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Strom ohne Treibhausgas

Energietechnik. - Kohle wird bis auf weiteres eine Säule der Energieerzeugung sein - gleichzeitig wird die Abgabe von Kohlendioxid an die Umwelt richtig teuer. Daher suchen Kraftwerksbetreiber nach dem "CO2-freien" Kraftwerk. Auf dem 56. berg- und hüttenmännischen Tag der Bergakademie im sächsischen Freiberg war das Konzept ein Thema.

Von Uta Bilow | 17.06.2005
    Bei herkömmlichen Kraftwerken kommt das CO2 immer aus dem Schornstein. Dort müsste man das Treibhausgas abfangen - was ziemlich teuer wäre. Deutlich kostengünstiger funktioniert das CO2-Abscheiden bei einer interessante Neuerung im Kraftwerksbereich: Bei so genannte Kombi-Kraftwerk mit integrierter Kohlevergasung, in der Fachsprache als IGCC abgekürzt. In einem IGCC-Kraftwerk wird die Kohle unter Sauerstoffmangel und mit Wasserdampf erhitzt. Professor Bernd Meyer von der Technischen Universität Freiberg:

    "Das hat den Vorteil, dass ich ein Gas erzeuge durch chemische Umsetzung mit Sauerstoff. Es entsteht Kohlenmonoxid und Wasserstoff."
    Die Kohle nimmt schrittweise Sauerstoff auf: Zuerst entsteht nur Kohlenmonoxid, daraus erzeugt man Kohlendioxid, das dann aus der komprimierten Gasmischung mit entsprechenden Wäschern abgetrennt und anschließend entsorgt werden kann. Gleichzeitig mit dem Kohlenmonoxid bildet sich bei der Vergasung wertvoller Wasserstoff, der dann in einer Gasturbine verbrannt wird, die wiederum den Generator antreibt. Eine saubere Sache: Aus dem Schornstein quillt nur noch Wasserdampf. Weiterer Vorzug: Solche Vergasungs-Kraftwerke sind wahre Allesschlucker. Biomasse, Koks, Raffinerierückstände: Jeder Zuschlag zur Steinkohle ist ihnen willkommen. Normale Verbrennungs-Anlagen sind da wesentlich wählerischer. Der Grund dafür ist, so Meyer,

    "dass in konventionellen Kraftwerken Wärmetauscherflächen im Brennraum sind, angeordnet sein müssen, mit denen die entstehende Verbrennungswärme in Dampf umgewandelt wird, der dann über Dampfturbinen zu Strom umgewandelt wird. In Vergasungskraftwerken fehlen mir diese Wärmeaustauschflächen, denn ich erzeuge ein brennbares Gas. Das kann ich vor der Verbrennung dann auf höchste Sauberkeit reinigen. Diese Reinigungsmöglichkeiten eröffnen den Einsatz aller beliebigen Brennstoffe."

    Ein erstes Demonstrations-Kraftwerk vom Typ CO2-freies IGCC könnte in fünf bis zehn Jahren in Deutschland entstehen, sagt Bernd Meyer. Das erste umweltfreundliche Kohle-Kraftwerk ohne Kohlendioxid-Ausstoß wird es jedoch schon eher geben. Es wird jedoch mit konventioneller Verbrennungstechnik arbeiten und nicht mit einer Vergasung. Vattenfall Europe gab vor etwa einem Monat bekannt, dass das Pilotprojekt im brandenburgischen Schwarze Pumpe ab dem Jahr 2008 Braunkohle verstromen soll. Auch in den USA will man dem Klimawandel mit neuartigen Kohlekraftwerken begegnen. Neville Holt vom Electrical Power Research Institute, kurz EPRI:

    "Die Initiative, die im vergangenen Jahr von der Energieindustrie gestartet wurde, die Coalfleet-Initiative, zielt auf Kraftwerke ab, die ausbaufähig bezüglich einer CO2-Abtrennung sind. Sobald die gesetzlichen Rahmenbedingungen es erfordern, können die Anlagen nachgerüstet werden, um das CO2 für eine anschließende Sequestrierung abzutrennen."

    Die Sequestrierung, das ist die Speicherung des abgetrennten Gases in geeigneten geologischen Formationen wie zum Beispiel wasserführenden Schichten. In diesen so genannten salinen Aquiferen, eintausend Meter unter der Erdoberfläche, lassen sich große Mengen Kohlendioxid einlagern. Noch fehlen in den USA die wirtschaftlichen Anreize für CO2-freie Kraftwerke. Denn das Abtrennen des Treibhausgases mindert den Wirkungsgrad der Anlage und: Holt:

    "Es kostet viel Geld. Der Strom aus einem Kraftwerk, in dem man das CO2 abtrennt, dürfte im Falle einer Vergasungs-Anlage 30 bis 40 Prozent teurer sein. Bei konventionellen Kohlekraftwerken wird der Strom schätzungsweise 70 Prozent teurer."

    Zwei der größten Stromerzeuger in den Vereinigten Staaten wollen dennoch solche nachrüstbaren IGCC-Kraftwerke errichten. In fünf Jahren werden die Anlagen voraussichtlich ans Netz gehen. Die Standorte sind vorausschauend gewählt. Holt:

    "In dieser Gegend in den Vereinigten Staaten, dem mittleren Westen, gibt es viele saline Aquifere. Das sind die besten Kandidaten zur Speicherung des abgetrennten CO2."