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Streit um Braunkohle-Tagebau
Berliner Trinkwasser in Gefahr?

Die Braunkohlereviere in der Lausitz sorgen für Streit: Sie belasten die Spree mit Sulfat, weswegen die Hauptstädter um ihr sauberes Trinkwasser fürchten. Brandenburg dagegen verweist auf Tausende Jobs, die am Tagebau hängen.

Von Vanja Budde und Verena Kemna | 31.08.2015
    Bräunlich-Rot ist das Wasser eines Bachs am 10.01.2013 am Naturspreewaldhafen in Ragow nahe Lübben (Brandenburg) gefärbt.
    Immer wieder trübt sich das Spreewasser bräunlich-rot ein, so wie am Naturspreewaldhafen in Ragow nahe Lübben. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Die Kleinstadt Welzow liegt ganz im Süden Brandenburgs, fast schon in Sachsen – und unmittelbar am Rand des gleichnamigen Braunkohletagebaus Welzow Süd I. Wenn die gigantische Grube wie geplant ab 2027 erweitert wird , mit dem so genannten Tagebau Welzow Süd II, dann werden Teile der Ortschaft weg gebaggert.
    Trotzdem sind beileibe nicht alle Welzower gegen die Kohle-Förderung, die in der Lausitz eine mehr als 100-jährige Tradition hat. Vattenfall offeriert im Tagebau und in seinen Kraftwerken in der ansonsten strukturschwachen Lausitz tausende Arbeitsplätze, und zwar hoch qualifizierte, gut bezahlte Arbeitsplätze.
    "Die Region lebt von der Kohle. Alleine Welzow: Alles, was hier gebaut worden ist den letzten Jahren, was hätten wir ohne Kohle gehabt? Ein mieses Dorf, wie es nach der Wende war, so würde es hier aussehen. Alle leben hier von der Kohle, die ganzen Handwerker, das ganze Gewerbe, die ganzen Betriebe."
    "Weiter gibt's ja nichts!"
    "Das wird alles platt gemacht. Und der Steuerzahler, der kleene Mann, der zahlt die Zeche dafür!"
    Fördertechnik steht im Braunkohletagebau der Vattenfall AG am Kohleflöz im südbrandenburgischen Welzow.
    Im Braunkohletagebau der Vattenfall AG am Kohleflöz im südbrandenburgischen Welzow wird trotz der massiven Kritik weiterhin gebaggert. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul )
    Platt gemacht von Kohle-Kritikern wie denen im 150 Kilometer nördlich gelegenen Berlin, die sich über die steigenden Sulfat-Werte in der Spree aufregen. Diese Salze der Schwefelsäure stammen aus den sächsischen, aber auch den brandenburgischen Tagebauen der Lausitz. Weshalb sich sämtliche Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses Anfang des Jahres gegen den geplanten Ausbau von Welzow Süd II ausgesprochen haben –über alle Parteigrenzen hinweg.
    Das Berliner Parlament forderte den Senat auf, die gemeinsame Landesplanungskonferenz mit Brandenburg einzuberufen, um den neuen Tagebau zu verhindern. Das Vorhaben, mit dem 200 Millionen Tonnen Kohle aus der Erde geholt werden sollen, bedrohe das Berliner Trinkwasser und sei mit den Klimaschutzzielen nicht vereinbar. Hier in Welzow kam das bei den Kohlegegnern gut an, bei den Befürwortern aber gar nicht. Das bisschen Sulfat sei doch nicht der Rede wert, meinen sie.
    "Fahren Sie mal nach Schwarze Pumpe ins Wasserwerk. Alles Wasser, was hier gefördert wird, wird dort gereinigt. Alle trinken wir das Wasser aus diesem Tagebau. Super sauberes Wasser."
    Sulfatwerte in der Spree steigen
    So super sauber ist das Wasser aber nicht: Die Sulfatwerte in der Spree steigen, in dem Fluss, der durch Sachsen, Brandenburg und Berlin fließt und aus dem die Hauptstadt ihr Trinkwasser schöpft. Eine neue Studie bestätigt die Verantwortung des Braunkohlebergbaus für die hohe Sulfatbelastung. Die Expertise hat das Institut für Wasser und Boden in Dresden erstellt, im Auftrag des bundeseigenen Bergbausanierers LMBV, der sich um die alten, still gelegten DDR-Tagebaue kümmert.
