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Strom aus dem Fenster

Solarzellen können Dächer oder Hauswände in Kraftwerke verwandeln. Sonnenstrahlen auf den Glasflächen vieler Bürobauten blieben bislang aber ungenutzt. Das will eine kleine Firma aus Israel mit ihren Solarfenstern ändern.

Von Helga Rietz | 09.11.2011
    "Es ist eine vollkommen durchsichtige Fensterscheibe, die aber 100 Prozent der direkten Sonnenstrahlung in elektrische Energie umwandelt; und sie schirmt diese direkte Strahlung auch ab."

    Die Fensterscheibe, die Gonen Fink hier vorführt, ist gleichzeitig eine Solarstromanlage. Von außen sieht sie beinahe aus wie ein ganz normales Fenster: zwei Glasscheiben, dazwischen ein Hohlraum zur Wärmeisolierung. Doch aus der Verkleidung ragen elektrische Anschlüsse. Und den Hohlraum zwischen den Scheiben durchziehen Querstreifen aus Acrylglas.

    "Was hier passiert ist dass alle Strahlung, die von oben kommt - dort wo auch die Sonne steht - auf Solarzellen umgeleitet wird. Diese Strahlung wird dann zur Stromerzeugung benutzt, anstatt bloß die Innenräume aufzuheizen."

    Um die direkte Sonnenstrahlung auf Solarzellen umleiten - dazu nutzen die Ingenieure von Pythagoras Solar, Gonen Finks Firma, einen optischen Trick aus: die Totalreflexion. Alle glatten Oberflächen reflektieren Lichtstrahlen, wenn diese nur flach genug auf die Oberfläche treffen - genau wie das Meer die untergehende Sonne. Denselben Effekt rufen die Plexiglasstreifen hervor, die die Fenster von Pythagoras Solar waagrecht durchziehen:

    " Es ist eine Anordnung optischer Prismen, die zwischen den Solarzellen untergebracht sind - und die Solarzellen selbst liegen horizontal, am unteren Rand der Plexiglasstreifen."

    Steil von oben einfallendes Sonnenlicht trifft also auf eine schräge Plexiglasfläche, die das Licht nach unten reflektiert, wo es auf die Solarzelle fällt. Die wandelt das Licht in Strom um. Für Menschen vor und hinter der Scheibe ist der Plexiglasstreifen hingegen durchsichtig. Die eingebauten Solarzellen stören den Blick nicht mehr, als die Lamellen einer geöffneten Jalousie. Man kann also sowohl ins Gebäude hineinschauen als auch hinaus, aber direkte Sonneneinstrahlung wird zur Solarzelle umgelenkt.

    Das hat den schönen Nebeneffekt, dass das Gebäude vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt wird. An heißen Tagen braucht man dann weniger Strom für den Betrieb von Kühlgeräten und Klimaanlagen und spart auf diese Weise viel Energie. Bei einigen der Pilotprojekte, bei denen die Fenster von Pythagoras Solar verbaut werden, war dieser Aspekt sogar wichtiger als die Stromerzeugung.

    "Ehrlich gesagt steht die Energieeffizienz bei vielen Projekten sogar im Vordergrund und spielt eine viel wichtigere Rolle als die Stromerzeugung."

    Dabei ist Gonen Fink sichtlich stolz auf die hohe Effizienz der Fenster von Pythagoras Solar: Mit 14% seien sie ebenso ergiebig wie eine vollständig mit Solarzellen gepflasterte Wand der gleichen Größe. Je nach Standort und Fassadenfläche könnte ein modernes Hochhaus damit 10 bis 20% seines Strombedarfs aus den Fenstern decken - oder die gewonnene Elektrizität gegen Geld ins Netz einspeisen. Und dabei sind die Solarfenster nur wenig teurer als gewöhnliche Scheiben:

    "Wenn man die Kosten der kompletten Installation zu heutigen Preisen vergleicht, dann sind wir im Moment zwei bis zweieinhalb Mal so teuer wie normale Fenster. Rechnet man allerdings die staatliche Förderung ein, dann sind unsere Fenster nur noch 10 bis 15 Prozent teurer."

    Außerdem kann man mit solchen in Bauwerke integrierten Solarzellen eine Menge Infrastruktur einsparen. "Building integrated photovoltaics" heißt dieses Konzept im Slang der Ingenieure.

    "Man braucht also keine zusätzlichen Geräte zu installieren, keine spezielle Infrastruktur. Es genügt, die bereits vorhandenen Glasflächen zu ersetzen. Die Fassaden von Hochhäusern erschienen uns da als ideale Anwendungsmöglichkeit - schließlich ist da draußen eine Menge Glas, und man bekommt noch den Nebeneffekt der Kühlung."

    In verschiedenen Pilotprojekten haben sich die Fenster mit eingebauter Solaranlage bereits bewährt, und vor wenigen Wochen wurden sie zum ersten Mal kommerziell verbaut: Ein neues Hochhaus in den USA bekam eine Glasfassade ganz aus den israelischen Solarfenstern.