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Streit um Atomdeal
Neue Konfrontation mit dem Iran

US-Präsident Donald Trump will den Atomdeal mit dem Iran unbedingt zu Fall bringen, dafür feuert er sogar seinen Außenminister. Europäische Diplomaten zeigen sich entsetzt - aber auch sie wissen, dass das Abkommen den Iran nicht davon abhält, kriegerische Konflikte in der Region zu schüren.

Von Benjamin Dierks | 14.03.2018
    US-Präsident Donald Trump am 13. Oktober 2017 vor seiner Rede über das Atomabkommen mit dem Iran.
    Auch konservative US-Think Tanks hegen große Zweifel, dass der Feldzug von Präsident Trump gegen den Atomdeal dabei helfen kann, Teheran politisch zurückzudrängen. (dpa-Bildfunk / AP / Susan Walsh)
    Es geht immer noch schlimmer mit US-Präsident Donald Trump. Das ist die bittere Lehre, die deutsche Diplomaten und ihre europäischen Kollegen aus dieser Woche ziehen dürften – vor allem all jene, die darum kämpfen, das Atomabkommen mit dem Iran vor einem jähen Ende zu bewahren. Denn mit Außenminister Rex Tillerson feuerte Trump in dieser Woche einen der letzten Verteidiger des Abkommens in der amerikanische Regierungsmannschaft. Genau das nannte Trump als Grund für seine Entlassung, als er bei laufendem Helikopter vor die Presse trat.
    "We disagreed on things. When you look at the Iran deal, I think it’s terrible, I guess he thinks it was OK. I wanted to break it or do something, and he felt a little bit differently."
    Er finde den Iran-Deal schrecklich, sagte Trump. Tillerson hingegen habe an ihm festhalten wollen. Die Hoffnung im Auswärtigen Amt war, dass man die Kollegen im amerikanischen State Department mit genug Argumenten versorgen kann, damit sie wiederum Trump und den US-Kongress irgendwie davon überzeugen, am Atomdeal festzuhalten.
    Retten, was noch zu retten ist
    Der neue Außenminister Mike Pompeo, ein Gegner des Abkommens, dürfte diese Hoffnung zunichtemachen. Trump hatte von den europäischen Vertragspartnern verlangt, sie sollten den Vertrag "nachbessern". Aber niemand weiß so genau, wie das aussehen soll. In dieser Woche kommen amerikanische und europäische Unterhändler in Berlin zusammen um zu besprechen, was noch zu retten ist. Sollte Trump die Sanktionen gegen den Iran im Mai, wie angedroht, wieder einsetzen, würde er damit faktisch den Austritt der USA aus dem Abkommen besiegeln. Der Einfluss der Europäer auf die Entscheidung Trumps sei äußerst gering, fürchtet Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik, kurz SWP, die die Bundesregierung berät.
    Die Teilnehmer der Atomverhandlungen mit dem Iran im Jahr 2015
    Mit dem möglichen Scheitern des Atomdeals steht für Deutschland und die Europäer einer ihrer größten außenpolitischen Erfolge der vergangenen Jahre auf dem Spiel (AFP / Carlos Barria)
    "Es bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass diejenigen in der US-Administration, die für sicherheitspolitische Verlässlichkeit und Vernunft stehen, so wie zum Beispiel der Verteidigungsminister Mattis, dass die sich bis Mai dann doch noch durchsetzen. Das hängt allerdings aber meines Erachtens vor allem von Vorgängen in Washington ab und ist kaum zu beeinflussen durch Maßnahmen, die jetzt noch von den europäischen Alliierten begonnen werden."
    Damit steht für Deutschland und die Europäer einer ihrer größten außenpolitischen Erfolge der vergangenen Jahre auf dem Spiel. Der Iran hat gedroht bei einem Ausscheiden der Amerikaner auch seine Verpflichtungen nicht mehr einzuhalten. Also vor allem Uran so hoch anzureichern, dass er damit irgendwann eine Atombombe bauen könnte.
    Das Abkommen - eine Alternative zu Krieg
    Der Durchbruch im Atomstreit mit dem Iran war für Deutschland, Frankreich und Großbritannien auch ein Beleg dafür, dass ihr Beharren auf Verhandlungen mit der Islamischen Republik sich am Ende ausgezahlt hat. Seit 2003, als aufflog, dass Teheran Atomanlagen verheimlicht hatte, setzten die Europäer auf Gespräche, während die USA den Gang vor den Uno-Sicherheitsrat verlangten. Über viele Jahre und einen ständigen Wechsel aus Annäherung, Zurückweisung, Bluffs und Drohungen hielten die Europäer an ihrer Maxime fest, auch weil als Alternative, um die iranische Atombombe zu verhindern, ein Krieg drohte. Entsprechend deutlich halten europäische Politiker am Iran-Deal fest, wie etwa der ehemalige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel.