    Diplom-Ingenieur Jens Feddern arbeitet seit Jahren für die Berliner Wasserbetriebe. Im Wasserwerk Friedrichshagen am südlichen Stadtrand ist er zuständig für die Wasserversorgung. Feddern beobachtet mit Sorge die steigenden Sulfatwerte in der Spree.
    "Einmal ist Sulfat am Ende unter Umständen schweflige oder Schwefelsäure. Und das bedeutet, dass unsere ganze Infrastruktur, die aus Beton besteht, also Rohrleitungen sind aus Beton, unsere Wasserwerke haben Betoneinbauten, Klärwerk hat Betoneinbauen, dass dieser Beton deutlich schneller kaputtgeht als eigentlich geplant, eben weil der Sulfat-Gehalt sehr hoch ist. Das Wasser ist dann sehr aggressiv und macht den Beton kaputt. Das ist das Erste."
    Blick auf Braunkohlegegner und Greenpeace-Aktivisten, die mit einem Transparent mit der Aufschrift "Kein Plan für die Zukunft - Nein zum Tagebau Welzow-Süd II" vor der Sitzung des Braunkohlenausschusses in Cottbus (Brandenburg) protestieren.
    Braunkohlegegner und Greenpeace-Aktivisten protestieren mit einem Transparent mit der Aufschrift "Kein Plan für die Zukunft - Nein zum Tagebau Welzow-Süd II". (dpa / Patrick Pleul)
    Das andere ist die Gesundheit der mehr als drei Millionen Einwohner in der Stadt.
    "Für den Menschen ist es so: Die Trinkwasserverordnung sagt, bei lebenslangem Gebrauch von bis zu 250 Milligramm gibt es gar kein Problem. Das ist auch für Babynahrung geeignet. Darüber muss man gucken. Dann hat es Einschränkungen für Kleinkinder und ab ungefähr 600 Milligramm Sulfat würde man auch beim Erwachsenen Durchfallerkrankungen feststellen können. Und da sieht man jetzt gerade bei der letzten kurzen Steigerung, die wir erlebt haben, dass der Trinkwassergehalt dann schon in Richtung 200 angestiegen ist, weil in der Spree dann über 300 drin gewesen ist. Wir brauchen ausreichend Puffer zu unserem Grenzwert, insofern gucken wir uns das sehr genau an und schlagen dann auch gleich Alarm, wenn wir feststellen, dass dieser Wert in irgendeiner Form überschritten wird."
    Als der Fluss in diesem Jahr plötzlich mit Spitzenwerten von mehr als 300 Milligramm Sulfat durch die Hauptstadt floss, wollten die Ingenieure nicht tatenlos zusehen. Sie griffen zum Telefon und schrieben Mails.
    "Wir haben ja eine Überwachungsbehörde, das ist die Wasserbehörde. Und wir haben auch ein Landesgesundheitsamt, das LaGeSo. An beide haben wir uns gewendet, haben gesagt: Bitte werdet aktiv. Und das haben die dann auch wirklich gemacht. Die sind dann auch zu ihren Kollegen nach Brandenburg gegangen, nach Sachsen gegangen, man hat sich zusammengesetzt, hat darüber beraten. Und dann kam zum Beispiel raus, dass man nicht bedacht hatte, dass die Regenfälle im Jahr 2014 und 2015 nicht so hoch gewesen sind wie erwartet. Damit hatte man im Verhältnis zu dem Abfluss der Spree zu viel schwefelhaltiges Wasser zugegeben, was dann zu diesem Effekt des Anstiegs des Sulfats auch hier in Berlin geführt hat."
    Nach dem Alarmruf aus Berlin sei im Kohlebergbau der Lausitz sulfathaltiges Wasser zurückgehalten worden, worauf der Wert wieder gesunken sei.
    "Wir sind jetzt im Reinwasser so zwischen 160 und 180 mg und in der Spree um die 200 mg."
