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Streit um gleichgeschlechtliche Paare im Pfarrhaus

Sachsens Landeskirche einigte sich als eine der letzen evangelischen Kirchen in Deutschland auf eine Kompromissformel für homosexuelle Pfarrerpaare. Doch die Gegner lassen nicht locker: Sie wollen die Regelung kippen.

Von Wolfram Nagel | 28.02.2012
    "Also ich hab ja vorher nachgedacht, bevor ich in den Dienst der Landeskirche gegangen bin. Ich bin ja nicht blauäugig in eine Situation gegangen, von der ich vorher nicht wusste, was sie für mich, auch für meine Partnerschaft bedeutet. Wir sind auch der festen Überzeugung, dass eben in unserer Landeskirche Menschen unterschiedlicher Prägungen zu Hause sind, und waren deswegen durchaus in der Hoffnung, dass es für uns auch einen Platz in der Landeskirche geben wird und auch gibt."

    Seit sechs Jahren ist Katrin Jell Pfarrerin einer Kirchgemeinde in der sächsischen Schweiz. Ihre Beziehung zu einer Frau ist in der Kirchgemeinde bekannt und wird vom Kirchenvorstand akzeptiert. Der Kompromiss der sächsischen Kirchenleitung ermöglicht dem Paar nun sogar eine gemeinsame Zukunft im Pfarrhaus, was bisher in Sachsen absolut tabu war.

    "Das ist eine neue Möglichkeit, die sich für uns aufgetan hat, aber das ist definitiv so, dass wir unsere Partnerschaft eintragen lassen wollen. Wir sind seit zehn Jahren zusammen, da ist das legitim dann, das ganze juristisch fest zu klopfen."

    Im Jahr 2001 trat in Deutschland das Gesetz über die Eingetragenen Lebenspartnerschaft in Kraft. Als Reaktion darauf wurde Bediensteten der Sächsischen Landeskirche noch im selben Jahr untersagt, eine homosexuelle Beziehung im Pfarrhaus zu leben. Doch nachdem die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland Ende 2010 das Pfarrerdienstrecht bundesweit neu geregelt und in Paragraph 39 auch eine Öffnung der Pfarrhäuser für homosexuelle Paare ermöglich hatte, sah sich auch die sächsischen Landeskirche genötigt, einen Kompromiss zu finden.

    "Der Kompromiss sieht so aus, dass ein homosexuelles Paar im Pfarrhaus zusammen leben kann unter der Voraussetzung, dass der örtliche Kirchenvorstand einmütig damit einverstanden ist. Der zuständige Superintendent wird gehört. Wir möchten an dieser Stelle auf keinen Fall leichtfertig handeln."

    Für den sächsischen Landesbischof Jochen Bohl folgt damit auch die sächsische Landeskirche einem allgemeinen Trend. Mehr als ein Jahr lang hatte sich eine von der Kirchenleitung eingesetzte Arbeitsgruppe mit dem umstrittenen Thema befasst.

    "Es steht natürlich allen auf der kirchenleitenden Ebene vor Augen, dass die Auffassungen außerordentlich unterschiedlich sind. Und eine solche Polarisierung verlangt eben danach, dass man behutsam miteinander umgeht, und insofern hat das etwas Zeit gebraucht, es hat viel Zeit gebraucht, wollten wir es uns mit diesem Thema nicht zu leicht machen."

    Besonders aus dem pietistisch geprägten Erzgebirge dringt lauter Protest. Rund 130 Kirchgemeinden sind bereits der sogenannten Markersbacher Initiative gegen die Öffnung der Pfarrhäuser für homosexuelle Paare beigetreten. Nachdem die Kompromisslösung gefunden war, gründete sich darüber hinaus eine "Sächsische Bekenntnis-Initiative", die sich auch auf den offenen Brief der acht Altbischöfe um den emeritierten Lübecker Theologieprofessor Ulrich Wilckens stützt.

    Die Altbischöfe hatten eindringlich vor der Tolerierung von homosexuellen Pfarrerspaaren in Pfarrhäusern gewarnt. Sprecher der sächsischen Bekenntnis-Initiative gegen eine liberale Auslegung des Paragraph 39 ist der Markersbacher Pfarrer Gaston Nogrady. Er hofft, dass die sächsische Landessynode bei ihrer bevorstehenden Frühjahrstagung im April zur alten Regelung von 2001 zurück findet.

