Freitag, 19. April 2024

Archiv

Stromanbieter
Viele Verbraucher in "teurer Grundversorgung gefangen"

Mit der neuen EEG-Umlage könnten die Strompreise für Privathaushalte in Zukunft steigen. Grundsätzlich sei es deswegen immer sinnvoll, über einen Wechsel des Stromanbieters nachzudenken, sagte Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW im Deutschlandfunk. Dabei seien Wechselservice-Angebote im Internet durchaus hilfreich.

Udo Sieverding im Gespräch mit Stefan Römermann | 14.10.2016
    Zwei Stromstecker sind in einem Zweifachstecker befestigt.
    "In Deutschland sind ungefähr noch 33 Prozent der Haushalte in der sogenannten Grundversorgung", sagt Udo Sieverding. (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    Stefan Römermann: Wie der Ausbau der erneuerbaren Energien richtig und sinnvoll gefördert werden kann, darüber wird in Deutschland seit Jahren erbittert gestritten. Vor allem die sogenannte EEG-Umlage, die Ökostrom-Umlage, ist vielen Kritikern ein Dorn im Auge. Die Umlage ist eine Art Aufpreis auf den Strompreis und sie wird jedes Jahr aufs Neue von den Stromnetzbetreibern festgelegt. Die Höhe für das kommende Jahr 2017, die wurde heute verkündet. Mitgehört hat Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW. Hallo, Herr Sieverding.
    Udo Sieverding: Hallo!
    Römermann: Was halten Sie denn von der steigenden EEG-Umlage?
    Sieverding: Das ist ein schwieriges Thema, das merken wir heute auch an der Berichterstattung, weil man natürlich immer wieder die EEG-Umlage darstellt als Preisschild für die Energiewende. Das ist unserer Meinung nach ein großer Fehler. Nur ein Bruchteil aktuell der EEG-Umlage, also jetzt auch des Anstiegs, geht auf den Ausbau der Erneuerbaren zurück. Das hängt damit zusammen, was alles in der EEG-Umlage drinsteckt, wie das verrechnet wird, wer davon befreit ist, wer dann den Rest zahlt, und das ist ein komplexes Thema. Deswegen ist es ein wichtiges Thema, aber es gibt auch Diskussionen, es gibt auch Überlegungen, daran was zu ändern. Das ist wichtig. An solchen Tagen wie heute zählen dann eher die Emotionen, und das ist natürlich dann für die Beteiligten, die eigentlich die Energiewende für ein gutes Projekt halten, nicht immer nur schön.
    "33 Prozent der Haushalte sind in der sogenannten Grundversorgung"
    Römermann: Dann kühlen wir die Emotionen jetzt mal für einen Moment runter. Als Stromverbraucher kann ich ja grundsätzlich meinen Stromanbieter wechseln. Ich bin nicht so den Stadtwerken oder wer auch immer bei mir zuhause liefert komplett ausgeliefert. Was bringt mir das, wenn ich den Stromanbieter wechsele, und für wen lohnt sich das überhaupt?
    Sieverding: In Deutschland sind ungefähr noch 33 Prozent der Haushalte in der sogenannten Grundversorgung. Das heißt, die haben sich noch nie um irgendwas gekümmert. Und das ist in der Regel der teuerste Tarif. Das heißt, grundsätzlich über einen Wechsel nachzudenken, ist immer sinnvoll. Man kann dann ja auch beim bisherigen Versorger durchaus bleiben, man muss nicht unbedingt zu einem neuen Anbieter gehen, aber man kann das auch machen. Das nennt man Wettbewerb, das hat auch viele Vorteile, das bringt auch den Markt in Schwung und ist eigentlich eine gute Sache, und man kann sich dann ja auch noch bei den Tarifen unterscheiden, je nachdem, wenn man dann einen persönlichen Schwerpunkt zum Beispiel für Ökostrom setzen möchte.
    Römermann: Ich habe in dem Zusammenhang jetzt gelesen, dass gerade in diesen Grundversorgungstarifen viele Menschen sind, die natürlich Zahlungsschwierigkeiten haben. Die haben dann unter Umständen Schwierigkeiten, aus den Grundversorgungstarifen rauszukommen. Woran liegt das?