    Vattenfall-Gewässerkundiger begrüßt die Abgeordneten am Petershainer Fließ, steht kurz frei, dann leise unter
    Abgeordnete waren mit Reisebussen vor Ort
    Rund 60 Mitglieder der Wirtschaftsausschüsse in den Berliner und Brandenburger Parlamenten sind in zwei Reisebussen im Lausitzer Revier unterwegs. Erster Stopp: An einer Einleitungsstelle von Grubenwasser aus einem aktiven Tagebau in einen Zufluss der Spree. An solchen Einleitstellen wurden teils deutlich erhöhte Sulfatwerte gemessen.
    Der Geohydrologe Thomas Koch von dem schwedischen Bergbaubetreiber Vattenfall hat denn auch einen schweren Stand gegen Silke Gebe, die umweltpolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus.
    "Ich würde jetzt gerne mal zu den Sulfat-Werten etwas fragen. Was für Schäden hat das auch gerade für Berlin? Wie viel Sulfat wird hier in die Gewässer aus den Tagebauen eingeleitet? Und was kommt aus der Grubenwasserbehandlungsanlage raus?"
    "Wir sehen das gemeinsam mit den Berliner Wasserbetrieben als ein wichtiges Thema an. Probleme lösen wir in der Lausitz. Wir steuern jetzt hier über Menge. Es werden nächstes Jahr zwei weitere große Wasserspeicher im Kontext der Braunkohlesanierung in Betrieb gehen, sodass wir da auch weitere Mengensteuerung vornehmen können, sodass sich damit auch weiter das entfrachtet."
    Das Sulfat soll also verdünnt werden, indem man mehr unbelastetes Wasser in die Spree einleitet. Mit einem vorausschauenden Wassermanagement sei das Problem ebenso beherrschbar, wie überhaupt alle Umweltfolgen der Tagebaue, meint der Kohle-Konzern. Doch Silke Gebe von den Berliner Grünen lässt nicht locker:
    "Und was bedeutet Welzow II für diese Sulfat-Einleitungen?"
    „Wir werden dort, in dem anstehenden, noch nicht geführten Genehmigungsverfahren für Welzow II Ihr Thema, Das Sie gerade genannt haben, zentral mit zu betrachten haben. Aber ein vorausschauender Baustein für das Thema Sulfat und Eisen ist, und das haben wir leider in einem Sanierungsbergbau nicht, dass wir einen aktiven Handlungspartner haben, der bereits jetzt auf den Kippen Grubenwasserreinigungsanlagen baut. Das hätten wir uns an der ein oder anderen Stelle im Sanierungsbergbau mit einer Entscheidung von 1975 oder 76 sicherlich gewünscht, dann wär die Situation heute auch dort entspannter."
    "Darf ich mal nachfragen?"
    "Ich will mal ganz kurz auf die Zeit hinweisen, weil wir ja eigentlich diese Grubenwasserbehandlungsanlage betrachten wollen, wo ja das Thema identisch ist."
    "Dann können wir ja da weiter diskutieren, hier sieht man jetzt so viel nicht."
    Kommt das Sulfat aus den alten DDR-Tagebauen?
    Bislang argumentierte Vattenfall gern, dass das Sulfat hauptsächlich aus den alten DDR-Tagebauen kommt und weniger aus den eigenen, aktiven.
    Doch laut der bereits erwähnten, jüngst auf der LMBV-Homepage veröffentlichten Studie der Bergbau-Verwaltungsgesellschaft, gehen 54 Prozent der Sulfat-Einträge in die südliche Spree auf die aktiven Tagebaue und den Betrieb der Kraftwerke des Vattenfall-Konzerns zurück. Um im Trockenen baggern zu können, senkt der Betreiber den Grundwasserspiegel in den Kohlegruben und pumpt das so genannte Sümpfungswasser mitsamt dem Sulfat in die Grubenwasseranlagen. Nur 30 Prozent der Sulfatlast stammen aus den still gelegten DDR-Tagebauen, in denen sich der künstlich abgesenkte Grundwasserspiegel jetzt wieder hebt. Der Rest wird natürlichen Ursachen zugeschrieben. Vattenfall trage also die Hauptverantwortung und müsse darum auch für die Beseitigung der Schäden finanziell gerade stehen, fordern Kohle-Kritiker. Und einen neuen Tagebau dürfe es angesichts dieser Erkenntnisse schon gleich gar nicht geben.