    "Wir in Europa, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die EU, wir stehen zu diesem Abkommen mit dem Iran. Wir wollen das Abkommen erhalten. Gleichzeitig kritisieren wir natürlich die Rolle des Irans in anderen Fragen. Der Iran spielt eine sehr schwierige Rolle im Nahen und Mittleren Osten, keine Frage. Auch darüber muss mit dem Iran auch in aller Offenheit und hart verhandelt werden."
    Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif (l) wird am 27.06.2017 im Auswärtigen Amt in Berlin von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) verabschiedet.
    "Der Iran spielt eine sehr schwierige Rolle im Nahen und Mittleren Osten": Der iranische Außenminister Sarif und Bundesaußenminister Gabriel am 27.06.2017 in Berlin (dpa-bildfunk / Wolfgang Kumm )
    Wie aber auf eben diese schwierige Rolle des Irans in der Region eingewirkt werden kann, ist einer der strittigen Punkte zwischen Europäern und Amerikanern. Das Weiße Haus kritisiert, dass das Atomabkommen nicht auch den iranischen Bau von Raketen thematisiert, der an Tempo zunimmt. Zudem moniert die US-Regierung die Regeln, nach denen die Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Organisation, der IAEO, die iranischen Atomanlagen besichtigen können. Schließlich stößt sich die Regierung daran, dass die scharfe Begrenzung der iranischen Urananreicherung dem Vertrag zufolge nach zehn Jahren wieder gelockert wird. IAEO-Direktor Yukiya Amano trat Zweifeln am Atomabkommen bei der Gouverneursratsitzung vor zehn Tagen entgegen. Sein Scheitern wäre ein "großer Verlust", sagte er.
    "Die IAEO betreibt im Iran nun das stärkste Überwachungssystem der Welt. Wir hatten Zugang zu allen Einrichtungen, die wir aufsuchen mussten. Seit 2013 hat sich unsere Inspektionsarbeit dort verdoppelt."
    Teheran: Abkommen nicht verhandelbar
    Wie also reagieren auf die Anwürfe aus Amerika? Das Atomabkommen neu zu verhandeln, ist so gut wie unmöglich. Und Zusatzabkommen etwa über das Raketenprogramm oder die Zeit nach dem Atomabkommen würden lange dauern, zumal Teheran sich bislang jede Einmischung in bekannter Manier verbeten hat. Bis zu Trumps Ultimatum am 12. Mai also ist daran nicht zu denken. Guido Steinberg von der SWP.
    "Es ist nicht zu erwarten, dass da tatsächlich sehr schnell, so wie die Trump-Administration das verlangt, ein Zusatzabkommen abgeschlossen werden kann. Die Iraner sagen zu Recht, dass das Abkommen besteht und dass aus gutem Grund, weil sie das eben gefordert haben, eine Befristung damit verbunden war, aus gutem Grund auch das Raketenprogramm nicht enthalten war. Und deswegen sehe ich nicht die Chance hier kurzfristig Änderungen zu erreichen."
    Trump hatte die Aussetzung der Sanktionen zuletzt am 12. Januar bestätigt, dabei aber gewarnt, dass dies die "letzte Chance" für das Atomabkommen sei. Die europäischen Staaten müssten nun die, in seinen Worten, "fürchterlichen Schwächen des Atomabkommens" beseitigen. Das US-Außenministerium hatte danach einen etwas versöhnlicheren Ton angeschlagen. Die europäischen Vertragspartner sollten zunächst nur grundsätzlich erklären, dass sie den Atomdeal nachbessern wollten. Dann würde Trump die US-Sanktionen erst einmal erneut aussetzen. Es war aber schon vor Tillersons Abgang unklar, wie viel auf die Einschätzung des State Departments zu geben ist.
    "Aus deren Sicht gibt es eine Möglichkeit, noch etwas Zeit zu gewinnen. Aber wir sollten eines klarstellen: Dies sind Annahmen von amerikanischen Regierungsbeamten, die auch bisher nicht immer verstanden haben, was ihr Präsident tun wollte", sagt Kenneth Pollack. Der Nahostexperte arbeitete einst für den US-Geheimdienst CIA und saß im Nationalen Sicherheitsrat. Heute ist er Analyst beim konservativen Think Tank American Enterprise Institute. Grundsätzlich sind die Europäer empfänglich für viele der Vorbehalte der Amerikaner. Viele räumen ein, dass man sehr wohl etwa über das Raketenprogramm oder das aggressive Auftreten des Irans in der Region sprechen müsse, nur sei das eben nicht Teil des Atomdeals. Diese Abgrenzung sei richtig, sagt Omid Nouripour, langjähriger Iran-Kenner und außenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag.
