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Streit um Denominierung

Forschungspolitik. - Vor zwei Wochen wurden vier Forscherteams für den Deutschen Zukunftspreis 2008 nominiert, darunter Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover. Am Dienstag gab die Jury des Deutschen Zukunftspreises überraschend bekannt, dass das Team um Axel Haverich denominiert wurde.

Von Michael Engel | 28.10.2008
    Am 24. April dieses Jahres wurde das Team von Professor Axel Haverich für den Deutschen Zukunftspreis nominiert. Gestern nun zog die Jury die Nominierung überraschend wieder zurück. Zwar stehe das Innovationspotential außer Zweifel – so die knappe Begründung - gleichwohl habe sich aufgrund der Anmeldung neuer Ansprüche für die Jury die Notwendigkeit einer erneuten Bewertung ergeben: Zitat: "Dritte beanspruchen aufgrund ähnlicher Versuche ebenfalls Schutzrechte auf diesem Arbeitsgebiet". Die Jury habe angesichts der offenen patentrechtlichen Situation entschieden, die Nominierung zurückzuziehen. Professor Haverich reagierte heute in Hannover enttäuscht über diese Entscheidung.

    "Ich persönlich bin außerordentlich enttäuscht, aber genauso enttäuscht sind die vielen Mitarbeiter, die über die letzten zwölf Jahre an diesem Projekt gearbeitet haben, was zwischenzeitlich hochgelobt und jetzt so tief gefallen ist, wie man tiefer nicht fallen kann, indem man nämlich denominiert wird für einen Zukunftspreis."

    Haverich vermutet, dass eine Veröffentlichung in einer überregionalen Zeitung vergangenes Wochenende den Ausschlag für die Denominierung gab. Ein Herzchirurg der Berliner Charité hatte geäußert, ähnliche Versuche mit Herzklappen schon vor Haverich an menschlichen Patienten durchgeführt zu haben. Wissenschaftler aus Frankfurt kritisierten die ersten Operationen, die Haverich 2002 in Moldawien durchführte, als "Karnickelversuche an moldawischen Kindern". Professor Dieter Bitter-Suermann – Präsident der Medizinischen Hochschule Hannover – ist empört:

    "Zunächst einmal: die Medizinischen Hochschule Hannover ist nicht nur enttäuscht, sondern sie ist empört - empört über einen Versuch des wissenschaftlichen Rufmordes an einem unserer renommiertesten Wissenschaftlers, Professor Haverich, der seine Ergebnisse über jetzt praktisch mehr als ein Jahrzehnt kontinuierlich öffentlichkeitswirksam dargestellt hat und keinen Zweifel daran gelassen hat, dass das seine eigenen Ergebnisse sind und aller Mitarbeiter."

    Eine patentrechtliche Würdigung der Versuche mit mitwachsenden Herzklappen habe es seitens der Jury nicht geben, kritisiert Bitter-Suermann sichtlich erregt. So seien die Versuche des Berliner Herzchirurgen an erwachsenen Patienten durchgeführt worden, Patienten also, bei denen "mitwachsende Herzklappen" nicht notwendig seien, weil die Klappen bereits ausgewachsen sind. Haverich verwies heute in Hannover auf die lange zurückliegenden Forschungen mit den so genannten "dezellularisierten" Herzklappen.

    "Wir haben dann 1997 das erste Patent angemeldet für die Dezellularisierung von Herzklappen, und dieses Patent ist erteilt worden - 1997. Wir haben im gleichen Jahr die erste Publikation in Deutsch und ein Jahr später auf europäischer Ebene für die Dezellularisierung von Herzklappen getätigt. Aus meiner Sicht waren wir mit Sicherheit die ersten, die dieses Verfahren angewandt haben und zumindest waren wir die ersten, die das klinisch umgesetzt haben und den Nachweis führen konnten, dass die von uns entwickelten Herzklappen nach Implantation im Kindesalter mitwachsen."

    Die Medizinische Hochschule Hannover will jetzt alle juristischen Schritte einleiten, um rechtlich, aber auch wissenschaftlich die volle Reputation zurückzubekommen.