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Streit um Kältemittel in Autos
CO2 als Klimaretter

Das bisher in Autos verwendete Kältemittel ist extrem klimaschädlich und soll vom Markt genommen werden. Um den Ersatzstoff gibt es allerdings Streit - im Rennen sind eine fluorhaltige Chemikalie mit dem Kürzel R1234yf und Kohlendioxid.

Von Dieter Nürnberger | 22.09.2014
    Eine Hand dreht in einem Daimler Erprobungsfahrzeug an einem Einstellrad einer Klimaanlage.
    Kklimaschädliche Gase können nicht nur aus dem Auspuff kommen, sondern auch aus der Klimaanlage, vor allem, wenn sie defekt ist. (Picture Alliance / dpa / Franziska Kraufmann)
    Noch steht der Fahrplan der EU zur Einführung des PKW-Kältemittels "R1234yf" - demnach darf nach bisheriger Rechtslage das alte klimaschädliche Kältemittel "R134a" ab dem Stichtag 1. Januar 2017 nicht mehr eingesetzt werden. Allerdings gilt auch das neue, deutlich klimafreundlichere Mittel nicht als der Weisheit letzter Schluss. Denn einige Studien halten "R1234yf" für brandgefährlich, weil es in Crashtests entflammte - eine Gefahr für Insassen und auch Rettungskräfte, so Experten. Die Skeptiker bekommen nun Unterstützung aus der Politik. So spricht sich inzwischen auch Michael Cramer, der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des EU-Parlaments für die Entwicklung einer Alternative, eines CO2-basierten Kältemittels, aus:
    "Bisher gab es nur die Untersuchung, dass die Hersteller gesagt haben, dass dies alles okay ist. Die anderen Untersuchungen, die belegt haben, dass dies gefährlich ist, die wurden nicht weiter zu Kenntnis genommen. Wir wissen aber auch, dass mit dem von der EU favorisierten Kältemittel die Hersteller praktisch eine Monopolstellung hätten. Das passt natürlich nicht zum europäischen Wettbewerb. Deshalb wollen wir das umweltfreundlichste und auch sicherste Kältemittel haben."
    Der grüne Politiker erkennt zwar an, dass die Klimabilanz von "R1234yf" deutlich besser ist, als beim bisherigen Kältemittel. Doch aus klimapolitischer Sicht sei die Verwendung von CO2 am besten. Unterstützung kommt hier auch vom Umweltbundesamt. Gabriele Hoffmann befasst sich schon seit Jahren mit den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Kältemittel.
    "'R1234yf' ist ein fluoriertes Mittel. Es hat zum einen eine schlechte Bilanz in der Herstellung, man braucht teure Rohstoffe und auch der Herstellungsprozess ist teuer. Wenn es in die Atmosphäre freigesetzt wird, bildet es Abbauprodukte, weil es eben nicht so lange stabil ist. Daher auch der niedrige Treibhauseffekt. Und die Abbauprodukte, vor allem Trifluoressigsäure. Diese Säure ist algengiftig und reichert sich im Meer und stehenden Gewässern an."
    Umweltbundesamt versus EU-Kommission
    Die Auseinandersetzung um das richtige Kältemittel dauert nun schon über acht Jahre an. Es ist auch ein Streit der Gutachter. Erst im Frühjahr wurde dies wieder mal mehr als deutlich. Die Bundesregierung hatte der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission, dem Joint Research Center JRC, einen Projektbericht des Kraftfahrtbundesamtes übermittelt. Doch die Bewertung der Brüsseler Behörde sorgte beim Umweltbundesamt für eine Enttäuschung. Gabriele Hoffmann:
    "Wir haben dem JRC mitgeteilt, dass wir nicht verstehen, wie sie aus einem Test, den sie selbst nicht durchgeführt haben und auch ohne neue Tests, eine andere Schlussfolgerung ziehen können. Nämlich, dass 'R1234yf' sicher einsetzbar wäre. Das Kraftfahrbundesamt hat im Grunde nur gesagt: 'R1234yf' ist nicht unsicher genug, dass wir es vom Markt nehmen müssen. Allerdings hätte man von einer wissenschaftlichen Behörde erwarten können, dass sie sich auch das Umfeld mit ansehen und sich zumindest die offenen Fragen auch anschauen. Zumal das Kraftfahrzeugbundesamt auch offene Fragen formuliert hatte."
    Michael Cramer, der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des EU-Parlaments, hofft nun auf ein Umdenken der Brüsseler Politik. Die Übergangsfrist, die bis Anfang 2017 gilt, müsse eventuell verlängert werden. Und für die dann temporäre Weiternutzung des alten und klimaschädlichen Kältemittels "R134a" könnte man von den Autoherstellern Kompensationszahlungen einfordern:
    "Als damals das Kältemittel, welches für die EU ab 2017 vorgesehen ist, eingeführt wurde und die Industrie noch nicht so weit war, da hat man ihnen eine Übergangszeit gestattet. Das sollte man jetzt auch für das neue Kältemittel, CO2, machen. Da braucht man eventuell zwei oder drei Jahre. Wir wollen nicht, dass dann deutsche oder andere Automobilhersteller dadurch finanziell begünstigt werden. Die sollen für die Verlängerung der Einführungszeit auch zahlen."
    Kompensationsleistungen für längere Verwendung von "R134a"?
    Auch in Deutschland wird "R1234yf" inzwischen längst in Klimaanlagen von Neuwagen eingesetzt. Mehr als Dutzend Hersteller verwenden es. Auf der anderen Seite verweigert sich bislang vor allem der Autobauer Daimler. Der Konzern hat anhand eigener Untersuchungen stets auf die Entflammbarkeit hingewiesen und erklärt, künftig auf CO2 zu setzen. Bis dahin will Daimler das alte, klimaschädliche Mittel "R 134a" weiterverwenden. Sprecher Christoph Horn:
    "Das ist also höchste Ingenieurskunst, die hier gefragt ist und auch der Einsatz von entsprechenden Investitionen. Die Zeit ist sehr knapp. Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass man nicht in der Lage ist, die gesamte Modellpalette zum Stichtag dann tatsächlich umzustellen. Eine Möglichkeit wäre dabei sicherlich Kompensationsleistungen zu erbringen - das ist allerdings etwas, was entsprechend mit der Politik verhandelt werden muss."
    CO2 ist als alternatives Kältemittel bereits in vielen Bussen erprobt worden. Doch bis zur Serienproduktion auch bei PKW wird es wohl noch eine gewisse Zeit dauern.