    "Der hat eine einzige Funktion, nämlich dass der Iran nicht die Atombombe bekommt und damit der Nahe Osten nicht nuklearisiert wird. Und alles andere muss man in anderen Rahmen lösen."
    Enttäuschte Hoffnungen der Europäer
    Auch wenn es Präsident Trump heute nicht gefällt, die Proliferationsfrage wurde in den Atomverhandlungen von anderen Aktivitäten des Irans in der Region getrennt, um überhaupt zu einer Lösung zu kommen. Schubladenprinzip nannten das die Verhandlungsmächte. Allerdings müssen sich die europäischen Vertragspartner auch an die eigene Nase fassen. Trotz der überzogenen Rhetorik und der Fehleinschätzung des US-Präsidenten, dass heute wieder über das Atomabkommen und die aggressive Rolle des Irans im Nahen Osten gestritten wird, entspringt nicht allein einer plötzlichen Laune Donald Trumps.
    Denn so klar wie heute haben die europäischen Vertragspartner nicht immer unterschieden zwischen dem Atomabkommen und den übrigen Problemen im Nahen Osten. Lange war das Engagement in den Verhandlungen mit dem Iran auch von der Zuversicht getrieben, dass eine Übereinkunft mit dem Regime in Teheran in Nuklearfragen auch in anderen Streitpunkten eine Annäherung mit sich bringen könnte. Womöglich wurde damit eine Hoffnung geschürt, die heute zur Enttäuschung beiträgt.
    Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour.
    Es sei klar gewesen, dass der Iran, die durch den Deal frei werdenden Mittel für eine aggressive Regionalpolitik im Libanon, in Irak und in Syrien einsetzen würde, sagt außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Omid Nouripour: "Es war sicher falsch, und das war von Anfang an klar, Illusionen zu schüren, die mit dem Abkommen verbunden sind. Ich erinnere mich noch ziemlich gut, dass ich sehr aufgeschreckt bin, als der ehemalige Außenminister Steinmeier aus den Verhandlungen kam und nahezu wörtlich sagte, wir werden nun die Dynamik der Verhandlungen und des Verhandlungserfolgs nutzen, um mit dem Iran auch in Syrien zu einem Ergebnis zu kommen. Das war damals schon falsch und zwar offensichtlich, weil es klar war, dass, wenn der Deal zustande kommt, der Iran mehr Geld bekommen wird, weil ja weniger Sanktionen da sein werden, und dass dieses Geld auch weite Teile von den Revolutionsgarden eben für die aggressive Regionalpolitik im Libanon, in Irak und in Syrien aufgewendet werden. Und genau das ist passiert."
    "Übermaß an Optimismus"
    Nicht nur der deutsche Außenminister hat sich hinreißen lassen, auch der iranische Präsident Hassan Rohani schwärmte nach dem Handschlag mit den Verhandlungspartnern, der Iran werde sich nun mit der Welt versöhnen. Die Sicht in den üblichen Vertragsländern, in Russland, China, Frankreich, Großbritannien und in den USA dürfte etwas nüchterner ausgefallen sein. Doch auch US-Präsident Obamas viele Mitarbeiter seien nicht vor einem Übermaß an Optimismus gefeit gewesen, sagt Kenneth Pollack.
    US-Präsident Barack Obama
    "Ein historischer Tag": US-Präsident Barack Obama war überzeugt, dass der Deal mit dem Iran eine Wende im Verhältnis zum Mullah-Staat bringen würde (Picture Alliance / dpa / Mandel Ngan)

    "Ich glaube, dass in der Obama-Regierung übereinstimmend die Hoffnung herrschte, dass der Atomdeal der Beginn einer Annäherung sein könnte. Mit der Zeit wurden einige Regierungsmitarbeiter zwar skeptischer, viele aber, das war eine Art Glaubensfrage, waren sicher, dass es dazu kommen würde."
    Irans unrühmliche Rolle in der Region
    Das Gegenteil war der Fall. Der Iran nutzte die Ruhe im Atomstreit und die freigegebenen Milliardenbeträge, um an seiner Vormachtstellung im Nahen Osten zu arbeiten - und das nicht gerade in der Rolle einer Friedensmacht.
