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Streit um CETA
"Es geht um Geld für die Wallonie"

Die Zeit wird knapp für eine Einigung beim CETA-Handelsabkommen. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber geht aber davon aus, dass der Widerstand der Wallonie sich noch rechtzeitig legen wird. Im Deutschlandfunk sagte er, er glaube, der europäisch-kanadische Freihandelsvertrag sei gar nicht das eigentliche Problem.

Markus Ferber im Gespräch mit Christine Heuer | 24.10.2016
    Der CSU-Abgeordnete im Europäischen Parlament Markus Ferber spricht bei einer Pressekonferenz von CDU/CSU über den gemeinsamen Wahlaufruf zur Europawahl.
    Der CSU-Abgeordnete im Europäischen Parlament Markus Ferber (dpa)
    Ferber sagte im Deutschlandfunk, es gehe vor allem um mehr Geld von der belgischen Zentralregierung für die Wallonie. Dies sei ein lösbares Problem. Der CSU-Politiker kritisierte allerdings, der Streit schade dem Ruf der Europäischen Union massiv. Sie werde als internationaler Verhandlungspartner unglaubwürdig. Im Falle von CETA habe Kanada alle Zugeständnisse gemacht, die die europäischen Nationalstaaten verlangt hätten. Er warnte nochmal davor, den Vertrag am Ende am Widerstand einer kleinen Region scheitern zu lassen, nur weil dort ein amerikanischer Investor ein Werk geschlossen habe.
    Grundsätzlich seien die EU-Strukturen nicht hilfreich, wenn man Verträge über europäische Belange abschließen wolle, meinte Ferber. Die Mitgliedsstaaten zweifelten zentrale Kompetenzen der EU an. Zugleich sei es ein Fehler, in Abkommen wie CETA Fragen der Kultur und der Bildung einzubeziehen. Die Kultur gehe die EU nichts an. Man sollte Freihandelsabkommen nicht mit solchen Themen überfrachten, empfahl Ferber.

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Christine Heuer: Am Telefon ist der christsoziale Europaabgeordnete Markus Ferber, Vizevorsitzender im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments. Guten Morgen, Herr Ferber.
    Markus Ferber: Guten Morgen, Frau Heuer.
    Heuer: Die Frist läuft noch bis heute Abend. Kommt Ceta oder kommt es nicht?
    Ferber: Ich glaube schon, dass Ceta kommt. Wir haben es ja hier mit zwei Problemen zu tun. Ihr Kollege aus Brüssel hat das ja gerade schön geschildert. Da gibt es ein innerbelgisches Problem, das zunächst mal zu lösen ist. Und es gibt wohl noch ein Problem innerhalb der sozialistischen Parteienfamilie. Deswegen hat sich ja auch am Wochenende Herr Schulz eingeschaltet, um hier seinen sozialistischen Freunden in Belgien helfen zu können. Und ich denke, das sind auflösbare Probleme. Hier geht es am Ende nicht um Ceta, sondern um mehr Geld für die Wallonie.
    Heuer: Und wenn das gegeben wird, dann, glauben Sie, sagt Paul Magnette ja?
    Ferber: Es ist ja noch ein bisschen komplizierter. Zur Zustimmung zu Ceta zum jetzigen Zeitpunkt reicht die qualifizierte Mehrheit. Wir brauchen aber die Unterschrift von allen Mitgliedsstaaten. Es kann also ohne Belgien für den europäischen Teil in Kraft treten, es kann aber nicht unterzeichnet werden. Und das zeigt eigentlich, dass unsere Prozeduren nicht sehr tauglich sind, wenn man für europäische Kompetenzen solche Abkommen abschließen will.
    Heuer: Wie sehr schadet dieser ganze Streit auch mit den Aspekten, die Sie jetzt schon gerade angesprochen haben, schlechte Strukturen in der Europäischen Union, wie sehr schadet all das dem Ruf der EU in der Welt?
    Ferber: EU wird als Verhandlungspartner unglaubwürdig
    Ferber: Ganz massiv! Da dürfen wir uns gar keinem Zweifel hingeben, Frau Heuer, weil natürlich die Europäische Union als Verhandlungspartner unglaubwürdig wird. Was ist denn das für ein Verein, habe ich schon gehört von außerhalb der EU, wo man sieben Jahre verhandelt, wo Kanada wirklich alle Zugeständnisse gemacht hat, die die Europäische Union im Auftrag der Mitgliedsstaaten angefragt hat. Wir sind ja da Gott sei Dank in einem ganz hervorragenden Ergebnis gelandet. Da sind die Amerikaner mit TTIP noch weit davon entfernt. Und am Ende sagt dann eine kleine Region, nee, da mache ich nicht mit, weil ich Sonderprobleme habe, weil bei mir gerade ein amerikanischer Investor ein Werk geschlossen hat, weil ich innerhalb meines Landes strukturelle Probleme habe. Das erhöht nicht die Verhandlungsfähigkeit und die Glaubwürdigkeit gegenüber Partnern außerhalb Europas.
