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Streit um Energiepolitik in NRW

Eigentlich war sich Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen beim Thema Energiewende einig. Doch nun fordert SPD-Wirtschaftsminister Garrelt Duin die Förderung fossiler Kraftwerke und die Befreiung für mehr Unternehmen von der EEG-Umlage. Die Grünen sehen einen Verstoß gegen den Koalitionsvertrag.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 23.10.2013
    Der Tonfall klingt dramatisch: Die nackte Not schlage ihm derzeit entgegen, so lässt sich Garrelt Duin in der Wirtschaftswoche zitieren, wenn er mit Kämmerern spreche. Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister meint damit die Kommunen in seinem Bundesland. Die bekommen die Krise der Energiekonzerne - zum Beispiel die hohen Verluste vieler Kraftwerke - ganz besonders zu spüren, denn viele Städte und Gemeinden haben Beteiligungen etwa bei RWE. Um die Krise abzumildern, schlägt Sozialdemokrat Duin nun neue Töne an: Er fordert unter anderem sechs Milliarden Euro an Subventionen für die Betreiber fossiler Kraftwerke. Es gehe schließlich um den Industriestandort NRW, so hatte der Minister schon vor wenigen Tagen im Landtag klargestellt:

    "Wir alle wollen eine nachhaltige Stromversorgung mit einem schnellstmöglich steigenden Anteil erneuerbarer Energien. Gleichzeitig braucht besonders das Industrieland Nordrhein-Westfalen Versorgungssicherheit. Und das heißt, auch wenn Wind nicht weht, Sonne nicht scheint, muss Stromversorgung jederzeit sicher bleiben."

    Um das zu gewährleisten, geht der Sozialdemokrat, der vor seiner Berufung ins NRW-Kabinett Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD war, noch zwei Schritte weiter. Garrelt Duin will außerdem mit Blick auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz mehr Betriebe als bisher von der EEG-Umlage befreien, und er will den Ausbau von Wind- oder Solaranlagen deutlich entschleunigen. Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen geißelt diese Vorschläge als Verstoß gegen den rot-grünen Koalitionsvertrag in NRW. Bestimmte Subventionen seien völlig ok, aber manche Branche werde bisher sogar zu stark geschont, meint Priggen:

    "Wir wollen eine Befreiung der EEG-Umlage bei Energieintensiven, das heißt Aluminium- und Stahl-Industrie zum Beispiel, die im internationalen Wettbewerb stehen. Es gibt neben der EEG-Umlage auch die Netz-Umlage, also für die Durchleitung von Strom. Da gibt es Befreiungs-Tatbestände, zum Beispiel für einen Golfplatz, weil der nachts bewässert wird. Für Lebensmittellager, für Betriebe wie McDonalds, also derartige Frittenbratereien, das passt alles nicht. Alles, was da freigestellt wird, müssen wir Verbraucher bezahlen. Und das treibt die Kosten hoch."

    So Reiner Priggen im WDR. Die Vorschläge des Wirtschaftsministers bezeichnet er als nicht akzeptabel, gerade auch, was den Ausbau der Erneuerbaren betrifft. Schließlich habe die rot-grüne Landesregierung sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 mehr als dreißig Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Derzeit seien es gerade einmal sieben Prozent. Reiner Priggen:

    "Auch Aussagen, wir wollen nicht mehr für Windräder bezahlen, die stillstehen… Das ist alles unter Niveau."

    Angesichts des Vorpreschens von Garrelt Duin fühlen sich die Grünen in diesen Tagen an frühere Zeiten erinnert, als die Koalitionspartner in Düsseldorf erbittert um die Kohle- und Energiepolitik stritten, dabei habe man gerade in den letzten drei Jahren doch gut zusammengearbeitet, sagt Reiner Priggen. Auch die SPD will den Streit offenbar nicht eskalieren lassen, aus China, wo er gerade auf Dienstreise weilt, ließ Garrelt Duin jetzt schriftlich erklären, die Landesregierung stehe zu den Ausbauzielen der Erneuerbaren Energien in NRW. Reiner Priggen will dennoch einen Zusammenhang zu den heute beginnenden Koalitionsgesprächen in Berlin nicht ausschließen:

    "Man kann doch jetzt nicht das, was wir jahrelang vertreten haben, beide. Und Sie müssen sich mal vorstellen, der Duin sitzt in Berlin für die SPD und verhandelt deren Wahlziel, Ausbau der Erneuerbaren auf 45 Prozent. Das ist 20 Prozent mehr als wir jetzt haben. Da kann man ja nicht das Gegenteil erzählen, vier Wochen nach der Wahl."

    Für die SPD wird übrigens Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Arbeitsgruppe Energie bei den Koalitionsgesprächen in Berlin leiten. Christ- und Sozialdemokraten sind in der Industrie und Energiepolitik gar nicht so weit auseinander. Für die Grünen in NRW könnte das noch unbequem werden.