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Streit um Hymne und Flagge
Europa und die "staatstypischen" Symbole

Nur 16 EU-Staaten haben die Zusatzerklärung zum Vertrag von Lissabon unterschrieben. Darin bekennen sie sich zu den europäischen Symbolen nach dem Motto "In Vielfalt geeint". Dieser rechtlich nicht bindenden Erklärung will nun auch Frankreichs Präsident Macron beitreten.

Von Thomas Otto | 19.10.2017
    Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron spricht am 10. Oktober 2017 in Frankfurt am Main an der Johann Wolfgang Goethe-Universität. Das Thema der Festveranstaltung lautet "Debatte über die Zukunft Europas".
    Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron spricht am 10. Oktober 2017 in Frankfurt am Main an der Johann Wolfgang Goethe-Universität. Das Thema der Festveranstaltung lautet "Debatte über die Zukunft Europas". ((c) dpa)
    Zwölf gelbe Sterne, kreisförmig angeordnet auf blauem Grund. Die Instrumentalfassung von Beethovens "Ode an die Freude". Der neunte Mai als Europatag, die gemeinsame Währung Euro und der Leitspruch: "In Vielfalt geeint". So selbstverständlich wie in Deutschland sind die Symbole der EU nicht in jedem Mitgliedsstaat, meint CDU-Mann Elmar Brok, seit 37 Jahren Mitglied des EU-Parlaments:
    "Wenn ich mir vorstelle, dass inzwischen auch bei manchen europäischen Regierungschefs bei Pressekonferenzen es anfängt, was bei Herrn Trump ist, dass man dann zehn nationale Fahnen hinter sich hat, dann ist das eine Frage, ob das nicht doch etwas zu heftig ist."
    Symbole der EU sollten 2003 eigentlich in allen EU-Staaten festgeschrieben werden
    Beispiel Polen: Hier tritt die national-konservative PiS-Regierung nur noch vor polnischen Flaggen vor die Presse. Dabei sollten die Symbole der EU eigentlich in allen EU-Staaten festgeschrieben werden. So hatten es die Mitglieder des Verfassungskonvents 2003 vorgesehen.
    Abgeordnete des Europäischen Parlaments – wie Elmar Brok, Mitglieder der Nationalparlamente und nationale Regierungsvertreter arbeiteten eineinhalb Jahre an einer europäischen Verfassung. Zu ihnen gehörte auch die damalige PDS-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann.
    Sie erinnert sich, vor allem die skandinavischen Länder und Großbritannien hätten damals gegen die Verankerung der EU-Symbole gearbeitet. Deren Argumente konnte Kaufmann nicht nachvollziehen:
    "Sie wären das Symbol für eine Entwicklung der Europäischen Union hin zu einem Superstaat, den wir alle nicht wollen. Die nationale Souveränität darf nicht angetastet werden. Also die Symbole wurden wirklich symbolisch dafür, für unterschiedliche Europakonzepte."
    Es ging allerdings nicht nur um Symbole: Kritiker bemängelten unter anderem zu wenig demokratische Mitbestimmung und eine neoliberale Fokussierung der Verfassung auf die Wirtschaft. Die Kritik am Verfassungsvertrag führte am Ende zu seinem Scheitern. Erst lehnten die Franzosen Ende Mai 2005 die Verfassung in einem Referendum ab. Drei Tage später folgten die Niederländer.
    Vorm Europaparlament erklärte der niederländische Premier Jan Peter Balkenende im Mai 2007:
    "Ich habe Ihnen gegenüber angedeutet, dass es um die Frage geht, ob diese Symbole Teil einer Verfassung sein sollten. Sie sind lediglich Beispiele der Frage, ob wir an einer Verfassung arbeiten wollen oder Vertragsveränderungen bevorzugen. Darum geht es. Pflegen wir unsere Symbole, es geht um die Frage ob sie mit aufgenommen werden oder nicht."
    Eine Verfassung sollte es nicht mehr geben. Ende 2007 wurde anstelle der europäischen Verfassung der gestutzte Vertrag von Lissabon verabschiedet – und schließlich auch in allen EU-Staaten ratifiziert.
    "Dann hat man den Verfassungsvertrag umgeschrieben in den Vertrag von Lissabon, wieder in Vertragsform. Er beinhaltet aber 90, 95 Prozent von dem, was im Verfassungsvertrag drin stand, aber hat dann diese Symbole herausgenommen, diese Begrifflichkeiten herausgenommen, damit auf dieser Grundlage die Niederländer einen Grund hatten, jetzt noch mal darüber abzustimmen."
    Vertrag von Lissabon trat an die Stelle des gescheiterten Verfassungsvertrages
    Erinnert sich Elmar Brok. Und das mit Erfolg: Der Vertrag von Lissabon konnte schließlich am 1. Dezember 2009 in Kraft treten. Nun allerdings ohne dass darin die Symbole der EU festgeschrieben sind.
    Kaufmann: "Damals haben dann sechzehn Staaten gesagt: Wir unterschreiben jetzt eine Erklärung, die Anhang des Vertrages ist, dass für uns die Symbole – die Flagge, die Hymne, die Währung und das Motto 'In Vielfalt geeint' Symbole sind."
    Auch Deutschland gehört zu diesen sechzehn Staaten, anders als zum Beispiel Großbritannien, Polen, Dänemark, Schweden, Finnland, Estland oder Lettland. Dieser – rechtlich nicht bindenden – Erklärung will auf dem heute in Brüssel beginnenden EU-Gipfel auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beitreten und damit ein politisches Signal an die EU-Gegner in Frankreich senden.