    Heuer: Herr Ferber, ich höre da deutlich heraus: Sie halten es für einen Fehler, die Entscheidung über Ceta in die nationalen Parlamente zu legen. Wer ist denn aber schuld an dieser Entwicklung?
    Ferber: Ich halte es nicht für falsch, dass Sie mich nicht falsch verstehen.
    Heuer: Aha!
    Ferber: Der Strukturfehler ist folgender. Mit dem jetzt gültigen Vertrag, dem Lissaboner Vertrag, hat man der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament die Kompetenz übertragen. Vorher war es die Kommission, die im Auftrag der Mitgliedsstaaten verhandelt hat. Und die Mitgliedsstaaten haben ratifiziert. Da gab es nie Probleme. Jetzt plötzlich ist es alles in Europa angekommen von den Mitgliedsstaaten, die sich jetzt wehren dagegen. Und jetzt sagen sie, nee, wir hätten es gern lieber bei uns. Dann sollen sie uns die Kompetenz wieder nehmen, dann ist alles wieder scheinbar in Ordnung.
    Heuer: Aber es war ja nun so, dass Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Sommer dem Drängen aus den Nationalstaaten nachgegeben hat und gesagt hat, gut, dann machen wir eben ein gemischtes Verfahren daraus. Das wäre ja gar nicht nötig gewesen?
    Ferber: Ja, da gibt es noch einen Rechtsstreit. Das Freihandelsabkommen mit Singapur, das vor dem Europäischen Gerichtshof liegt, genau mit der Frage, sind Schiedsgerichte oder ist der ganze Investitionsschutz nationale Kompetenz oder europäische Kompetenz. Und das hätte man auch abwarten können. Das hätte man aber früher auch den Kanadiern kommunizieren können, wartet mal, wir haben da noch eine offene Rechtsfrage, vielleicht unterzeichnen wir es erst im Frühjahr 2017. Dann wären wir nie in diese Situation gekommen. Weil es kann ja immer noch sein, dass der EuGH am Ende anders entscheidet. Und insofern war die Entscheidung von Juncker nicht ganz falsch zu sagen, ich will den Teil, der nicht alleinige EU-Zuständigkeit ist, auch durch die Mitgliedsstaaten ratifizieren lassen.
    Heuer: Aber ist es im Ergebnis jetzt nicht so, Herr Ferber, dass die politischen Parteien, in Deutschland zum Beispiel die SPD, Wahlkampf machen auf dem Rücken der EU-Handelsbeziehungen? Sigmar Gabriel hat sich ja sehr aus dem Fenster gelehnt im Sommer und gesagt, die nationalen Parlamente, die Menschen müssen befragt werden.
    Ferber: Ja gut, aber das hat er ja auch gekriegt. Insofern ist das ja in Ordnung. In Belgien ist ja das Problem noch etwas anders. In Belgien darf der Premierminister auf europäischer Ebene nur zustimmen, wenn auch die Regionen vorher zugestimmt haben, auch, wenn es reine europäische Zuständigkeit ist. Und das ist wieder ein innerbelgisches Problem. Dieses Recht hat jetzt erst Herr Michel den Regionen gegeben, was natürlich auch damit zu tun hat, dass zum ersten Mal seit Jahrzehnten die wallonischen Sozialisten nicht in der Regierung sind.
    Heuer: Aber trotzdem: Auch in Deutschland ist Ceta ja heftig umstritten und auch da äußern sich die politischen Parteien. Sigmar Gabriel habe ich schon erwähnt. Der hat sogar die SPD bei einem Konvent über Ceta abstimmen lassen. Wenn das schiefgegangen wäre, dann wäre es auch für Deutschland schwierig geworden, zuzustimmen. Und Ihr eigener Parteivorsitzender, Horst Seehofer, der fand das ja auch so richtig, die Länderparlamente zu fragen.
    Ferber: Ja. Aber noch mal: Wenn klar ist, dass es ein gemischtes Abkommen ist, dann haben bei uns auch die Länderparlamente mitzuentscheiden, weil am Ende auch der Bundesrat zu befragen ist. Ich möchte aber schon darauf hinweisen, dass der Deutsche Bundestag jetzt bereits zweimal prozedural die Bundesregierung ermächtigt hat, Ceta zuzustimmen und Ceta zu unterschreiben. Insofern kann man in Deutschland nicht sagen, dass keine demokratische Legitimierung vorhanden wäre.
    Heuer: Aber am Ende ist es doch so, dass die Wallonie zum Beispiel, die deutsche SPD oder, wie Günther Oettinger ironisch sagt, der Kirchengemeinderat von Biberach den Daumen senken oder heben können über Ceta.
