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Streng vertraulich

Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information, doch wie die Behörden diesem Recht nachgeben, blieb lange Zeit den Ämtern überlassen: So manche gab nur knappe mündliche Informationen heraus, Akten durften selten eingesehen werden. Das Informationsfreiheitsgesetzt hat das geändert. Doch manche Behörde weigert sich trotzdem noch, Journalisten Schriftstücke vorzulegen.

Von Brigitte Baetz | 26.07.2008
    "Ich hab mich beraten lassen vom Landesamt für Datenschutz und Informationsfreiheit, die mich ermutigt haben, den Klageweg zu gehen. Mit Hilfe des Deutschen Journalisten Verbandes bin ich den Weg dann gegangen. Der DJV bezahlt seitdem die Anwaltskosten und eine Anwaltskanzlei informiert mich immer, mittlerweile seit Jahren über den Stand bei den Gerichtsverhandlungen."

    Der freie Journalist Haiko Lietz recherchiert über das umstrittene, sogenannte Cross Border Leasing. Deutsche Gemeinden vermieten öffentliches Eigentum an private ausländische Investoren und mieten es wieder zurück. Lietz stellte bei den Städten Recklinghausen und Gelsenkirchen Antrag auf Einsicht in die Verträge. Er wollte wissen: Wer sind die Nutznießer? Peinlich für die Kommunen, denn sie hatten ihren amerikanischen Vertragspartnern zugesichert, dass deren Namen nicht veröffentlicht werden. Aber hat die Öffentlichkeit nicht ein Recht darauf, zu wissen, wer an ihrem Eigentum verdient? Bislang anscheinend nicht, denn die Behörden blocken ab, aber Lietz lässt nicht locker.

    Seit Januar 2002 gilt in Nordrhein-Westfalen das Informationsfreiheitsgesetz. Nicht nur Journalisten, alle Bürger haben ein Recht auf Einsicht in Informationen der Verwaltung. Während sie bisher begründen mussten, warum sie etwas wissen wollten, müssen nun die Behörden darlegen, warum sie eine Information nicht preisgeben wollen. Seit 2006 gilt ein ähnliches Recht auch auf Bundesebene, gegen viele Widerstände durchgesetzt unter anderem vom Journalistenverein Netzwerk Recherche und ihrem Vorstandsmitglied Manfred Redelfs.

    "Das qualitativ Neue bei dem Informationsfreiheitsgesetz ist nun, dass Journalisten dort als Antragsteller die Form des Informationszuganges selber wählen können. Sie können sich also entscheiden, recherchieren sie unter Zeitdruck, wollen deshalb eine schnelle mündliche Auskunft am Telefon, wollen sie selber in die Akten gucken, wobei sie ja möglicherweise Dinge finden, die ihnen der Pressesprecher nie freiwillig erzählt hätte, wollen sie Kopien zugeschickt haben, weil sie vielleicht gar nicht zu dem Amt anreisen können, wenn es in einer anderen Stadt ist, wollen sie eventuell auch elektronische Daten. Die Auswertung großer Rohdaten der Verwaltung ist im Prinzip nach diesem Gesetz möglich. In anderen Länder wie den USA nach den dortigen Informationsfreiheitsgesetzen ist das schon gängige Praxis und das eröffnet ganz neue Recherchemöglichkeiten."

    Der Reporter einer Lokalzeitung im amerikanischen St. Louis beispielsweise glich die Namen aus dem Wahlregister der Stadt mit dem Sterberegister ab und konnte so massiven Wahlbetrug nachweisen. Erstaunlich viele Tote hatten jahrelang weiter ihre Stimmen abgegeben. In einem anderen Fall erstritt sich ein Redakteur des "Stern" Einsicht in Unterlagen deutscher Bundesministerin, so Manfred Redelfs:

    "Hans-Martin Tillack vom "Stern" hat eine wunderbare Geschichte gemacht über das Sponsoring bei Bundesministerien, hat alle Bundesministerien unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz unter Legitimationsdruck gesetzt, wie eigentlich private Unternehmen zum Beispiel Sommerfeste dieser Ministerien finanzieren. Und da stellte sich heraus, ein Sponsor des Sommerfestes auf der Hardthöhe ist zum Beispiel Airbus, was nicht sein kann, dass ein großes Rüstungsunternehmen ausgerechnet Veranstaltungen des Verteidigungsministeriums finanziell unterstützt. Das ist ein ganz klarer Interessenkonflikt."

    Behörden, die mit der Tradition des Amtsgeheimnisses über Jahrzehnte hinweg wissbegierige Journalisten abblocken konnten, tun sich bis heute schwer mit dem neuen Gesetz. Und Journalisten helfen nicht gerade mit, dort einen Kulturwandel durchzusetzen, nur wenige beantragen Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz und die meisten scheuen bei Ablehnung das Nachhaken, obwohl die Bundes- beziehungsweise Landesbeauftragten für den Datenschutz kostenlose Hilfestellung leisten.

    Haiko Lietz allerdings will sich nicht damit zufrieden geben, dass die Stadtverwaltungen von Recklinghausen und Gelsenkirchen sich darauf berufen, ihren amerikanischen Geschäftspartnern Vertraulichkeit zugesichert zu haben. Er klagt weiter auf Einsicht in die Verträge.

    "Das Kuriose ist dabei, dass ich die Namen bereits in einem Artikel veröffentlicht habe, weil eine Rechtsanwaltsagentur damit geprahlt hat auf ihrer Webseite. Es geht jetzt gar nicht mehr um die Info. Es geht jetzt um einen Präzedenzfall."