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Streit wegen Braunkohle
Tagebaue belasten Spreewasser

Die Braunkohle-Tagebaue in der Lausitz sorgen wieder für Streit zwischen Berlin und Brandenburg: Sie belasten die Spree mit Sulfat, das Durchfall und Erbrechen auslösen kann. Die Hauptstädter bangen um ihr sauberes Trinkwasser und die rot-rote Regierung in Brandenburg um qualifizierte Jobs, die in der Lausitz an den Tagebauen hängen.

Von Vanja Budde | 06.08.2015
    Bräunlich-Rot ist das Wasser eines Bachs am 10.01.2013 am Naturspreewaldhafen in Ragow nahe Lübben (Brandenburg) gefärbt. Nach dem Ende vieler Lausitzer Braunkohletagebaue macht ansteigendes Grundwasser Mensch und Natur zu schaffen. So verfärbt sich das Wasser im Oberlauf der Spree bräunlich.
    Bräunlich-Rot ist das Wasser eines Bachs am 10.01.2013 am Naturspreewaldhafen in Ragow nahe Lübben (Brandenburg). (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    In zwei großen Reisebussen sind sie unterwegs: Die Mitglieder der Wirtschaftsausschüsse in den Parlamenten von Berlin und Brandenburg. In der Lausitz wollen sie sich ein Bild machen vom Kohle-Abbau und seinen Folgen. Erster Stopp: Diese Einleitungsstelle von Grubenwasser aus dem aktiven Tagebau Welzow Süd I - nicht weit von Cottbus. Die Berliner sind auf Krawall gebürstet: Der Geohydrologe Thomas Koch vom schwedischen Bergbaubetreiber Vattenfall hat einen schweren Stand.

    "Ich würde jetzt gerne noch mal zu den Sulfat-Werten etwas fragen. Was für Schäden hat das auch gerade für Berlin? Wie viel Sulfat wird hier in die Gewässer aus den Tagebauen eingeleitet? Und was kommt aus der Grubenwasserbehandlungsanlage raus?"
    Der Vattenfall-Experte reagiert geschmeidig, wenngleich sein beharrliches Lächeln etwas gezwungen wirkt. "Wir sehen das gemeinsam mit den Berliner Wasserbetrieben als ein wichtiges Thema an. Probleme lösen wir in der Lausitz. Es werden nächstes Jahr zwei weitere große Wasserspeicher im Kontext der Braunkohlesanierung in Betrieb gehen, sodass wir da auch weitere Mengensteuerung vornehmen können, sodass sich damit auch weiter das entfrachtet."
    "Probleme lösen wir in der Lausitz": Das ist so ein typischer Vattenfall-Satz. Das Sulfat wird eben verdünnt und ist ebenso beherrschbar, wie überhaupt alle Umweltfolgen der Tagebaue, meint der Kohle-Konzern damit. Und versichert, dass der für Trinkwasser zulässige Grenzwert von 250 Milligramm pro Liter in den Berliner Wasserwerken nicht überschritten wird. Doch die Berliner sind nicht überzeugt: Schließlich steigen die Sulfatwerte in der Spree. Die Brandenburger Organisatoren der gemeinsamen Busreise haben alle Mühe, die Kollegen zu bändigen und wieder in die Busse zu verfrachten - zur Grubenwasserbehandlungsanlage.

    "Wir reinigen hier also am Tag 35.000 Kubikmeter Wasser", sagt Ingolf Arnold, Leiter der Geotechnik bei Vattenfall. Doch nur vom Eisen, das die Fließgewässer rund um die Tagebaue rotbraun färbt. "Die Anlage ist nicht in der Lage, Sulfat aus dem Wasser zu holen." Das sei aber nicht so schlimm, sagt Arnold, denn dank dieser neuen Anlage laufe die Substanz nun nicht mehr wie früher einfach in die Spree und erreiche 15 Tage später Berlin, nein: "Mit dieser Anlage verteilen wir das Wasser mit diesem Sulfat hier oben in der Landschaft. Das Sulfat kommt ja von hier. Und wir versickern das hier wieder im Erdreich, das soll also hier in der Lausitz bleiben und sich nicht auf den Weg nach Berlin machen."
    Silke Gebe schaut zweifelnd in die rostbraune Brühe in den Becken. Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus hat sich Anfang des Jahres gemeinsam mit allen anderen Abgeordneten über die Parteigrenzen hinweg gegen den geplanten Ausbau des Tagebaues Welzow Süd II ausgesprochen. Von der Brandenburger Landesregierung erwartet sie: "Dass sie gemeinsam mit uns eine Energieplanung machen, die den Weg in die Erneuerbaren zeigt, damit keine weiteren Tagebauen eröffnet werden. Und auch dafür zu sorgen, dass die aktuellen Tagebaue mit 'ner Perspektive geschlossen werden, um da eben keine weiteren Verschmutzungen zu haben."
    In Brandenburg beißt man mit solchen Ansinnen auf Granit. Trotz Energiewende: 10.000 Arbeitsplätze hängen in der Lausitz weiterhin von der Kohle ab. Weshalb Brandenburgs Wirtschafts- und Energieminister Albrecht Gerber von der SPD auch mit im Bus sitzt, der jetzt das Städtchen Welzow am Rand des Tagebaus ansteuert. "Wir sind der Auffassung, dass wir in der Energiewende die Braunkohle weiter brauchen, um eine sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung zu haben. Auch Berlin ist angewiesen auf den Strom aus der Braunkohle. Wenn Berlin sich alleine versorgen wollte - wenn Berlin sich alleine versorgen will mit ihren zwei Windrädern, da kommen sie nicht weit."
    Am Rand von Welzow steht der Protest Spalier: Diejenigen, die den Ausbau des Tagebaues verhindern wollen, weil dann Ortsteile von Welzow weggebaggert würden, verteilen Flugblätter. "So ein Mist." Darüber regen sich ihre Nachbarn auf, die für die Kohle sind. Belastetes Trinkwasser? So'n Quatsch, meinen die Befürworter. "Fahren Sie mal nach Schwarze Pumpe ins Wasserwerk. Alles Wasser, was hier gefördert wird, wird dort gereinigt. Alle trinken wir das Wasser aus diesem Tagebau. Supersauberes Wasser. Die Region lebt von der Kohle. Alleine Welzow: Alles, was hier gebaut worden ist den letzten Jahren, was hätten wir ohne Kohle gehabt? Ein mieses Dorf, wie es nach der Wende war, so würde es hier aussehen. Alle leben hier von der Kohle, die ganzen Handwerker, das ganze Gewerbe, die ganzen Betriebe."
    "Weiter gibt’s ja nichts!" - "Das wird alles platt gemacht. Und der Steuerzahler, der kleene Mann, der zahlt die Zeche dafür!"

    Die Abgeordneten eilen verschreckt zu den Bussen, die sie zurückbringen werden nach Potsdam und nach Berlin. Der Disput der Welzower untereinander aber geht weiter. Der Kohlestreit entzweit nicht nur Bundesländer, sondern auch die Städte und Dörfer der Lausitz.