    Nach kurzer Fahrt haben die Abgeordneten aus Berlin und Potsdam das nächste Ziel erreicht. Wasser schäumt und rauscht in großen Becken, über die Laufgitter hinweg führen. Ingolf Arnold begrüßt die Politiker: Er ist Leiter der Geotechnik bei Vattenfall.
    „Wir befinden uns auf dem Standort unserer neuesten Grubenwasserbehandlungsanlage. Die ist am 19. März diesen Jahres ganz offiziell in Betrieb gegangen. Diese Anlage, die sie hier sehen, hat circa 15 Millionen Euro gekostet."
    Mit dieser neuen Anlage reinige der Konzern 35 000 Kubikmeter Wasser am Tag, erklärt Arnold. Doch nur vom Eisenhydroxid, das die Fließgewässer rund um die Tagebaue rotbraun färbt und die berüchtigte Verockerung verursacht.
    "Mit dieser Anlage verteilen wir das Wasser mit diesem Sulfat hier oben in der Landschaft. Dieses sulfathaltige Wasser versickert wieder im Boden, bleibt im Boden und nur ein ganz, ganz geringer Teil kommt irgendwann in Jahren vielleicht an der Spree an. Das heißt, die Anlage trägt jetzt dazu bei, dass wir diese relativ hohe Sulfat-Belastung, die wir in der Spree haben, erst mal ein Stück runternehmen."

    "Also verteilen, in der Fläche verteilen," meint Jutta Matuschek, wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus.
    "Ja, also in der Fläche verteilen oder sagen wir mal so: Das Sulfat kommt ja von hier. Und wir versickern das hier wieder im Erdreich, das soll also hier in der Lausitz bleiben und sich nicht auf den Weg nach Berlin machen."
    Noch keine Anlage, die Sulfat aus Wasser filtert
    Im Wasserwerk Briesen, das Frankfurt (Oder) versorgt, muss das belastete Wasser der Spree schon mit Grundwasser gemischt werden. Hat Vattenfall also alles im Griff? Nach dem Motto "Probleme lösen wir in der Lausitz"?
    "Nein, das sehen wir ganz anders."
    Winfried Lücking vom Berliner BUND fährt als Umweltexperte mit durchs Revier. Bei den Genehmigungen für die neuen Tagebaue in Brandenburg und Sachsen seien mögliche Folgen für das Berliner Trinkwasser gar nicht berücksichtigt worden, kritisiert er.
    "Wir haben nach wie vor einen hohen Sulfat-Eintrag. Wir haben eine sehr starke tendenzielle Anstiegsrate über die letzten 10, 15 Jahre. Ich sehe im Moment in keiner Weise, wo hier wirklich die zuständigen Behörden eingreifen, um diesen Sulfat-Gehalt zu reduzieren. Was wir heute gehört haben, ist, dass letztendlich das Sulfat verdünnt wird und verteilt wird in der Fläche, aber es landet wieder im Grundwasser und das Grundwasser letztendlich ist im Kontakt mit der Spree, das wird wieder in der Spree landen. Das kann nicht die Lösung sein."
    Genauso wie bei dem Eisenhydroxid müsse eine Anlage her, die das Sulfat aus dem Wasser herausfiltert, fordert Lücking.
    Auch die Grünen in der Opposition im Potsdamer Landtag fordern, Vattenfall Auflagen zur Eindämmung der Sulfatfracht zu machen.
    Das Wassermanagement eines Tagebaues sei eine komplizierte Angelegenheit, gibt Jens Feddern vom Wasserwerk in Berlin Friedrichshagen zu bedenken.
    "Das ist nicht so ganz einfach, weil man neben dem aktiven Bergbau ja auch immer noch die passive Seite hat. Also da, wo man schon Braunkohlelöcher hat, wo Grundwasser in diese Löcher gelaufen ist und dieses Grundwasser jetzt natürlich in die Spree entwässert, das sind diese diffusen Quellen und die hat man eigentlich nicht so richtig im Griff."
