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Streit um Luftverschmutzung in Hamburg

Ganz schön dicke Luft für Europas "Umwelthauptstadt 2011": In Hamburg gibt es immer wieder zu viele Schadstoffe in der Luft, vor allem die Grenzwerte für Stickoxide werden regelmäßig überschritten. Dabei schmückt sich die Hansestadt gern mit einem grünen Image. Von der Einführung von Umweltzonen hält der Senat bislang jedoch nichts.

Von Verena Herb | 12.06.2012
    Ein Nachmittag in der Hamburger Innenstadt – tagtäglich stehen die Autos dicht an dicht, zu Stoßzeiten geht es nur langsam weiter auf den Straßen. In den Abgasen der Wagen: gefährliches Stickstoffdioxid, das Menschen krank machen kann – erklärt Manfred Braasch, Geschäftsführer des Umweltverbandes BUND in Hamburg:

    "Karten zeigen, dass ungefähr 220.000 Menschen davon betroffen sind. Vor allem im innerstädtischen Bereich. Hamburg liegt auf dem traurigen Platz 3 der Großstädte in Deutschland mit der größten Stickoxidbelastung."

    Hinter Stuttgart und München, wo die Werte noch höher liegen. Das Problem ist aus medizinischer Sicht recht schwerwiegend: Stickstoffdioxid dringt bis in die feinsten Verästelungen der Lunge vor. So könne etwa Bronchitis ausgelöst werden, aus der sich Asthma oder andere chronische Lungenerkrankungen entwickeln können.
    Seit Jahren schon ist die Problematik der erhöhten Luftbelastung durch Stickstoffdioxid bekannt: Zum 1. Januar 2010 hatte die Europäische Kommission bereits den Grenzwert für die schädliche Belastung auf 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft festgelegt. In der Hansestadt wird der Grenzwert an vielen Messstationen mit Werten von bis zu 83 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft weit überschritten. Schon seit Jahren fordern Umweltverbände: Die Politik muss dagegen steuern: BUND-Hamburg-Geschäftsführer Manfred Braasch:

    "Die Politik muss aus meiner Sicht einen sehr klaren ordnungspolitischen Rahmen setzen. Umweltzone und Citymaut sind hier solche Instrumente, die an anderen Worten auch funktionieren, die eine Reduktion bringen."

    Doch der SPD-Senat in Hamburg lehnt die Einführung von Umweltzone und Citymaut strikt ab. Kerstin Graupner, Pressesprecherin der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt:

    "Citymaut und Umweltzone bringen leider doch nicht die Ergebnisse, die man sich erhofft hat. Also andere Städte zeigen, dass eine Senkung von drei Prozent der Stickoxid-Ausstoße nur erreicht werden können und auch die Belastung an den Randgebieten dadurch dann zunimmt, weil die Autos dann dort ja auch stehen bleiben."

    Statt dessen helfe nur ein ganzes Paket an Maßnahmen, so die Behördensprecherin: Hamburg habe dazu im Luftreinhalteplan 30 Maßnahmen aufgelistet, wie eine Reduzierung der Stickoxid-Belastung erreicht werden soll: Zum Beispiel durch Ausbau und Verbesserung des ÖPNV, die Fahrzeugflotte der Stadt Hamburg solle auf Elektroautos umgestellt werden und überhaupt setzt man an der Elbe auf Elektromobilität: 5000 Elektrofahrzeuge sollen bis 2015 auf Hamburger Straßen unterwegs sein. Dieses Projekt liegt noch in weiter Ferne. Wohl deshalb ist auch gleich unter der Auflistung der Maßnahmen zu lesen: Zitat: "Eine flächendeckende Einhaltung des Stickoxid-Immissionsgrenzwerts bis zum Jahr 2015 kann mit den geplanten lokalen Maßnahmen nicht gewährleistet werden." Behörden-Sprecherin Kerstin Graupner:

    "Es gibt nicht das Rezept schlechthin dagegen. Es ist einfach noch nicht erfunden worden."

    Dennoch hat Hamburg hat bei der Europäischen Kommission einen Antrag auf eine Fristverlängerung zur Einhaltung der Grenzwerte bis 2015 eingereicht. Mitte Juli wird die EU-Kommission entscheiden, ob sie dem Antrag stattgeben wird. Ansonsten drohen Strafzahlungen in Millionenhöhe. Hamburgs Umweltbehörde jedenfalls gibt sich gelassen. Schließlich sei man in guter "schlechter" Gesellschaft, denn

    "Mehr als 120 Städte bundesweit aus allen Bundesländern haben eine solche Fristverlängerung ebenfalls beantragen müssen. Das Hauptproblem ist der Straßenverkehr. Und das ist kein Hamburger Problem, sondern das ist tatsächlich ein gesamtgesellschaftliches Problem, wie eben auch die Zahl zeigt, dass eben auch andere Städte bundesweit betroffen sind."

    Der BUND will den Druck auf die Hamburger Politik erhöhen und hat eine Volkspetition gestartet. 10.000 Unterschriften sind notwendig, damit sich die Bürgerschaft mit dem Problem befassen muss und eine erneute Diskussion in Gang kommt. Sollte die EU der Fristverlängerung Hamburgs statt geben, wird der BUND eine Klage vor dem Verwaltungsgericht prüfen.