    In Syrien rangen Teherans Revolutionsgarden und die von Iran gestützte Hisbollah an der Seite Russlands und der syrischen Armee die Aufständischen nieder. Sie retteten so gemeinsam mit Russland die Herrschaft von Präsident Baschar al-Assad. Im Jemen führt der Iran einen Stellvertreterkrieg gegen den Rivalen Saudi-Arabien. Im Irak sorgen schiitische Milizen für Unruhe und im Libanon werde die von Iran nun ungestört hochgerüstete Hisbollah bald einen neuen Krieg mit Israel provozieren, warnte kürzlich Lindsey Graham, konservativer US-Senator für South Carolina, im Fernsehsender CBS.
    "Iran gewinnt und wir verlieren. Wir haben keine Strategie gegen die iranisch-russische Achse in Syrien. Südlibanon ist eine einzige Raketenabschussrampe. Dort entwickeln sie Präzisionswaffen. Wenn wir nicht bald eine Strategie gegen Iran entwickeln, zieht Israel hier bald in den Krieg gegen die Hisbollah."
    Aufkündigung des Deals ist keine Lösung
    Für ein härteres Vorgehen gegen den Iran gibt es also einige Gründe und politische Unterstützung. Allerdings hegen Beobachter große Zweifel, dass der Feldzug von Präsident Donald Trump gegen den Atomdeal dabei helfen kann, Teheran wie versprochen politisch zurückzudrängen. Kenneth Pollack vom American Enterprise Institute:
    "Die Trump-Regierung hat ja angekündigt, dass sie den Iran zurückdrängen wolle. Aber das einzige, was sie wirklich tun will, ist, das Atomabkommen zu zerstören. Und das würde nur unsere Verbündeten verschrecken, die wir verzweifelt brauchen, um mit der Bedrohung umzugehen, die Iran im Nahen Osten darstellt."
    Eine weitere Befürchtung ist, dass die USA und der Westen jedes Vertrauen als Verhandlungspartner verlieren würden, sollten die Amerikaner den Atomvertrag einseitig platzen lassen. Außerdem könnte das beabsichtigte Ziel sogar ins Gegenteil verkehrt werden: der Iran könnte nicht stärker unter Druck geraten, sondern sich sogar aus der Verantwortung stehlen. Sollte Washington nämlich den Deal beenden, würden die USA alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen und Teheran hätte einen wohlfeilen Sündenbock, warnt Suzanne Maloney vom liberalen Washingtoner Think Tank Brookings.
    "Wenn die USA jetzt zu Sanktionen zurückkehren und ihre Verpflichtung aus dem Abkommen brechen, bringt uns dies in die Rolle des Übeltäters - in einer Zeit, in der die Aufmerksamkeit der Welt auf die Vergehen der iranischen Republik gegen das eigene Volk gerichtet sein sollte."
    Widersprüche der Regierung in Teheran
    Maloney spielt damit auf die Proteste der iranischen Bevölkerung gegen die eigene Regierung zu Beginn dieses Jahres an. Trotz der Lockerung der internationalen Sanktionen hatte die wirtschaftliche Lage im Land sich nicht so sehr erholt wie von der iranischen Führung erhofft. Anders als bisher konnte Teheran die Misswirtschaft im Land und die schlechte Lage der Bevölkerung aber nicht mehr nur dem Ausland in die Schuhe schieben. Auch für Guido Steinberg von der SWP ist das ein positiver Nebeneffekt des Atomabkommens.
    "Damit wird der iranischen Führung ein wichtiges Argument genommen. Sie hat nämlich in den letzten Jahren - fast Jahrzehnten, muss man sagen - die tatsächlich schlechten Lebensverhältnisse immer wieder darauf zurückgeführt, dass der Westen das Land isoliert."
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    Dear Deal habe die Widersprüche der iranischen Regierung bloßgelegt, sagt Guido Steinberg, Politikwissenschaftler bei der SWP (dpa, Karlheinz Schindler)
    Kann die expansive und kriegerische Politik Teherans eingedämmt werden, ohne dem Regime eine offene Flanke zu bieten? Die Europäer versuchen es wie zu erwarten mit Diplomatie. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar kamen Unterhändler aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien mit dem stellvertretenden iranischen Außenminister Abbas Araghchi zusammen, um die Probleme in der Region anzusprechen. So etwas nennen deutsche Diplomaten dann gern ein neues Gesprächsformat. Das suggeriert etwas Handfestes, einen Austausch, der mehr bringen könnte als warme oder auch mal harte Worte. Die Italiener wurden dazu gebeten, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, es gehe um eine Wiederauflage der Atomgespräche. Außerdem reiste der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian nach Teheran. Er wollte auszuloten, ob der Iran bereit wäre, über Zusätze zum Atomabkommen zu verhandeln.