    Es gehe jetzt erst einmal darum, dieses ganze komplexe Ineinandergreifen der Zu- und Abläufe in den alten und aktiven Tagebauen nachzuvollziehen, sagt Feddern. Um es dann geschickt zu steuern, damit die Spree nicht überlastet wird.
    "Wir sprechen hier nicht von einem Jahr, sondern das sind ja Effekte, die unter Umständen 50 Jahre lang dauern. Das sind also lange Zeiträume, die wir da zu betrachten haben."
    Wenn das Wassermanagement so kompliziert ist: Wäre es da nicht einfacher, das Sulfat wie vom BUND gefordert aus der Spree heraus zu filtern?
    "Wenn ich eine Tasse Kaffee habe und ich nehme da Zucker rein und verrühre den Kaffee, dann ist er in dem Kaffee gelöst. Den Zucker da wieder rauszukriegen, das ist schwer. So ähnlich verhält es sich bei dem Sulfat auch. Es gibt technische Möglichkeiten, wie man Sulfat aus Wässern wieder rauskriegt, das sind chemische Methoden, die man da anwenden muss. Die sind nicht ganz einfach und vor allen Dingen für die riesigen Mengen, die wir haben, also 550 000 Kubikmeter Trinkwasser jeden Tag, was wir im Normalfall den Kunden zur Verfügung stellen, im Sommer bis zu einer Million, und dafür solche Anlagen zu schaffen, das ist einmal nicht bezahlbar und wahrscheinlich wird es auch nicht funktionieren, weil diese Technik in diesem großen Maßstab schlichtweg nicht verfügbar ist."
    Jörg Simon ist der Vorstandsvorsitzende der Berliner Wasserbetriebe. Er erwartet von der Regierung in Potsdam, dass der Grenzwert von 250 Milligramm nicht überschritten wird.
    "Wir haben die Zusage, dass man vor Ort da auch Dinge tut. Im Detail kann ich das und möchte ich das nicht bewerten. Verfahren, die Sulfat aus dem Wasser entfernen, sind insgesamt sehr teuer, das weiß man. Das würde auch für uns dann gelten, wenn wir hier im Wasserwerk eine Maßnahme installieren müssten. Da muss man so zwischen 30 und 50 Cent je Kubikmeter am Ende des Tages rechnen. Eigentlich wollen wir das nicht übernehmen, weil das eine Aufgabe ist, die letztlich der übernehmen muss, der auch diese Beeinträchtigung der Spree zuführt."
    Kein Konsens in Sicht
    Klar ist: Die Sulfat-Belastung der Spree geht alle Anrainer etwas an und das Problem kann nur gemeinsam gelöst werden. Die Berliner Linken-Politikerin Jutta Matuschek:
    "Und darum sind wir ja auch hier, um eben auch länderübergreifend diese Probleme zu diskutieren. Der Konflikt mit der Brandenburger Landesregierung geht überhaupt über die Zukunft der Braunkohle und damit auch die Zukunft der Tagebaue, sowohl der alten wie auch eventueller neuer."
    Doch ein Konsens ist nicht in Sicht: Die beiden Bundesländer liegen in Fragen der Energiepolitik weit auseinander.
    "Unsere Idee im Berliner Abgeordnetenhaus ist ja, dass man mit Brandenburg eine gemeinsame Energiewenderegion schafft. Dazu gehört dann eben auch ein geordneter und schnellstmöglicher Ausstieg aus der Braunkohle. Und man hat natürlich auch entsprechende Arbeitsmöglichkeiten bei der Renaturierung, im Tourismus, in anderen Bereichen, vor allen Dingen bei der Bewältigung der Energiewende durch alternative, regenerative Energiegewinnung. Da müssen Berlin und Brandenburg zusammenarbeiten und sie hätten die Chance und sie hätten das Potenzial. Der jetzige Streit ist meiner Meinung nach teilweise wirklich hanebüchen."