    "Es geht uns um die Schöpfung Gottes, um die Erschaffung des Menschen als Mann und Frau in ihrem gegenüber und ihrer Zuordnung, und dem besonderen Segen, den Gott auf die Verbindung von Mann und Frau gelegt hat. Es geht uns positiv um die Aufrechterhaltung von der Ehe von Mann und Frau als christliches Leitbild für die Beziehung, für die wir uns einsetzen und die wir im anderen Fall, jetzt der Öffnung der Pfarrhäuser für homosexuelle Beziehungen doch relativiert sehen."

    Gesellschaftlichen Entwicklungen dürften nicht per se Maßstab für kirchliches Handeln sein, so der evangelische Theologe. Höchster Maßstab für kirchliches Handeln sei vielmehr das Wort Gottes. Gerade die Pfarrer hätten hier eine wichtige Vorbildfunktion, erst recht in einem zunehmend säkularen Land wie Sachsen.

    "Gewiss sind Pfarrer keine besseren Menschen, als andere auch, aber dennoch sehen wir die Gefahr, dass das Leitbild von Ehe und Familie, das im Pfarrhaus gelebt wird, dass das durch eine Öffnung der Pfarrhäuser für homosexuelle Partnerschaften relativiert wird, dass die Ehe dann lediglich eine Lebensform neben anderen ist, und dem widersprechen wir."

    Die sächsische Landeskirche ist eine der letzen evangelischen Kirchen in Deutschland, die sich auf eine Kompromissformel für homosexuelle Pfarrerpaare verständigen konnte. In großen Flächenkirchen wie Hannover, Hessen-Nassau oder in der Rheinischen Kirche ist das kaum noch ein Streitthema.

    "Diese Praxis, die jetzt in Sachsen avisiert wird, gilt in vielen anderen Gliedkirchen schon seit Jahren oder gar Jahrzehnten. Und wenn in den Gemeinden, also die Kirchenvorstände einverstanden sind, dass es dann eigentlich kein Problem ist, dass Pfarrerinnen und Pfarrer in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften auch im Pfarrhaus leben. Und ich beobachte, dass das der Trend ist. Und die Entscheidung der sächsischen Kirchenleitung hat das bestätigt."

    Der entsprechende Passus im Pfarrerdienstgesetz lasse einen großen Spielraum zu, so Oberkirchenrat Reinhard Mawick, Sprecher des EKD-Kirchenamtes in Hannover.
    Die acht Altbischöfe hätten ja im vergangenen Jahr auch nicht das Gesetz an sich infrage gestellt, sondern vor allem kritisiert, dass der Paragraph 39 auch die Möglichkeit einer gleichgeschlechtlichen Beziehung zulasse.

    "Für uns als EKD ist es wichtig, dass Beziehungen im Pfarrhaus eben von Verbindlichkeiten, Verlässlichkeit, gegenseitiger Verantwortung geprägt sind, die sogenannten drei V, und darauf konnte man sich verständigen und nun muss man sehen, ob einige Landeskirchen das 'noch enger fassen', aber es gibt zunächst mal ein Dach, dass man Lebensformen gerecht wird und im Einzelfall auch zu guten Lösungen kommen kann."

    Auch die sehr stark pietistisch ausgerichtete evangelische Kirche von Württemberg suche nach einer Kompromissformel. Wie in Sachsen gebe es auch dort Auseinandersetzungen zwischen Traditionalisten und Reformern, so Mawick.

    "Das ist immer in Landeskirchen, wo es ein starkes Gefälle gibt und auch verschiedene Frömmigkeitstypen. In der Württembergischen Kirche ist das ganze als Gesetz nicht verabschiedet, wird aber sicher im Herbst dieses Jahres verabschiedet. Auch wir als Kirche leben ja in dieser Welt, auch mit den Lebensformen, die in unserer Welt sich immer mehr auch durchsetzen."

    Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich im Lande Martin Luthers am Ende doch noch die Traditionalisten gegen die Reformer durchsetzen. Zumindest gebe eine große Anzahl von Pfarrern und Gemeinden, die sich der sächsischen Bekenntnis-Initiative anschließen wollen, so der Markersbacher Pfarrer Gaston Nogrady.

    "Unsere Initiative ist eigentlich nicht mehr und nicht weniger als die Bitte an die Kirchenleitung und auch an die Synode bei diesem bisherigen Kompromiss von 2001 zu bleiben, in dem unter anderem enthalten ist, dass eine homosexuelle Partnerschaft nicht im Pfarrhaus gelebt werden darf."

    Allerdings gibt es auch eine Gegenbewegung. Mehr als 50 sächsische Pfarrer unterstützen eine Initiative zweier Superintendenten aus dem Leipziger Land, das Pfarrerdienstrecht zugunsten homosexueller Geistlicher noch weiter zu liberalisieren.