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Stress schon in der Grundschule

Stress ist bei Grundschülern weit verbreitet. Das zeigt eine bundesweite Befragung von fast 5000 Kindern zwischen sieben und neun Jahren, die der Deutsche Kinderschutzbund in Auftrag gegeben hat. Aus der Studie geht zudem hervor, dass jedes fünfte Grundschulkind ohne Frühstück zur Schule kommt.

Von Kai Rüsberg | 21.11.2012
    An der Josefsschule in Oberhausen geht es zu Schulbeginn laut und unruhig zu. Die Grundschule liegt in einem Problemviertel. Die meisten Schüler wachsen bei nur einem Elternteil auf. Längst nicht alle bringen ihre Kinder morgens zur Schule, so wie Birsin Dourumas. Sie steht schon zwei Stunden vorher auf, um ihrer Tochter ein wirklich nahrhaftes Frühstück zu machen.

    "Suppe gab es, ja ich koche morgens... wichtig, gut gestärkt. So gehe ich auch zur Arbeit."

    Viele ungewohnte Mentalitäten und Traditionen treffen an der Josefschule aufeinander. Die Eltern der knapp 100 Kinder stammen aus 18 verschiedenen Nationen. Doch längst nicht in jeder Familie gibt es ein gutes Frühstück:

    "Nein, Kaffee reicht mir."

    Laut der Kindergesundheitsstudie gibt es keinen Zusammenhang zwischen mangelhafter Ernährung und sozialen Status. Generell gilt: Wo die Eltern nicht Frühstücken, gibt es oft auch nichts für die Kinder zu essen. Für die, hat die Josefschule das Obstfrühstück eingeführt.

    Brigitte Peters von der Betreuung schnitzt hier jeden morgen zehn Kilogramm Obst in mundfertige Streifen. Was hier beim gemeinsamen Frühstück nicht gegessen wird, gibt es zur ersten Pause auf dem Schulhof. Das kommt gut an - auch bei Teffin aus der 3a. Bei ihm zu Hause gibt es morgens nichts zu essen und da greift er gerne zu.

    "Hhier esse ich viel Obst. Besser als Alleine zu Hause."

    Was an der Josefschule umgesetzt wird, ist kein Standard an deutschen Schulen. In einer groß angelegten Grundschulstudie haben die Forscher des Hertener Instituts Pro Kids herausgefunden, dass jedes fünfte Grundschulkind ohne Frühstück zur Schule kommt. Fast die Hälfte dieser Kinder bekommen zu Hause auch nur selten ein warmes Mittagessen. Schulleiterin Nicole Pasdag wundert es bei vielen Eltern der Josefschulkinder nicht, dass gesunde Nahrung nur einen geringen Stellenwert hat:

    "Weil unsere Eltern selbst nicht aus ihrer Kindheit einen geregelten Tagesablauf kennen."

    Doch die Schule kann nicht einfach die Defizite zu Hause aufarbeiten. Daher versuchen die Lehrer, die Eltern auch von Problemkindern mit einzubeziehen.

    "Wir machen viel Sozialarbeit, damit aus den Kindern was wird."

    Die Folgen mangelhafter Ernährung, so die vom Kinderschutzbund beauftragte Studie, ist bereits in Grundschulen häufig begleitet von Leistungsdruck und Konflikten. Bereits ein Viertel der Zweit- und Drittklässler fühlt sich oft gestresst, so ein Ergebnis. Die Forscher machen dafür die immer früher einsetzende Auswahl der Kinder nach Noten und Selektion für die weitere Schullaufbahn verantwortlich. Aber auch der Arbeitsalltag der Eltern spiegelt sich hier, bestätigt Rosa Herrmann, die gerade ihre Tochter Sejnep zur Schule bringt.

    "Das liegt an Eltern, die übertragen den Stress auf die Kinder. Ich habe jeden Morgen ganz viel Stress. Kinder wegbringen, pünktlich auf der Arbeit ankommen. Ich habe jetzt noch einen Sohn im Auto."

    Auffällig ist auch, dass Stress durch die Schule je nach Bundesland sehr unterschiedlich erlebt wird. In Sachsen leidet daran fast jedes zweite Kind, in Berlin nicht einmal halb so viele, so die Studie. Dies zeigt, dass Schule auf den Stress-Level Einfluss hat.

    "So jetzt lassen wir den Popo kreisen."

    Bewegung ist ein wichtiger Faktor, um Stress abzubauen und Appetit auf gesunde Nahrung zu machen. Besonders Grundschulen können mit Spielen oder Übungen in den Unterrichtsstunden die Kinder dazu motivieren. Bewegungsfaule Kinder essen häufiger Süßigkeiten und Computerspieler trinken öfter Limonade, sagt die Kindergesundheitsstudie. Claudia Passdag unterbricht deshalb auch regelmäßig ihren Unterricht für kleine Übungen.

    "Bewegung ist ein wichtiger Punkt, weiß auch ein Erwachsener, um Stress abzubauen - für Kinder in zunehmenden Alter immer wichtiger wird."

    Der Erfolgsdruck in der Schule müsse kritisch hinterfragt werden, fordert der Deutsche Kinderschutzbund als Konsequenz aus der Kindergesundheitsstudie.