    Die braunkohlefreundliche Mehrheit im politischen Brandenburg empfindet solche Ansinnen als naiv und weltfremd. Brandenburgs Wirtschafts- und Energieminister Albrecht Gerber von der SPD, der auch mit im Bus sitzt, hat diese Berliner Argumente schon oft gehört.
    "Wir sind ja bereits das bundesweit führende Land bei den erneuerbaren Energien. Man muss sehen, dass in der Braunkohle gut bezahlt wird. Das ist nicht ohne Weiteres durch andere Arbeitsplätze zu ersetzen. Das kann man sich wünschen, die Wahrheit sieht aber anders aus. Wir haben zum Beispiel bei der Solarproduktion gesehen, dass dort zum einen ganz schlecht bezahlt worden ist und zum anderen durch internationale Entwicklungen es dort auch wieder zu Abbrüchen gekommen ist. Also so einfach, wie manche sich das vorstellen, ist das nicht."
    24 Millionen Tonnen Kohlendioxid pustet das große Kohle-Kraftwerk Jänschwalde unweit von Welzow alljährlich in die Luft. Sogar Vattenfall will sich - auch auf Druck der schwedischen Grünen - von der klimaschädlichen Kohle-Sparte trennen und sucht einen Investor für seine Tagebaue in der Lausitz.
    "Wir sind der Auffassung, dass wir in der Energiewende die Braunkohle weiter brauchen, um eine sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung zu haben. Auch Berlin ist angewiesen auf den Strom aus der Braunkohle und auch von unserer Windenergie, das ist vollkommen klar, weil Berlin sich nicht alleine versorgen kann. Was das Sulfat betrifft, so arbeiten wir da an Lösungen, um das Wasser entsprechend zu verdünnen, dass geringere Konzentrationen in Berlin ankommen werden. Wir sind dabei, das weiter zu erforschen und zu überprüfen. Ich bin relativ zuversichtlich, dass wir da auch eine tragfähige Lösung hinbekommen. Letztlich müssen aber auch natürlich die Berliner sehen, dass wir ein Deutschland sind. Es gibt eine Energiepolitik in diesem Land und die wird noch auf längere Zeit auf einen Energiemix angewiesen sein."
    Die Qualität des Trinkwassers sei auch für die Brandenburger wichtig, nicht nur für die Berliner, sagt Gerber noch. Und bevor er sich wieder dem Papierstapel auf seinem Schoß zuwendet, kann sich Brandenburgs Energieminister einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen:
    "Wenn Berlin sich alleine versorgen wollte – mit ihren zwei Windrädern, da kommen sie nicht weit."
    Unverzichtbare Arbeitsplätze? "Das ist Realitätsverzerrung"
    Die Abgeordneten sind derweil aus dem Bus ausgestiegen. Er hat am Rand des Tagebaues in Welzow gehalten, die Politiker wollen einen Blick in die tiefe Grube werfen. Hannelore Wodtke ist Stadtverordnete in Welzow, Vorsitzende des Umweltausschusses, Vorsitzende der Wählergruppe "Grüne Zukunft Welzow" und Mitglied im "Netzwerk für Bergbaugeschädigte".
    "Ich muss sagen: Die Landesregierung hat die letzten zehn Jahre ganz einfach verschlafen, um den Strukturwandel einzuleiten, durchzuführen."
    Und die Arbeitsplätze in der Kohleförderung und -verstromung, die seien keinesfalls unersetzbar, meint Hannelore Wodtke.
    "Das ist Panikmache, das ist Realitätsverzerrung, denn es ist ja so: Der Tagebau, der reicht noch bis weit in die Zukunft. Und wenn der vernünftig ausgekohlt wird, dann haben die Leute, die jetzt rumschreien und Panik haben, noch genügend Arbeit. Und danach werden so viel Leute für die Renaturierung und Rekultivierung benötigt, so viel Leute hat die Kohle jetzt gar nicht beschäftigt."
    Der Streit um die Braunkohle: Er entzweit nicht nur die Bundesländer Berlin und Brandenburg, sondern auch die Städte und Dörfer der Lausitz.
    Hinweis: Dieser Beitrag lief in einer längeren Fassung am 25. August 2015 im Deutschlandradio Kultur.