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Ströbele: Guttenbergs Verhalten passt nicht zu Ministeramt

Jeder macht Fehler, das will Hans-Christian Ströbele gelten lassen. Aber wenn ein Minister wie Karl-Theodor zu Guttenberg nur sukzessive mit der Wahrheit hantiert, sei das mit dem Ministeramt "nur schwer zu vereinbaren".

22.02.2011
    Gerwald Herter: Er will seinen Doktortitel nicht mehr führen, und zwar auf Dauer. Das hat Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) am Abend bekannt gegeben. Wenig später erklärte die Universität Bayreuth, zu Guttenberg habe um die Rücknahme des Titels gebeten. – Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele betrachtet das kritisch. Mein Kollege Dirk-Oliver Heckmann hat Hans-Christian Ströbele gestern Abend gefragt, ob die Sache damit erledigt sei.

    Hans-Christian Ströbele: Nein, überhaupt nicht! Das ist jetzt Trick 17. Er soll ja außerdem die Universität Bayreuth aufgefordert haben, den Doktortitel zurückzunehmen. Das kann man nur so verstehen, dass er die Prüfung, die die Universität jetzt vornehmen wollte und sollte, an der er ja auch nach eigenem Bekunden intensiv mitarbeiten wollte, dass er diese Prüfung verhindern will, weil er verhindern will, dass die Universität feststellt, dass tatsächlich große Teile seiner Doktorarbeit Plagiat sind, dass das rauskommt und dass er sich dann diesem Vorwurf stellen muss.

    Dirk-Oliver Heckmann: Die Uni Bayreuth hat allerdings schon angekündigt, dass diese Prüfung dennoch stattfinden werde, weil sie dazu verpflichtet sei. Sehen Sie trotzdem die Gefahr, dass diese Entscheidung revidiert wird?

    Ströbele: Ja, natürlich! Also ich hoffe, dass die Universität dabei bleibt. Die bayerischen Universitäten haben einen exzellenten Ruf in Deutschland, vor allen Dingen, dass sie sehr streng sind, auch mit den Formalitäten sehr streng sind. Ich hoffe, dass sie diesem Ruf jetzt auch wieder gerecht werden.
    Nein, er sagt ja nicht, was eigentlich der Fehler ist. Er sagt jetzt in dieser Rede, die Sie ja auch zitiert haben, die Arbeit – so habe er das ja festgestellt – enthält fraglich Fehler. Welche Fehler sollen das denn sein? – Das kann doch nur heißen, dass seine bisherigen Beteuerungen, dass er kein Plagiat vorlegt – was soll denn sonst der Fehler sein? -, dass das stimmt, dass er also die Öffentlichkeit in die Irre geführt hat und die Unwahrheit gesagt hat.

    Heckmann: Er hat ergänzt heute, dass er bei der Erstellung der Arbeit offenbar den Überblick über die Quellen verloren habe. Finden Sie nicht, dass so was mal passieren kann bei einer so umfangreichen Arbeit?

    Ströbele: Natürlich kann das passieren. Ich habe selber auch solche Arbeiten für die Universität, oder auch später als Referendar anfertigen müssen. Das kann passieren. Aber es ist ein bisschen viel. Es ist in der Einleitung, und vor allen Dingen er hat ja in einzelnen Teilen offenbar versucht, das auch zu verbergen, dass er wörtliche Teile, 90 Zeilen und Ähnliches, übernommen hat, indem er einzelne Worte darin verändert hat, sodass man den Anschein haben könnte, als wenn er da doch versucht hat, eine eigene Sprache zu sprechen.

    Heckmann: Wir können davon ausgehen, dass es sich dabei um eine wissenschaftliche Fehlleistung handelt, was jetzt vorliegt. Aber was hat eine solche wissenschaftliche Fehlleistung zu tun mit seiner Arbeit als Minister?

    Ströbele: Das hat zunächst erst mal natürlich überhaupt nichts damit zu tun und die Bundeskanzlerin versucht, sich ja darauf zurückzuziehen, dass sie sagt, sie hat ihn als Verteidigungsminister eingestellt oder berufen. Das ist ja richtig. Nur wie er sich jetzt verhält? Wenn er von Anfang an gesagt hätte, wir prüfen das jetzt und dann nehme ich dazu Stellung, so oder so, gebe das zu, oder gebe es nicht zu. Aber sich nach außen raus aus dem Fenster zu lehnen und zu sagen, das sind abstruse Vorwürfe, da ist überhaupt nichts dran, und dann kommt sukzessive alle paar Tage, gibt er immer mehr zu, das ist, glaube ich, mit einem Ministeramt nur schwer zu vereinbaren.

    Heckmann: Aber einen Rücktritt fordern Sie nicht, die Bündnis-Grünen. Weshalb nicht? Haben Sie Angst davor, sich mit jemandem anzulegen, der so einen Respekt in der Bevölkerung genießt?

    Ströbele: Nein, darum geht es überhaupt nicht, sondern es geht um Fairness. Natürlich soll er bis zuletzt die Möglichkeit haben – und wenn die Universität das jetzt prüft, dann ist es gut so -, dann soll er zu dem Ergebnis Stellung nehmen und dann wollen wir sehen, wo und wann hat er die Wahrheit gesagt, wann hat er die Unwahrheit gesagt, und dann geht es um Konsequenzen, aber nicht während des laufenden Verfahrens.

    Heckmann: Herr Ströbele, der Minister verweist zum zweiten Mal darauf, dass am besagten Freitag, am vergangenen Freitag, in Afghanistan drei Bundeswehrsoldaten getötet worden seien und dass es unmöglich sei, diese Nachricht zur Randnotiz werden zu lassen. Wie bewerten Sie diese Argumentation?

    Ströbele: Da hat er erst mal recht. Natürlich ist es ein viel gravierenderer Vorgang, dass erneut Menschen in Afghanistan in dem Krieg zu Tode gekommen sind, dass eine ganze Reihe erheblich verletzt worden sind, und das gehört eigentlich ganz nach oben. Nur er vergisst dabei, dass sein Verhalten, gerade auch sein Verhalten in dieser, seiner Dissertations-Affäre, muss man ja inzwischen sagen, dass das mit dazu beigetragen hat, dass man sich bei dem zuständigen Minister derzeit mehr damit befasst, sagt er uns die Wahrheit, sagt er uns die Unwahrheit, als dass man sich damit befasst, macht er das Richtige jetzt gegenüber den Soldaten.

    Heckmann: Sie würden aber nicht so weit gehen zu sagen, er benutzt den Tod dieser Soldaten, um von seinen Problemen abzulenken?

    Ströbele: Nein, das will ich ihm überhaupt nicht unterstellen. Ich unterstelle ihm gar nichts Böses. Ich sage nur, die Lage für ihn wird immer ernster.

    Herter: Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele gestern Abend im Interview mit meinem Kollegen Dirk-Oliver Heckmann.