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Streit um Greenpeace-Aktivisten

Die Niederlande sind gegen Russland vor den Internationalen Seegerichtshof in Hamburg gezogen. Die Regierung in Den Haag fordert die sofortige Freilassung der rund 30 inhaftierten Greenpeace-Aktivisten und die Herausgabe des unter niederländischer Flagge fahrenden Schiffs Arctic Sunrise.

Von Kerstin Schweighöfer | 22.10.2013
    Es war die wichtigste Nachricht der niederländischen Tagesschau und beherrscht auch heute noch die Schlagzeilen: Die Niederlande sind gegen Russland vor den Internationalen Seegerichtshof in Hamburg gezogen. Das machte Außenminister Timmermans gestern am späten Nachmittag bekannt.

    Auf diese Weise will Den Haag erreichen, dass Russland die Mannschaft des unter niederländischer Flagge fahrenden Greenpeace-Schiffes Arctic Sunrise sofort freilässt und auch das beschlagnahmte Schiff wieder freigibt. Höchste Zeit, sagt Liesbeth van Tongeren von den niederländischen Grünen.

    Schließlich befinden sich die insgesamt 30 Greenpeace-Aktivisten, darunter zwei Niederländer, schon seit mehr als einem Monat in russischer Untersuchungshaft. In kleinen unbeheizten Zellen, Kontakte zur Außenwelt haben sie kaum. "Dafür werde ich ab und zu von einer Ratte besucht”, ließ die niederländische Aktivistin Faiza Oulahsen ihre Landsleute in einem handgeschriebenen Brief wissen, den sie dem niederländischen Konsul im Gefängnis überreichen konnte. Da sei jeder Tag einer zu viel, so die Abgeordnete van Tongeren.

    Die Greenpeace-Aktivisten hatten im September versucht, eine Ölplattform im Nordpolarmeer zu entern. Sie wollten gegen die Zerstörung der Arktis protestieren. Die schwer bewaffnete russische Küstenwache stürmte daraufhin das Schiff. Dabei sei unverhältnismäßig viel Gewalt angewendet worden, klagt die für die Kampagne verantwortliche Greenpeace-Mitarbeiterin Sanne van Keulen.

    Die Affäre um das Greenpeace-Schiff hat das niederländisch-russische Verhältnis stark belastet - und das ausgerechnet im Niederlande-Russland-Jahr 2013, mit dem die beiden Länder eigentlich ihre guten Beziehungen feiern und hervorheben wollten. Stattdessen ist es ein Jahr der Pannen und Skandale geworden.

    Das fing bereits im April an, als Präsident Putin zusammen mit der damaligen niederländischen Königin Beatrix in Amsterdam das Jubeljahr offiziell eröffnete. Es kam zu Demonstrationen gegen sein umstrittenes Anti-Homosexuellengesetz. Überall in der Stadt hingen unübersehbar Protestplakate. Der Amsterdamer Bürgermeister glänzte demonstrativ durch Abwesenheit.

    Einen Skandal verursachte auch die Festnahme des russischen Diplomaten Dimitri Borodin Anfang Oktober in Den Haag: Die Nachbarn hatten die Polizei alarmiert, es bestand Verdacht auf Kindesmisshandlung. Moskau sah in der Festnahme eine Verletzung der Immunität seines russischen Entsandten und forderte rechtliche Schritte gegen die Polizisten. Den Haag beließ es dabei, sich offiziell zu entschuldigen.

    Prompt wurde zehn Tage später in Moskau ein niederländischer Diplomat des gleichen Ranges in seinem Apartment schwer misshandelt. Die Täter: zwei als Elektriker verkleidete Männer. Die Polizei sucht noch nach ihnen. Für viele Niederländer war damit das Maß voll: Das Jubeljahr müsse vorzeitig beendet werden.

    "Wir sollten gut darüber nachdenken, ob wir die restlichen Programmpunkte noch durchziehen wollen”,"

    gab Michiel Servaes von der sozialdemokratischen Koalitionspartei PvdA zu bedenken.

    In einer Umfrage sprachen sich 43 Prozent aller Niederländer sogar dafür aus, den Russlandbesuch von König Willem Alexander und Königin Maxima abzublasen. Damit soll das Jahr Anfang November eigentlich glanzvoll abgeschlossen werden.

    Aber, so der linksliberale Abgeordnete Sjoerd Sjoerdsma:

    ""Das Jubeljahr ist misslungen, wir tun besser daran, den Stecker herauszuziehen."

    Soweit allerdings wird es wohl doch nicht kommen. Es stehen zu viele wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel. Außerdem, so betont Russlandkenner Marcel de Haas von der Universität Groningen: Der Demokratie und den Menschenrechten in Russland sei damit nicht gedient.