    Sieverding: Das ist in der Tat richtig. Das hängt natürlich auch mit der sogenannten Schufa-Klausel zusammen. Bei Zahlungsschwierigkeiten kommt man dann in die attraktiveren Sondertarife nicht unbedingt rein. Es gibt nur wenige Anbieter, die das zulassen. Und das ist natürlich doppelt tragisch, weil diejenigen, die ohnehin wenig Geld haben, dann noch in der sehr teuren Grundversorgung gefangen sind. Das ist mit auch ein politisches Problem. Das kann man nicht nur den Energieversorgern anlasten, dass sie bei den Kunden, die möglicherweise auch ein bisschen betreuungsintensiver sind und auch mal Zahlungsausfälle haben, dass sie da auch eine höhere Grundversorgung nehmen. Aber alle, die raus können - und das machen ja auch zunehmend die Leute -, die sollten raus. Und für die verbleibenden, auch gerade für die soziale Dimension brauchen wir eine andere Lösung, als die Grundversorgung immer teurer zu machen.
    Beim Angebot von Verivox ist "das Glas halb voll"
    Römermann: Für die Leute, die wechseln wollen, hat jetzt der Betreiber des Vergleichsportals Verivox ein Angebot gemacht. Er bietet jetzt den Kunden einen Tarif-Wechselservice an. Das Portal erinnert dann seine Kunden quasi automatisch vor Ablauf der Kündigungsfrist, dass sie wechseln können, und schlägt dann gegebenenfalls billigere Tarife vor. Die kann man dann auch, wenn ich das richtig verstanden habe, per Telefon abschließen. Das klingt ja erst mal nach einem super einfachen rundum glücklich Paket. Was halten Sie von solchen Angeboten als Verbraucherschützer?
    Sieverding: Wir sehen durchaus auch bei diesem Angebot von Verivox, dass das Glas da halb voll ist. Es spricht eine interessante Zielgruppe an, nämlich vor allem diejenigen, die ein bisschen Probleme haben, vielleicht auch mit einem Online-Anbieterwechsel, die vielleicht auch mal auf die Nase gefallen sind, weil sie bei einem Anbieter waren, der dann insolvent gegangen ist. Flexstrom und TelDaFax hat auch viel Schaden angerichtet. Und jetzt die Möglichkeit zu haben, begleitet und etwas sicherer durch diesen Anbieterwechsel zu gehen, ist sicherlich ein interessantes Geschäftsmodell.
    Wir haben uns allerdings auch die Geschäftsbedingungen angeguckt und stehen dazu schon in regem Austausch mit Verivox. Wir haben das ja auch entsprechend kommuniziert. Das ist noch nicht so dolle, da geht noch mehr.
    "Die wissen sehr viel über ihre Kunden"
    Römermann: Vielleicht sollte man auch noch mal sagen: Diese Vergleichsportale, wie finanzieren die sich denn eigentlich? Die machen das ja nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit.
    Sieverding: Nee, müssen sie auch nicht. Das ist ein Geschäftsmodell, das muss man immer dazu sagen. Auch wenn Verivox sich als Verbraucherportal rühmt, es ist natürlich ein Geschäftsmodell. Das ist ja auch völlig in Ordnung. Die machen ja auch einen guten Job. Aber man muss natürlich auch sehen, dass sie sich mit Werbung finanzieren, dass sie sich über Provisionen finanzieren und dass sie sich - das wird häufig auch vergessen - natürlich auch über Daten, über Marktforschungen finanzieren. Die wissen sehr viel über ihre Kunden. Das ist auch was, was uns bei dem jetzigen neuen Modell noch nicht so gut gefällt. Da stehen wir im Austausch. Aber auch die Provisionsabhängigkeit der Portale führt natürlich immer zu diesem latenten Verdacht, dass man da vielleicht den einen oder anderen bevorzugt.
    Römermann: Wie man steigenden Strompreisen eventuell ein Schnippchen schlagen kann - das waren Tipps von Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW. Vielen Dank für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.