Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Streit um UKW-Tausch
Pop statt Beethoven

Der Bayerische Rundfunk will seine Jugendwelle "Puls" demnächst auf der UKW-Frequenz von "BR-Klassik" senden, um die Reichweite zu steigern. Die bayerischen Privatradios fürchten dadurch eine größere Konkurrenz und sehen sich in ihrer Existenz bedroht – nun muss Karlsruhe entscheiden.

Von Susanne Lettenbauer | 27.07.2017
    Ein Schild mit dem Logo des Bayerischen Rundfunks steht am Donnerstag vor dem Funkhaus und Sitz des Bayerischen Rundfunks in München.
    Startete als erster Sender ein Drittes Fernsehprogramm, der Bayerische Rundfunk. (picture alliance / dpa / Tobias Hase)
    Die Verkündung vor dem Kartellsenat des Oberlandesgerichts München fiel heute morgen kurz und knapp aus: Der Bayerische Rundfunk darf seinen Jugendsender künftig auf UKW ausstrahlen. BR-Klassik verschwindet aus dem bisherigen UKW-Bereich und ist künftig nur noch per DAB+, im Internet sowie über Kabel und Satellit zu empfangen. Die Richter bestätigten damit die jüngste Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes. Eine Popularklage der bayerischen Privatradios gegen den BR war dort bereits vergangene Woche abgewiesen worden.
    Wettbewerbsverzerrung zugunsten des BR
    Nachvollziehen können die Kläger die Entscheidung nicht. Ihr Vertreter Christoph von Hutten sagte: "Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen die Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags, der verbietet wörtlich: der Austausch eines in digitaler Technik verbreiteten Programms gegen eines in analoger Technik verbreiteten Programms ist nicht zulässig".
    Im Übrigen handele es sich bei dem Frequenztausch um eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, so von Hutten. Dieser werde von staatlich festgelegten Gebühren finanziert, während sich die Privatradios auf dem freien Markt behaupten müssten.
    Tatsächlich wurde das Gesetz bereits aber auf Vorschlag des BR und des Grundsatzausschusses des Medienrates geändert. Sämtliche von den Klägern bereits angerufenen Gerichte entschieden zugunsten des BR. Der Bayerische Rundfunk begrüßt erwartungsgemäß die Entscheidung. Einmal mehr sei entschieden worden, dass der Tausch der Frequenzen zulässig sei, so BR-Justiziar Albrecht Hesse: "Die haben den Artikel 2, Absatz 4 des Bayerischen Rundfunkgesetzes angewendet, worin ja steht, dass wir wechseln dürfen, wenn sich die Zahl der UKW-Programme nicht erhöht und keine Mehrkosten entstehen und diese Voraussetzungen halten wir ein."
    Entscheidungen mit Blick auf die Grundversorgung
    Bereits im Juni 2016 hatte das Landgericht München bestätigt, dass der Bayerische Rundfunk alle Altersgruppen im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Grundversorgung erreichen müsse. Das sei derzeit nicht immer gegeben, betont Hesse: "Die Hörfunkprogramme des BR haben zwar insgesamt eine gute Reichweite, wenn wir uns aber die Verteilung über die verschiedenen Altersgruppen anschaut, dann müssen wir feststellen, dass unterhalb von 50 Jahren nur noch unser Programm Bayern 3 nennenswerte Reichweite erzielt und da kann man natürlich nicht tatenlos zusehen."
    Der Kampf um die junge Hörerschaft wird in Bayern seit über drei Jahren geführt. Die Furcht der privaten Anbieter, der BR-Jugendsender PULS könnte sich dem Mainstream annähern - und somit zur Konkurrenz für sie werden - hat sich seitdem nur noch verstärkt, so ihr Vertreter von Hutten: "Wir gehen davon aus, dass eine zusätzliche Reichweite von rund 500.000 Hörern erzielt wird, die verlieren die Privaten und damit verlieren die Privaten in gravierendem Umfang Werbeerlöse."
    Alle Rechtswege ausnutzen
    Zur heutigen Entscheidung wurde vom Oberlandesgericht München Revision zugelassen. Man werde alle Rechtswege ausnutzen, um doch noch die Frequenzwechsel zu verhindern, betont der Anwalt der Privatradios Axel von Walter: "Also wir werden in Revision gehen und dann wird das in Karlsruhe zu klären sein, was auch den Charme hat, dass das außerhalb von Bayern geklärt werden kann."
    Solange will und muss auch der Bayerische Rundfunk abwarten. Das Ziel, im Jahr 2018 BR Klassik vom UKW-Netz zu nehmen und Wagner-, Tschaikowski-, Schumann- oder Beethoven-Klänge durch Popmusik zu ersetzen, verschiebt sich damit auf unbestimmte Zeit.
    Unklar bleibt trotz allem: Warum wechselt ausgerechnet ein Jugendradio ins Auslaufmodell UKW, während die älteren Hörer zu DAB+ wechseln sollen. BR-Justiziar Hesse: "Inzwischen ist der Gerätemarkt so entwickelt, dass es für alle Empfangssituationen Geräte gibt, wo ich sagen würde, dass ist ohne weiteres zumutbar. Wenn ich mir anschaue, welche Gelder für irgendwelche HD, 4K-Breitbildfernseher alle paar Jahre auf den Tisch gelegt werden, dann finde ich 40 oder 50 Euro für ein Küchenradio das ist doch zumutbar, wenn man dann einen programmlichen Mehrwert hat."
    Der Ausbau der DAB+-Abdeckung in Bayern könnte außerdem bis zu einer endgültigen Entscheidung fast abgeschlossen sein. Bis dahin geht der Kampf um die jungen Hörer weiter.