    Die Antwort des obersten geistigen und politischen Führers des Irans, Ayatollah Ali Chamenei, folgte prompt. Teherans Raketenprogramm und seine Aktivitäten in der Region gingen Europäer und Amerikaner nichts an. Wie der Iran sich selbst gerne sehen möchte, verraten die Worte von Seyed Kazem Sajjadpour auf einer Tagung des amerikanischen Brookings-Instituts in Doha. Der ehemalige iranische Diplomat leitet heute das iranische Institute for Political and International studies, IPIS.
    "Kein anderes Land in der Region kann selbst für seine Sicherheit sorgen. Daneben schafft der Iran auch Sicherheit in der Region. Der Iran baut die Region mit auf."
    Der Iran sei der einzige wirklich unabhängige Staat in der Region. Sicher ist dies eine Position, die im Westen nicht viel Zustimmung findet. Doch sie zeigt, wie sehr das iranische Selbstverständnis den europäischen Gesprächsversuchen entgegensteht. Auch auf der anderen Seite des Verhandlungstischs werde die europäische Initiative nicht viel erreichen, fürchtet US-Experte Kenneth Pollack.
    War Obama nicht aggressiv genug?
    "Ich glaube, dass die Gespräche der Europäer nicht ausreichen werden, um Präsident Trump von seinem Kurs abzubringen. Die Europäer müssten schon mit einem solideren Angebot kommen. Ich glaube aber auch, dass fast nichts, was die Europäer den Iranern abtrotzen könnten, Trump überzeugen würde. Er hat die Messlatte bewusst sehr hoch gelegt."
    Guido Steinberg von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik sieht eine Möglichkeit darin, in Übereinstimmung mit den Amerikanern eine aggressivere Haltung gegen die Regionalpolitik des Irans einzuschlagen.
    "Also: Irak, Syrien, Libanon, Jemen. Das wäre vielleicht auch eine Möglichkeit, den Amerikanern klarzumachen, dass wir einen Punkt durchaus akzeptieren, dass die Obama-Administration möglicherweise nicht aggressiv genug war in ihrem Umgang mit Iran. Dafür sehe ich aber tatsächlich in der europäischen Politik kaum Mehrheiten. Das wäre trotzdem eine Möglichkeit, die man in Erwägung ziehen sollte, weil wir auch durchaus ein Interesse daran haben, dass Iran die Konflikte in der Region nicht mehr so befeuert wie das in den letzten Jahren, vor allem seit 2014/15, geschehen ist."
    Auf der Straße steht ein zerbeultes Auto, daneben ein mit Bausteinen gesicherter Hauseingang. Der Junge rennt von rechts nach links in der Mitte der von Trümmerteilen übersäten Straße.
    "Für ein härteres Vorgehen gegen den Iran gibt es einige Gründe": Die iranische Hisbollah hat gemeinsam mit Russland die Herrschaft von Präsident Assad gerettet (Samer Bouidani / dpa)
    In Syrien sei dem Iran und Russland zwar kaum noch etwas entgegenzusetzen, wohl aber könne der Westen Teherans Einfluss etwa durch die Unterstützung der irakischen Regierung zurückdrängen. Unter anderem im Kampf gegen iranisch dominierte Milizen. Außerdem solle die EU überlegen, einige von Teherans Verbündeten in der Region auf ihre Terrorliste zu setzen. Neben pro-iranischen Milizen im Irak, biete sich vor allem die Hisbollah dafür an. Teherans Alliierte in der Region sind eine wichtige Stütze für die islamische Republik. Auch Kenneth Pollack vom American Enterprise Institute hält das Vorgehen gegen sie für erfolgversprechender als einen neuen Atomstreit, wie ihn Präsident Trump anzetteln will.
    "Wenn man darüber nachdenkt, was die Iraner dazu bringen könnte, sich zu bewegen, ist es ihre Rolle in der Region. Je mehr die USA und ihre Verbündeten den Iran in der Region zurückdrängen und vielleicht sogar einige seiner Vorstöße in Syrien, im Irak oder im Jemen zurückdrehen, desto mehr würden sie den Iran in die Defensive zwingen, seine Interessen bedrohen und ihn womöglich auch in Nuklearfragen wieder gesprächsbereiter machen."
    Wenn die US-Regierung aber, wie zu befürchten sei, ihren bisherigen Weg gegen das Atomabkommen fortsetzt, werde sie nicht in erster Linie dem Iran schaden, sondern den eigenen Partnern im Westen, die aus gutem Grund am Atomabkommen festhalten wollen.