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Polen
Von guten und bösen Denkmälern

Die Zeit läuft: Bis Ende März sollen polnische Städte Denkmäler aus der Zeit des Kommunismus entfernen. Die Regierungspartei PiS will damit verhindern, dass die Sowjetunion glorifiziert wird. Das Gesetz löst Widerstand aus - nicht nur in Polen.

Von Florian Kellermann | 28.03.2018
    Denkmal des Warschauer Aufstandes von 1944 vor dem Obersten Gericht in Warschau
    Denkmäler aus der Zeit des Kommunismus sollen verschwinden. Das Denkmal des Warschauer Aufstandes von 1944 steht nicht zur Debatte. (imago stock & people)
    Das "Dankbarkeits-Denkmal" im niederschlesischen Liegnitz, auf polnisch Legnica, vereinigt gleich mehrere symbolische Elemente: Ein polnischer Soldat gibt einem Sowjet-Soldaten die Hand, er dankt ihm für die Befreiung seiner Heimat. Auf seiner Schulter sitzt ein junges Mädchen, das für die jungen Überlebenden des Zweiten Weltkriegs steht.
    Und das Metall für die Figuren stammt von zwei ehemals preußischen Denkmälern in Liegnitz. Die Kernaussage: Auf den Trümmern des deutschen Größenwahns entsteht ein neues, junges Polen - mit brüderlicher Hilfe durch die Sowjetunion.
    Eine verlogene Aussage, meint Adam Wierzbicki, der für die rechtskonservative Regierungspartei PiS im Stadtrat sitzt:
    "Schon vor vielen Jahren habe ich das Denkmal mit einem weiß-roten Fallschirm bedeckt, als Zeichen meines Patriotismus. Wir waren von der Sowjetunion besetzt, rund 50 Jahre lang. Dass dieses Denkmal jetzt umgesetzt wird, ist mein persönlicher Erfolg. Ich bin gerührt. Die Wahrheit siegt immer."
    Keine Glorifizierung des Kommunismus
    Vor wenigen Tagen hoben Arbeiter das Denkmal mit einem Kran vom Sockel, gerade noch rechtzeitig. Denn bis Ende März müssen Denkmäler, die den Kommunismus oder die Sowjetunion glorifizieren, aus den polnischen Städten verschwinden. So will es ein Gesetz, das die Regierungspartei PiS durch das Parlament gebracht hat - das sogenannte "Dekommunisierungsgesetz". Viele Straßennamen aus der kommunistischen Zeit mussten die Gemeinden schon im vergangenen Jahr ändern.
    Darüber sind längst nicht alle Bürger glücklich, meint ein Mann, der zusah, als das Denkmal in Liegnitz am Kran baumelte:
    "Dieses Denkmal ist doch ein Teil unserer Stadt geworden. Ich bin vor 40 Jahren geboren und fühle mich mit dem Denkmal emotional verbunden. Dass es jetzt verschwindet, ändert doch nichts an der Geschichte."
    So sahen es zumindest noch vor einigen Jahren die meisten Liegnitzer. Schon damals stand das Denkmal zur Debatte, und das Rathaus gab eine Umfrage in Auftrag. Diesmal wurden die Liegnitzer nicht explizit gefragt.
    Der von der Regierung bestellte Verwaltungschef des Regierungsbezirks sprach sich auch dagegen aus, dass das Monument auf den örtlichen Friedhof der Rotarmisten versetzt wird. Es soll nun in das örtliche Kupfermuseum kommen. Die Obelisken, die in vielen Städten an den Vormarsch der Sowjetarmee erinnerten, wurden in der Regel ganz zerstört.
    Russland spricht von Geschichtsfälschung
    Für Empörung sorgt das vor allem in Russland, dem Rechtsnachfolger der Sowjetunion. Der Föderationsrat rief Präsident Wladimir Putin gar dazu auf, Sanktionen gegen die polnischen Abgeordneten zu erlassen, die das Gesetz ins Parlament eingebracht hatten. Der russische Botschafter in Warschau, Sergej Andrejew:
    "Die Denkmäler für die Sowjetarmee haben doch nichts mit kommunistischer Propaganda zu tun. Sie erinnern an 600.000 sowjetische Soldaten, die bei der Befreiung Polens 1944 und 1945 gefallen sind. Sie haben Polen gerettet. Ohne den Sieg der Sowjetarmee gäbe es heute kein Polen, kein sozialistisches und kein kapitalistisches - überhaupt kein Polen."
    Die polnische Regierung betreibe also Geschichtsfälschung, so der Vorwurf aus Russland. Doch an der Sache hat der Protest kaum etwas geändert.
    Nur wenige Gemeinden haben sich entschieden, für den Erhalt von Sowjet-Denkmälern zu kämpfen. Allenstein etwa, auf polnisch: Olsztyn. Dort steht das Monument für die Rote Armee unter Denkmalschutz - deshalb hat sich der Stadtrat erfolgreich geweigert, es zu entfernen. Zumal auch hier die meisten Einwohner das Denkmal behalten wollen, wie eine Umfrage ergab.