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Streit um Kataloniens Unabhängigkeit
Das große Schweigen

Eine Einigung zwischen Katalonien und der spanischen Zentralregierung scheint nicht in Sicht. Nun sind auch die informellen Gespräche zwischen den zerstrittenen Parteien zum Erliegen gekommen. Während sich Madrid für die Entmachtung der Regionalregierung rüstet, bereiten die Separatisten in Katalonien den zivilen Ungehorsam vor.

Von Burkhard Birke | 24.10.2017
    Hunderttausende protestieren in Barcelona gegen die Entscheidung der Zentralregierung in Madrid. Das Bild zeigt Flaggen und Transparente, Datum: 21.10.2017
    Großdemonstration in Barcelona gegen die Entscheidung der Zentralregierung in Madrid (imago)
    Was fürs Familien- und Zusammenleben schlecht ist, wäre für die Lösung des politischen Konfliktes gut. Zwei Fünftel der Katalanen haben laut Umfrage aufgehört, über die Unabhängigkeit zu reden, weil fast drei Fünftel glauben, dass dadurch das harmonische Miteinander gestört wird. Irritierend ist indes, dass auch zwischen den Regierungen in Madrid und Barcelona offensichtlich absolute Funkstille herrscht, selbst auf geheimen Kanälen.
    "Aus Regierungskreisen verlautet, es gäbe keinerlei Verhandlungen", sagt Jordi Roigé, gut vernetzter früherer Programmchef bei Radio Catalunya in Barcelona. Und in Madrid bestätigt die stellvertretende Ministerpräsidentin Soraya Sáenz de Santamaria:
    "Nein, es gibt keine Kontakte. Wir haben den Artikel 155 am Samstag in Kraft gesetzt und kennen nur die öffentlichen Reaktionen der Mitglieder der katalanischen Regierung."
    Showdown im Senat?
    Selbst mit den Terroristen der ETA wurden einst Verhandlungen geführt. Im Katalonien Konflikt verweist die amtierende Regierung jetzt auf den Senat. Der ist nämlich mittlerweile Herr des Verfahrens. Am Freitag will das Plenum über die von der Regierung vorgeschlagenen Zwangsmaßnahmen entscheiden. Der katalanische Präsident und die gesamte Regierung sollen abgesetzt, das Regionalparlament soll quasi entmachtet werden und die Kontrolle über Polizei und öffentliche Medien auf Madrid übergehen. Zuvor kann und will der Senat aber den katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont anhören.
    "Es wäre eine große Genugtuung und sehr positiv, wenn der Präsident der Generalitat vor diesen Ausschuss träte, um seine Position zu verteidigen", unterstrich der Vizepräsident des Senats, Pedro Sanz. Noch gibt es keine Bestätigung, aber vieles spricht dafür, dass Puigdemont das Angebot annimmt.
    Puigdemont kurz vor der Entmachtung
    Theoretisch hätte er bis Freitag einschließlich Zeit. Am Donnerstag will das katalanische Regionalparlament zusammentreten. Einziger Tagesordnungspunkt: Die Reaktion auf das, was viele Separatisten als Staatstreich bezeichnen und was für die Volkspartei und Ciudadanos, aber auch die Sozialisten die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung ist.
    Zwei Optionen liegen auf dem Tisch: Entweder die Hardliner setzen sich durch und das Parlament ruft die unabhängige Republik Katalonien aus. Oder Carles Puigdemont hört auf die Wirtschaftsverbände und moderaten Kräfte seines Lagers und kündigt Neuwahlen ohne verfassungsgebenden Charakter an. Letztere Option ist wohl die einzige, mit der die Entmachtung noch verhindert werden könnte.
    "Wenn Präsident Puigdemont Wahlen ausruft, dann nur, wenn er irgendeine Vereinbarung mit dem spanischen Staat vorweisen kann", glaubt der Publizist Jordi Rogié. Wie soll aber eine Vereinbarung zustande kommen, wenn absolute Funkstille herrscht? Somit rüstet sich Madrid für die Entmachtung der Regionalregierung und die Separatisten in Katalonien bereiten den zivilen Ungehorsam vor. Für Sonntagmittag ist bereits wieder eine Großdemonstration anberaumt - alles deutet weiter auf Konfrontation. Von Entspannung keine Spur.