Nach kleineren, vor allem lokalen Aktionen Anfang April wollen Verdi und die anderen Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes jetzt zeigen, wie viel Wut in den Beschäftigten steckt. Denn: Nach zwei Verhandlungsrunden im März und Anfang April haben sich die Tarif-Parteien noch kaum aufeinander zubewegt, wie die Düsseldorfer Verdi-Chefin Stephanie Peifer erklärt:
    "In der ersten Verhandlungsrunde haben die Arbeitgeber kein Angebot auf den Tisch gelegt. So, in der zweiten Verhandlungsrunde haben die Arbeitgeber etwas auf den Tisch gelegt, was man nicht Angebot nennen kann, sondern es ist eine Unverschämtheit."
    Besonders hart trifft die Arbeitsniederlegung wohl die Eltern von Kindergarten-Kindern - sie mussten schon im letzten Jahr wochenlange Streiks aushalten, als die Erzieher um höhere Löhne kämpften. Jetzt stehen sie schon wieder vor verschlossenen Kita-Türen - und damit tatsächlich im Regen:
    - "Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, nach sechs Monaten wieder damit anzufangen, finde ich unverschämt."
    - "Der Unmut ist groß bei uns Eltern, weil wir ja letztes Jahr auch nahezu vier Wochen betroffen waren."
    - "Grundsätzlich für die Forderung habe ich schon Verständnis, aber nach der Erfahrung im letzten Sommer, und gerade bei uns in der Kita im Januar extrem hoher Krankenstand war, sodass nur zwei Gruppen von den Vieren offen waren..."
    "Ja, es war ein bisschen schwierig für uns im letzten Jahr, aber ich hoffe mal, dass es bei diesem einen Tag morgen bleibt."
    Streit um Gehälter, Befristungen, Betriebsrenten
    Ob es bei diesem einen Tag bleibt, hängt von den Verhandlungen ab, die Donnerstag und Freitag in Potsdam fortgeführt werden. Aber noch sind die Fronten verhärtet, wie Verdi-Chef Frank Bsirske bei einer zentralen Kundgebung am Mittag in Düsseldorf klarstellte. Denn das Angebot der Arbeitgeber gehe so gut wie gar nicht auf die Gewerkschaftsforderungen ein:
    "Das ist eine Geringschätzung, die nicht, nicht, nicht zu akzeptieren ist."
    Erster Streitpunkt: Das Gehalt - satte sechs Prozent fordern die Gewerkschaften. Als völlig überzogen kommentieren das die Arbeitgeber - und bieten ihrerseits ein Prozent Lohnsteigerung ab Mitte 2016 und weitere zwei Prozent plus ab Mitte 2017.
    "In der Summe der Jahre 2016 und 2017 1,8 Prozent bei einer jetzt vorausgesagten Preissteigerungsrate von 2 Prozent ist das nichts anderes als Reallohnverlust, Kolleginnen und Kollegen, und das bei einem Überschuss 2015 von 30 Milliarden Euro, so viel wie noch nie in der Bundesrepublik Deutschland."
    Zweiter Streitpunkt: Befristungen - die Gewerkschaften wollen befristete Verträge nur noch aus gutem Grund zulassen, die Arbeitgeber wehren sich.
    Außerdem wird über mögliche Einschnitte bei den Betriebsrenten gestritten. Erzieherin Britta Tessarek erklärt, dass es für sie und ihre Kolleginnen und Kollegen bei diesen Tarifverhandlungen deshalb auch um mehr geht, als bei den Verhandlungen im letzten Jahr:
    "Also es geht jetzt eben nicht nur alleine um mehr Geld. Es geht hier unter anderem auch um befristete Arbeitsverträge, und es geht um die betriebliche Rente, das heißt, hier wollen Arbeitgeber Einschnitte in deren Betriebsrente vornehmen, das kann gerade im Gehaltsbereich der Kinderpflegerinnen und Erzieherinnen schon zu massiven Einschnitten später im Rentenbereich führen."
    Bsirske: Kampfbereitschaft ist groß
    Eine Einigung in diesen Punkten scheint zum jetzigen Zeitpunkt in weiter Ferne. Dennoch hofft Verdi-Chef Bsirske, dass die Warnstreiks heute und morgen ihre Wirkung zeigen und dass sich die Arbeitgeberseite doch noch bewegt:
    "Ich würde gerne eine Lösung am Verhandlungstisch finden, Donnerstag und Freitag. Ich hoffe, dass die Arbeitgeberseite ähnlich konstruktiv in diese Verhandlungen hinein geht. Dann können wir uns eine Eskalation ersparen."
    Sollte es bei den Verhandlungen Ende der Woche zu keiner Lösung kommen, könnte eine Schlichtung anstehen. Allerdings warnte Bsirske schon jetzt: Die Kampfbereitschaft unter den gut zwei Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst sei hoch. Und so könnte es für Düsseldorf und viele andere Städte nicht der letzte Tag gewesen sein, an dem Busse im Depot und Kitas geschlossen bleiben.