Freitag, 19. April 2024

Archiv


Streit um Brennelementesteuer

Welchen Wert haben Verträge – das fragt sich derzeit mancher angesichts der Debatte über den Atomausstieg. Die Atomkonzerne wollen gegen eine Brennelementesteuer klagen, weil ihrer Ansicht nach der Atomausstiegsvertrag von 2001 diese ausschloss. Allerdings sah diese Vereinbarung auch keine Laufzeitverlängerung vor.

Von Christel Blanke | 21.06.2010
    Es geht um alles andere als um Peanuts. 2,3 Milliarden Euro soll die Brennelementesteuer ab 2011 Jahr für Jahr in den Bundeshaushalt spülen. Doch aus Sicht der Energiekonzerne hat die Bundesregierung die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Eon, RWE, Vattenfall und EnBW drohen mit Klage gegen die geplante Steuer, die sie nach Angaben von EnBW-Chef Hans-Peter Villis völlig überrascht hat. Der ARD sagte er:

    "Wir haben ja immer signalisiert als EnBW, wir sind bereit, bei einer Laufzeitverlängerung einen Großteil unserer zusätzlichen Gewinne in den Ausbau der erneuerbaren Energien zu investieren. Und das passt nicht mit einer Brennelementesteuer überein."

    Da ist die Bundesregierung ganz anderer Auffassung. Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach sagte in der vergangenen Woche, die Festlegung auf die Steuer sei endgültig. Streit gibt es innerhalb der Regierung aber um die Frage, ob die Steuer in jedem Fall erhoben werden soll. Umweltminister Norbert Röttgen geht davon aus, dass sie nur bei längeren AKW-Laufzeiten anfallen wird. Finanzminister Wolfgang Schäuble und die Kanzlerin wollen sie auf jeden Fall einführen. Regierungssprecherin Heimbach:

    "Das rechtliche Junktim zwischen der Verlängerung der KKW-Zeiten und der Einführung der Brennelementesteuer ist in diesem Fall nicht gegeben."

    Die Energiekonzerne berufen sich auf den Atomkonsens. Darin wurde im Jahr 2000 vereinbart, dass die Bundesregierung keine Initiativen ergreifen werde, mit der die Nutzung der Kernenergie durch einseitige Maßnahmen diskriminiert würde. Das gelte auch für das Steuerrecht. Für das Umweltministerium ist das aber kein stichhaltiges Argument. Sprecher Thomas Hagbeck:

    "Die seinerzeitige Ausstiegsvereinbarung ist eine Verabredung, also kein Vertrag."

    Und Verabredungen ließen sich ändern. Aus Sicht der Versorger verstieße die Steuer aber zudem gegen EU-Richtlinien, weil Atomstrom einseitig belastet werde. Dem widerspricht Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Dem "Berliner Tagesspiegel" sagte er, die Atomenergie werde durch die Steuer nicht einseitig diskriminiert, weil Strom aus Gas, Öl oder Kohle schon seit 2005 dem Emissionshandel unterliege. Durch die Brennelementesteuer würde die Wettbewerbsgleichheit mit fossilen Brennstoffen wieder hergestellt, so Trittin.

    Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hält die Einführung einer Brennelementesteuer für gesetzeskonform. Das sei vom Finanzministerium geprüft worden, sagte er der ARD:

    "Ob das wirklich zu einer Klage kommt, ist völlig klar, dass das im Kontext gesehen wird mit der Laufzeitverlängerung."

    Am Mittwoch werden sich die Chefs der vier großen Energieversorger mit Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen. Medienberichten zufolge wollen sie dabei eine Laufzeitverlängerung von bis zu 15 Jahren fordern. Aus Brüderles Sicht eine - Zitat - durchaus vernünftige Perspektive:

    "Aber wir werden das definitiv erst festlegen können, wenn diese wissenschaftlichen Gutachten mit den Laufzeitszenarien vorliegen. Das sind einmal vier, zwölf, 20 und 28 Jahre, die gerechnet werden."

    Die Vorstellung der Konzerne liege also gut in der Mitte, so Brüderle.