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Streit um "Komm, Frau!"

Keine 24 Stunden stand das Denkmal. Es sollte an die Vergewaltigungen erinnern, die an den Frauen von Gdansk durch Soldaten der Roten Armee begangen wurden. Russland protestierte, aber auch Bürger der Stadt kritisierten die Aktion, denn das Werk zeigt drastisch eine Missbrauchsszene.

Von Sabine Adler | 19.10.2013
    Keine 24 Stunden stand das Denkmal mit dem Titel "Komm, Frau!”. Hier wird es gerade abgeräumt. Samt dem roten Sockel, mit dem die fast weißen Skulpturen einen dramatischen Kontrast bildeten. Es stellt eine schwangere Frau dar. Liegend, zwischen ihren Beinen mit heruntergelassner Hose ein sowjetischer Soldat. Er hat ihr die Pistole in den Mund geschoben, mit der anderen Hand reißt er sie an den Haaren. Die Szene hunderttausendfach geschehen, der Anblick kaum zu ertragen. Grotesk, wie das Denkmal nun am Haken eines Krans hängt und über der Ladefläche des LKW schwebt.

    "Vielleicht muss man darüber diskutieren, aber nicht auf solche Weise, sagt diese Passantin in Gdansk, die zu jung ist, um damals potentielles Opfer gewesen zu sein. Sie findet, dass der Anblick abscheulich, unangenehm ist, sie sich das jedenfalls nicht ansehen möchte."

    Jerzi Bohdan Szymczuk, ein 26-jähriger Student an der Gdankser Akademie der Schönen Künste hat das Denkmal im Stil des Sozialistischen Realismus gestaltet und in der Nacht von Samstag auf Sonntag direkt dem sowjetischen Panzer T 134 platziert. Einen besseren Ort dafür hätte er sich nicht vorstellen können, denn in einer Galerie sehe es ja nur Künstler, nicht normale einfache Leute. Dazu sei das Thema zu wichtig, ihn jedenfalls habe es nicht mehr losgelassen.

    "Die Skulptur zeigt rohe Gewalt, ohne jedes Verschweigen, ohne jedes Ausweichen. Ich musste sie einfach machen. Als ich die Figuren angefertigt habe, musste ich oft weinen. Ich habe regelrecht Angst vor der Skulptur. Andere können vielleicht nicht darüber sprechen, aber ich kann das Thema nicht verschweigen. Das freut mich nicht, im Gegenteil, mich quält es."

    Das Denkmal löste scharfe Reaktionen in der russischen Gemeinde in Polen aus. Der Botschafter Alexander Aleksejew protestierte in einer schriftlichen Erklärung, in der es heißt, dass die Skulptur die russischen Bürger kränkt und die über 600 000 sowjetische Soldaten beleidigt, die gekämpft haben für die Freiheit und Unabhängigkeit Polens.

    Dass die Rote Armee ihrem Land die Unabhängigkeit gebracht haben soll, sehen wohl die allermeisten Polen anders und denken dabei an die Jahrzehnte, in denen Polen auf Geheiß der Sowjetunion sozialistisch sein musste.

    Deswegen widerspricht Andrzej Halicki von der Regierungspartei Bürgerplattform dem russischen Botschafter in Warschau.

    "Ich bin nicht ganz damit einverstanden, dass die Rote Armee die Freiheit für Polen brachte."

    Mehrere Historiker geben dem Künstler recht, die Massenvergewaltigungen von Frauen durch Soldaten der Roten Armee seien zu lange verschwiegen worden.

    Jan Daniluk, vom IPN, dem Institut für Nationales Gedächtnis:

    "Offensichtlich haben die Ereignisse, die hier leider tatsächlich stattgefunden haben, den Künstler inspiriert. Kriege sind Zeiten der großen Degenerationen, Bestialität und des Verbrechens. So war es im Zweiten Weltkrieg, so geschah es hier im März und Anfang April 1945."

    Marcin Zarêba, vom Historischen Institut der Universität Warschau erklärt:

    "Besondere dort, wo sich die Deutschen am längsten verteidigt haben, kam es zu Erschießungen von Deutschen und zu Vergewaltigungen. In Gdansk betraf das deutsche Frauen, aber auch polnische und russische Zwangsarbeiterinnen."

    Gerhard Olter von der deutschen Minderheit in Gdansk kann dem Denkmal nichts abgewinnen, auch wenn es einen historisch richtigen Sachverhalt thematisiert.

    "Die Skulptur widerte mich an. Das in dieser Form darzustellen ist heute, 70 Jahre nach dem Krieg, unangebracht."

    Der Künstler muss eine Verurteilung wegen Volksverhetzung nicht mehr fürchten, die Staatsanwaltschaft hat die Klage fallengelassen. Möglich, dass die Polizei in der illegalen Installation eine Ordnungswidrigkeit sieht, sie hat das Denkmal als Beweisstück jedenfalls erst einmal sichergestellt.