Dienstag, 19. März 2024

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Stromengpässe im Winter
"Wir haben ausreichend Stromerzeugungskapazitäten"

In Frankreich stellt die anhaltende Kälteperiode die Stromerzeuger vor enorme Herausforderungen. In Deutschland sei die Situation jedoch anders, sagte Fiete Wulff von der Bundesnetzagentur im DLF. Hier habe man eher das Problem, dass man den Strom nicht immer da habe, wo man ihn brauche.

Fiete Wulff im Gespräch mit Birgid Becker | 23.01.2017
    Stromleitungen
    Das Winterwetter bereitet vielen Stromerzeugern Probleme. (Andreas Diel)
    Birgid Becker: Zum Start der Sendung das Winterwetter. In der vierten Woche hält es an und während wir bibbern, stellt sich auch die Frage, wie groß ist eigentlich die Herausforderung an die Stromerzeuger. Damit begrüße ich Fiete Wulff von der Bundesnetzagentur. Guten Tag.
    Fiete Wulff: Ja! Guten Tag, Frau Becker.
    Becker: Herr Wulff, Frankreich hat Probleme mit der Stromerzeugung durch die Kälte. Da gab es bereits Appelle, sparsam mit dem Strom umzugehen. Wir können da entspannter sein?
    Wulff: Ja, da können wir entspannter sein in Deutschland. Die Situation bei uns ist anders. Wir verfügen über ausreichend Stromerzeugungskapazitäten, um den deutschen Verbrauch zu decken. Unsere Schwierigkeiten haben eher zu tun mit der regionalen Verteilung unserer Erzeugung. Der Ausbau der Erneuerbaren führt dazu, dass wir die Erzeugung zunehmend nicht dort haben, wo der Strom verbraucht wird. Deswegen ist es erstens so wichtig, dass wir das deutsche Stromnetz zügig ausbauen, und zweitens müssen die Netzbetreiber, um die noch fehlenden Leitungen zu überbrücken, steuernd eingreifen. Das heißt, sie müssen Kraftwerke zuschalten, wo der Strom knapp ist. Sie müssen Kraftwerke abschalten, wo er im Überfluss vorhanden ist. Das kostet im Moment viel Geld, weil dabei oft teure Kraftwerke angeschaltet werden müssen. Im letzten Jahr waren das rund eine Milliarde Euro. Und diese Kosten werden steigen, bis die großen Nord-Süd-Leitungen in Betrieb genommen sind. Ein Problem aber wie in Frankreich der nicht ausreichenden Erzeugung, das haben wir in Deutschland nicht.
    Reserven in Deutschland mussten nicht aktiviert werden
    Becker: Aber was man schon sagen muss: Stress für die Netze geht von dem kalten Wetter schon aus. Sie haben es so ein bisschen umrissen, was man da leisten muss. Erklären Sie noch konkreter: Was passiert da?
    Wulff: Wenn in Frankreich der Stromverbrauch höher ist als die Erzeugung, dann versucht man, in Frankreich zunächst die Lücke durch Importe zu decken - in dem Maße, in dem Transportkapazitäten an den Grenzen zur Verfügung stehen. Darauf sind wir in Deutschland vorbereitet. Aufgrund der Prognosen gerade für letzte Woche waren die deutschen Netzbetreiber in der Lage, Frankreich hier auszuhelfen. Die Reserven in Frankreich waren dann auch tatsächlich denkbar gering letzte Woche. Insgesamt waren die Temperaturen aber nicht ganz so niedrig wie erwartet, so dass in Deutschland zwar Reserven vorgehalten werden mussten, diese aber nicht aktiviert wurden. - Sie sehen: Die Wettervorhersage ist eine ganz wichtige Größe bei der Planung einer sicheren Stromversorgung.
    Becker: Das ist dann aber, wenn man von Wetter und Planung spricht, an sich schon eine heikle Angelegenheit, denn wann war das Wetter jeweils zuverlässig.
    Wulff: Na ja. Zunächst mal kommt der Winter ja in schöner Regelmäßigkeit und ist ganz gut planbar. Wir untersuchen das in der Netzagentur ja auch immer für den anstehenden Winter und genehmigen den Netzbetreibern, was sie an Reserven organisieren sollen. Wir sind da ganz gut vorbereitet. Da ist es dann letztlich nicht entscheidend, wie lang eine Kälteperiode andauert.
    Auf der anderen Seite: Im Winter ist die Netzsituation auch in Deutschland angespannter als im Sommer. Die deutschen Netzbetreiber kennen die Herausforderung und bei uns in der Netzagentur besteht kein Zweifel, dass sie hier sehr gut vorbereitet sind. Es ist nach wie vor sehr unwahrscheinlich, dass in Deutschland das Netz unkontrolliert ausfällt, weil es Winter ist.
    "Ein Grad Temperaturunterschied führt zu erheblichen Unterschieden beim Stromverbrauch"
    Becker: Um noch mal kurz auf Frankreich zu sprechen zu kommen. Frankreich hat das Problem, dass es hochgradig vom Atomstrom abhängig ist. Die Kernkraft steht da für rund drei Viertel der Stromproduktion. Und dann kommt noch dazu, dass dort ja ausgerechnet in diesen Tagen Meiler abgeschaltet werden mussten wegen Sicherheitsprüfungen. Unsere Lage auf Ebene der Stromerzeugung ist da eine ganz andere, nicht wahr, Herr Wulff: eine wesentlich vielschichtigere?
    Wulff: Letzte Woche wurde in Frankreich befürchtet, ich sagte das gerade, dass zeitweise mehr Strom verbraucht wird als dort produziert wird. Anhaltend niedrige Temperaturen, in Frankreich haben wir auch die Situation, dass deutlich mehr Haushalte mit Strom heizen. Da führt dann ein Grad Temperaturunterschied zu erheblichen Unterschieden beim Stromverbrauch. Problem war auch, Sie sagten es, dass rund sieben Gigawatt Erzeugung aus Kernkraft nicht am Netz waren. Und für den Fall, dass die Importe dann in Frankreich nicht reichen, hatten die Franzosen zusätzlich geplant, bestimmte Netzbereiche oder große Industriekunden kontrolliert abzuschalten, um den Verbrauch zu senken. Parallel gab es auch die Aufforderung, dass Haushalte Strom sparen. Das sehen wir in Frankreich mit einer gewissen Regelmäßigkeit im Winter. Die Temperaturen waren dann nicht ganz so niedrig wie prognostiziert. Abschaltungen waren nicht erforderlich. Auch die deutschen Reserven mussten nicht einspringen, um in Frankreich auszuhelfen, und für diese Woche rechnen wir für Frankreich mit leicht höheren Temperaturen, insofern mit einer leichten Entspannung. Der Stromverbrauch wird etwas niedriger sein, die Sicherheitsmargen fallen dann wieder größer aus.
    In Deutschland haben wir ausreichend Stromerzeugungskapazitäten. Hier ist die Herausforderung eher, dass wir den Strom oft nicht dort haben, wo wir ihn brauchen, und das führt dazu, dass die Netzbetreiber hier steuernd in den Systembetrieb eingreifen müssen, um die Stromversorgung zu stabilisieren. Es ist aber nach wie vor sehr unwahrscheinlich, dass das Netz in Deutschland im Winter unkontrolliert ausfällt.
    Becker: Danke! - Von der Bundesnetzagentur war das Fiete Wulff.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.