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Streit um den Zeugen Snowden
Ein Zwischenerfolg für die Opposition

Wie und in welchem Umfang der US-Geheimdienst NSA in Deutschland spioniert hat, könnte der nach Moskau geflüchtete Whistleblower Edward Snowden vielleicht sagen. Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass die Bundesregierung eine Zeugenaussage des Informanten ermöglichen muss.

Von Gudula Geuther | 21.11.2016
    Whistleblower Edward Snowden ist per Videobildschirm zugeschaltet. Snowden lebt seit seiner Flucht in den USA in Moskau.
    Der Whistleblower Edward Snowden ist einer Videokonferenz zugeschaltet. (picture alliance/dpa/Justin Lane)
    Es ist – nur - ein Zwischenerfolg der Opposition auf dem Weg zu einer möglichen Vernehmung Edward Snowdens in Berlin. Aber es ist wohl der bisher größte Erfolg in dem jahrelangen Streit. Entsprechend zufrieden zeigt sich der Grüne Konstantin von Notz.
    "Die Mehrheit der Koalition darf die Vernehmung Snowdens nicht weiter sabotieren und insofern sind wir mit diesem Urteil heute einen ganz entscheidenden Schritt weitergekommen."
    Seit März 2014, seit der NSA-Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde, verfolgen Linke und Grüne das Ziel, dass das Gremium Snowden vernimmt, möglichst in Berlin. Die Ausschussmehrheit – also die Vertreter der Großen Koalition - gab dem teilweise nach – und bemühte sich gleichzeitig, der Bundesregierung Unannehmlichkeiten zu ersparen. Das Ergebnis: Tatsächlich entschieden die Abgeordneten mehrheitlich, dass Snowden befragt werden solle. Das Wie und Wo aber blieb offen.
    Snowden machte über seinen Anwalt mehrfach klar, dass er zu einer Befragung in Moskau nicht bereit ist – und das schließt eine Videovernehmung ein. Trotzdem beschloss die Mehrheit eben das: Snowden sollte per Video oder in Moskau befragt werden. Die Bundesregierung machte unter anderem deutlich, dass sie bei einer Vernehmung des brisanten Zeugen in Deutschland Schaden für die außenpolitischen Beziehungen mit den USA fürchtet. Das Bundes-Justizministerium konnte außerdem bis heute die Frage nicht beantworten, ob Snowden eine Auslieferung aus Deutschland in die USA drohen würde – weil Antworten aus Washington fehlten. Förmlich Farbe bekennen musste die Regierung aber nicht.
    Bundesregierung vor unangenehmen Entscheidungen
    Konkret geht es jetzt um den Antrag von Grünen und Linken, dass der Ausschuss die Bundesregierung zur Amtshilfe bei der Vernehmung auffordert. Zuerst erfolglos, auch vor dem Bundesverfassungsgericht. Anders nun die Ermittlungsrichterin beim Bundesgerichtshof. Das einfache Recht verlange, dass die Ausschussmehrheit der Minderheit zu dem Recht verhelfe, die Bundesregierung zur Amtshilfe aufzufordern. Das bedeutet, sagt Martina Renner, Obfrau der Linkspartei im Ausschuss:
    "Dann ist die Bundesregierung gehalten, im Rahmen der Amtshilfe alles in die Wege zu setzen, dass Edward Snowden als Zeuge auch hier in Berlin erscheinen kann. Das heißt: Sicheres Geleit. Das heißt: Sicheren Aufenthaltsschutz. Und das heißt möglicherweise auch die Bejahung der Frage, dass ihm politische Strafverfolgung in den USA droht und er deswegen Auslieferungsschutz genießt."
    Der Bundesregierung stehen also unangenehme Entscheidungen und Erklärungen bevor. – Wenn sie nicht mit der Beschwerde gegen den Beschluss vorgeht. Patrick Sensburg, der Ausschussvorsitzende, hält das für möglich. Denn, so der CDU-Politiker:
    "Ich glaube, dass das Gericht sich hier sehr stark in die Verfahrens-Gestaltungsrechte des Ausschusses eingemischt hat mit seiner Entscheidung."
    Der Streit um den Zeugen Snowden geht weiter
    Es muss aber nicht bedeuten, dass Snowden tatsächlich in Berlin vernommen wird. Es gehe um eine Entscheidung der Bundesregierung, sagt Patrick Sensburg. Und die werde auch die außenpolitischen Folgen berücksichtigen. Der Ausschussvorsitzende verweist auf eine kürzlich ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das hatte gerade beschlossen, dass im konkreten Streit um die Selektorenlisten die Zusammenarbeit mit den USA höher zu gewichten ist als die Rechte des Bundestages.
    "Es hat also einen Abwägungsprozess gegeben, und noch stärker sehe ich diesen Abwägungsprozess, wenn wir auf der einen Seite Edward Snowden als Zeugen hätten, das wäre sicherlich eine intensive Beeinträchtigung der bilateralen Beziehungen. Und das wird zuerst die Bundesregierung sicherlich in einer Abwägung berücksichtigen. Und wenn es die Opposition angreift, dann wird auch da noch mal das Bundesverfassungsgericht entscheiden müssen."
    Es werden also noch viele Schritte gegangen werden im Streit um den Zeugen Snowden.