    Ferber: Ja, der Pfarrgemeinderat von Biberach natürlich nicht. Aber dafür haben wir die repräsentative Demokratie. Aber noch mal: Wenn es ein gemischtes Abkommen ist, müssen alle nationalen Parlamente befragt werden, in Deutschland Bundestag und Bundesrat. Und wenn im Bundesrat Ministerpräsidenten sagen, ich unterziehe das auch einem Votum meines Landtages, stärkt das ja nur die demokratische Legitimation. Da geht es ja nicht darum, zu schwächen, sondern zu stärken.
    Heuer: Herr Ferber, aber das macht die EU ja ein bisschen handlungsunfähig. Wie kann man das denn künftig vermeiden?
    Ferber: EU sollte nur über europäische Kompetenzen verhandeln
    Ferber: Dann sollte wirklich nur über europäische Kompetenzen verhandelt werden, um das ganz offen zu sagen. Dann muss man jetzt einfach mal offen sagen: Die Kultur geht die EU nichts an, da muss auch kein Kulturabkommen geschlossen werden. Dann muss man offen sagen, im Bereich der Anerkennung von Bildungsabschlüssen haben wir sehr wenige Kompetenzen in der EU, dann lassen wir diese Teile außen vor, versuchen das anders zu lösen und belasten Freihandelsabkommen nicht mit solchen Dingen und konzentrieren uns auf den Freihandel, der ist wirklich eine europäische Kompetenz.
    Heuer: Das würde heißen, die wichtigen Sachen werden in Brüssel entschieden und - ich zitiere jetzt mal Gerhard Schröder, das gibt es nirgendwo anders ...
    Ferber: Ich halte Bildung für eine ganz wichtige Geschichte, Frau Heuer, dass Sie mich nicht falsch verstehen. Bildung ist eine ganz zentrale Geschichte, aber keine EU-Kompetenz.
    Heuer: Sie sind aber dafür schon auch, dass die Mitgliedsstaaten Kompetenzen abgeben an Brüssel, damit am Ende jedenfalls klar ist, welche Stelle für welche Fragen zuständig ist, damit es nicht mehr diese vielen gemischten Verfahren gibt?
    Ferber: Sie haben uns ja die Kompetenz gegeben für Freihandelsabkommen, allerdings nur in den Bereichen, wo auch die EU zuständig ist: Abbau von Zöllen, gegenseitige Anerkennung von Prüfverfahren, von technischen Standards. Das sind alles Dinge, die wir machen können, ohne große Probleme, auch mit breiter Unterstützung der Bevölkerung.
    Heuer: Aber unterzeichnen können Sie es ja nicht. Wir kommen immer wieder auf diesen Punkt zurück.
    Ferber: Kanada hat wirklich allen unseren Standards zugestimmt
    Ferber: Da würde aber die Wallonie sich auch nicht dagegen sperren. Dadurch, dass jetzt das Thema Arbeitnehmerstandards überhöht, will ich mal deutlich sagen, eingeführt wird, weil man plötzlich Angst hat vor Umweltstandards, vor Lebensmittelstandards, wo ich wenig Verständnis dafür habe, weil Kanada wirklich allen unseren Standards zugestimmt hat und weil wir an anderer Stelle mit anderen Ländern viel mehr Probleme haben, was Arbeitnehmerschutzrechte betrifft - wir verhandeln zurzeit mit Vietnam ein Freihandelsabkommen, wo es um Kinderarbeitsfragen geht -, da habe ich von der Wallonie noch nichts gehört.
    Heuer: Wir machen jetzt einen ganz harten Schnitt. Wenn ich schon so einen wichtigen CSU-Politiker wie Sie am Telefon habe, Markus Ferber, muss ich Ihnen heute Früh natürlich die Frage stellen: Kann Ihre Partei mit einem Kandidaten Frank-Walter Steinmeier für das Bundespräsidentenamt gut leben?
    Ferber: Ich glaube, da warten wir jetzt mal in Ruhe ab, bis sich die drei Parteivorsitzenden treffen. Ich bin da wirklich nicht befugt, zu solchen Fragen mich zu äußern.
    Heuer: Aber eine Meinung haben Sie doch.
    Ferber: Das macht unser Parteivorsitzender. Ich habe eine sehr dezidierte Meinung und die kennt mein Parteivorsitzender und da ist es gut aufgehoben.
    Heuer: Wir wüssten die auch gerne.
    Ferber: Ja. Das reicht momentan, wenn es Horst Seehofer weiß.
    Heuer: Okay. - Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber im Interview mit dem Deutschlandfunk. Wir haben es versucht, Herr Ferber! Danke schön!
    Ferber: Ja klar, Frau Heuer. Gerne. Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.