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Stress für Eltern und Kinder

In Berlin und Brandenburg haben Eltern und Kinder zwei Jahre länger Zeit, sich für eine Schulform zu entscheiden, denn die weiterführende Schule beginnt erst ab Klasse 7. Stress gibt es trotzdem, zumal das Berliner Schulsystem noch eine Besonderheit hat: Ein Drittel der Plätze wird verlost.

Von Claudia van Laak | 14.11.2013
    Moritz und Simon sind elf Jahre alt und die dicksten Freunde. Sie spielen am liebsten Fußball und rennen mit ihren Walkie-Talkies durch die Gegend. Doch: Spaß war gestern. Die Entscheidung über die weiterführende Schule rückt näher und näher.

    "Meine Mutter macht sich Sorgen, dass ich nicht auf so eine Schule komme wie mein Bruder. Wir sind glaube ich alle drei sehr gestresst."

    Bei Moritz sind sich die Eltern nicht sicher - reichen die Leistungen für´s Gymnasium? Sollen sie ihn lieber auf eine Sekundarschule schicken? Hauptschulen gibt es in Berlin nicht mehr. Oder vielleicht sogar auf eine Sport-Spezialschule, weil er ein begnadeter Leichtathlet ist? Nicht zuletzt müssen sich viele Akademiker-Eltern erst einmal mit dem Gedanken vertraut machen, dass ihr Kind auf dem Gymnasium vielleicht falsch ist. Dorothea Walther, Mutter von Moritz:

    "Ich finde, man bricht sich keinen Zacken aus der Krone, wenn das Kind auf die Sekundarschule kommt. Ich musste mich da tatsächlich nur erst einmal dran gewöhnen."

    Der Vorteil Berlins ist auch gleichzeitig ein riesengroßer Nachteil. Theoretisch gibt es für jedes Kind die richtige Schule, die Vielfalt ist schier unermesslich. Praktisch könnte man sich monatelang nur mit diesem Thema beschäftigen. Vater Peter Klein ist genervt.

    "Welche Schule soll das sein? Und warum soll es welche Schule sein? Und wo liegt diese Schule? Und welches Profil hat diese Schule? Als ob ein 11-Jähriger auf einen Profilweg geschickt werden muss. Dann wären alle Schweizer profillos, denn dort gibt es so etwas nicht."

    Geht es um die Wahl der weiterführenden Schule, fallen viele Eltern in überwunden geglaubte Rollenklischees zurück: Die Mutter rennt herum, sammelt Informationen, kümmert sich und regt sich auf, der Vater sieht die Dinge gelassener und mahnt zur Besonnenheit.

    "Es ist mir nicht völlig egal, auf welche Schule er gehen wird, aber mir ist das alles zu aufgeregt."

    Die Mutter des 11-jährigen Simon hat es in gewisser Weise einfacher – sie weiß, ihr Sohn wird aufs Gymnasium gehen. Doch: welches soll es sein? Susanne Schulte im Rodde:

    "Ich möchte ein ganz normales Gymnasium, ohne besondere Profile, human, freundlich. Gerne auch ein bisschen bunter. Das finde ich an den Gymnasien der Bildungsbürgerbezirke schwierig, das ist ein bisschen langweilig. Bunt darf’s schon sein, es muss halt eine gute Mischung sein."

    Die Berliner Übergangsregeln für weiterführende Schulen sind nicht einfach zu durchschauen. Es zählen: die Gymnasialempfehlung der Grundschule, der Notendurchschnitt, das Profil der weiterführenden Schule und die Nachfrage nach Plätzen an der Wunschschule. Sprich: Mit einem bestimmten Notendurchschnitt erhält man vielleicht keinen Gymnasialplatz im Stadtteil Lichtenberg, aber einen in Spandau. Außerdem wird ein Drittel der Plätze verlost. Das macht die Schulwahl zu einem Roulette-Spiel mit ungewissem Ausgang. Dorothea Walther:

    "Dann zittert man und bangt man und wartet auf den Brief, der dann irgendwann kommt."

    Keinen Platz an der Wunschschule erhalten? In diesem Fall nehmen sich mehr Eltern als früher einen Anwalt. In Berlin gibt es eine ganze Reihe von Kanzleien, die sich auf das Einklagen von Schul- und Studienplätzen spezialisiert haben.