Dienstag, 19. März 2024

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Stromtransport über Gasnetze
Den erneuerbaren Energien den Weg ebnen

Wenn die Energiewende gelingt, dann wird das geografische Ungleichgewicht zwischen Stromerzeugern und Stromverbrauchern wohl weiter wachsen: Die großen Windparks sind vor allem im Norden, die industriellen Stromverbraucher eher im Süden. Die Energie müsste aber nicht unbedingt über die umstrittenen Stromautobahnen transportiert werden, meinen Forscher.

Von Ralf Krauter | 30.03.2017
    Eine Leitung mit dem Schriftzug "Methan" auf dem Gelände einer Anlage zur industriellen Produktion von Methangas. In dieser Anlage in Werlte wird mit Hilfe von überschüssigem Ökostrom aus Wasser Wasserstoffgas und in einem zweiten Schritt Methan, also synthetisches Erdgas, hergestellt.
    Eine Anlage zur industriellen Produktion von Methangas. (dpa / Hermann Pentermann)
    Virtueller Stromtransport: So bezeichnet der Wirtschaftsingenieur Dr. Frank Graf vom Karlsruher Institut für Technologie ein Konzept, das helfen könnte, Europas Stromnetze fit für die Zukunft zu machen. Die Idee dahinter:
    "Dass man die bestehenden Erdgastransportnetze in Europa nutzt, da gibt’s 130.000 Kilometer Netze, die man jetzt schon hat. Die Netze sind natürlich gebaut worden, um große Erdgasmengen zum Beispiel von Russland, Norwegen, Niederlanden zu transportieren. Und diese Netze könnte man zukünftig einsetzen, um dann durch Power-to-Gas-Technologie große Strommengen in Wasserstoff oder Methan umzuwandeln, in diese Netze einzuspeisen und dann zum Beispiel im Süden von Deutschland mit entsprechenden Gaskraftwerken wieder zu verstromen."
    Power-to-Gas ist eine Technologie, die heute mitunter zum Einsatz kommt, wenn es darum geht, Strom aus Wind- und Solarparks zwischen zu speichern, den gerade keiner braucht. Das Prinzip ist simpel: Der überschüssige Strom wird verwendet, um Wasser mittels Elektrolyse in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen.
    "Und dann kann ich entweder diesen Wasserstoff direkt nutzen, zum Beispiel auch für Brennstoffzellenfahrzeuge oder in der Industrie. Oder ich gehe dann mit dem Wasserstoff weiter, zusammen mit einem Kohlenstoffträger wie CO2, und mache eine Synthese, zum Beispiel zu Methan oder zu flüssigen Kraftstoffen."
    Effizienz der Wasserstofferzeugung hochschrauben
    Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas. Gaskraftwerke oder Brennstoffzellen können damit bei Bedarf wieder Strom erzeugen. Das kann regional geschehen, muss aber nicht. Denn über die bestehenden Gasnetze ließe sich der Energieträger ohne große Übertragungsverluste ans andere Ende von Deutschland verfrachten. Allerdings bleibt bei jedem der Umwandlungsschritte von regenerativem Strom zu Methan ein Teil der Energie auf der Strecke, weil die Prozesse Wärme erzeugen und deshalb nicht 100 Prozent effizient sind.
    "Von Strom zum Wasserstoff bin ich im Moment bei technischen Systemen bei 70 bis 75 Prozent. Und wenn ich dann noch mal in die Synthese reingehe zum Methan, verliere ich noch mal etwas Prozent. Das ist aber ein großes Potenzial, was die Technologien angeht.
    Mit Hilfe der sogenannten Hochtemperatur-Elektrolyse zum Beispiel, bei der nicht flüssiges Wasser gespalten wird, sondern Wasserdampf, ließe sich die Effizienz der Wasserstofferzeugung mittelfristig auf 95 Prozent hochschrauben, schätzen Experten. Nach der Umwandlung in Methan wären dann noch rund 80 Prozent der ursprünglichen elektrischen Energie im Methan gespeichert, wie das EU-Forschungsprojekt HELMETH gezeigt hat. Die EU-Kommission findet die Power-to-Gas-Technologie so überzeugend, dass sie nun mit 18 Millionen Euro das Verbundprojekt Store&Go fördert, das KIT-Forscher Frank Graf koordiniert.
    "Da werden innovative Technologien zur Erzeugung von Methan über Strom untersucht. Es werden drei Demoanlagen in Deutschland, der Schweiz und Italien aufgebaut, mit neuen Methanisierungstechnologien. Eine Technologie kommt von unserem Institut, nennt sich Waben-Methanisierung. Eine zweite Technologie kommt von der Firma Elektrochaea, die baut biologische Methanisierungsverfahren. Und eine dritte Technologie kommt aus Frankreich: Da werden Mikroreaktoren eingesetzt."
    Windstrom zu Wasserstoffgas
    Die deutsche Demoanlage ist ein Upgrade einer bestehenden Power-to-Gas-Installation im brandenburgischen Falkenhagen. Seit 2013 betreibt der Energiekonzern Uniper dort eine Elektrolyseanlage mit zwei Megawatt elektrischer Leistung. Aus überschüssigem Windstrom entstehen so pro Stunde bis zu 360 Kubikmeter Wasserstoffgas, das direkt ins Erdgasnetz eingespeist wird. Im Zuge des Store&Go-Projektes soll ein Teil davon in Methan verwandelt werden.
    Frank Graf findet solche Projekte wichtig, um zu demonstrieren: Die Power-to-Gas-Technologie ist ausgereift und einsatzbereit. Und sie könnte den Weg dafür ebnen, dass erneuerbare Energien einmal den Löwenanteil unseres Strommixes liefern. Denn während der dazu nötige Ausbau der Stromnetze viele Jahre dauern wird, existieren die Gasleitungen bereits.
    "Man könnte eben teilweise die Stromtrassen ersetzen, durch bestehende Gasnetze, die man auch nicht sieht von außen. Und man hat eben schon sehr große Transportkapazitäten, weil über eine normale Gasleitung etwas zehnmal soviel Energie transportiert wird, wie über eine Stromtrasse."
    Sektorenkopplung: So nennen Fachleute diese ganzheitliche Betrachtung von Energieinfrastrukturen und versprechen sich davon erhebliche Kosteneinsparungen bei der Umsetzung der Energiewende.