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Stromverteilung
Smartes Netz von der Bahn

Ein Smart Grid, das den Strom sinnvoll verteilt, gilt als Schlüsselelement einer auf erneuerbarer Stromerzeugung aufgebauten Energiewirtschaft. Ein solches gibt es bereits in Deutschland: Die Deutsche Bahn betreibt ihr Stromnetz nach den Prinzipien eines Smart Grid - braucht allerdings den Puffer des allgemeinen Stromnetzes.

Von Sönke Gäthke | 28.03.2014
    "Eigentlich betreiben wir ein Smart Grid",
    sagt Christian Preiss, Leiter der Elektrischen Energieversorgung der Deutschen Bahn,
    "und wir sind wahrscheinlich das größte Smart Grid, das Deutschland hat und das seit Jahren wunderbar funktioniert mit einer sehr hohen Versorgungssicherheit."
    Das Bahnstromnetz hat 7.000 Kilometer eigene Stromleitungen in Deutschland, und eine eigene Frequenz von 16,7 Hertz. So viel Strom wie zwei große Kohlekraftwerke erzeugen können, fließt maximal zur gleichen Zeit über diese Leitungen; zwei Drittel davon erzeugt die Bahn in Kraftwerken, ein Drittel bezieht sie aus dem öffentlichen 50-Hertz-Netz über Umrichter, die aus den 50 Hertz 16,7 machen. Eine eigene Welt mit eigenen Regeln und Bedingungen, die ein Smart Grid notwendig machen. Denn in keinem anderen Netz wechseln sich Verbrauch und Erzeugung großer Energiemengen so schnell ab wie hier: Der Verbrauch entsteht unter anderem beim Anfahren von Zügen.
    Preiss: "Jeder dieser Züge ist eben ein sehr starker Verbraucher für sich selbst, also ein ICE, wenn er anfährt, so wie eine Kleinstadt, für den Moment der Beschleunigung."
    Aber eben nur so lange. Hat er sein Tempo erreicht, braucht er viel weniger Energie. Der Verbrauch bricht schlagartig ein.
    "Wir sehen Schwankungen in der Leistungsaufnahme von bis zu 350 Megawatt pro Minute, das sind also 15 bis 20 Prozent unserer Maximalleistung haben wir als minütliche Änderung."
    Nicht einmal Solarzellen, die besonders schnell ihre Erzeugung verändern und damit als der Problemfall für die öffentlichen Netze gelten, ändern so schnell ihre Leistung.
    Preiss: Das ändert sich im 5-Minuten-, im 10-Minuten-, Viertelstunden-Rhythmus, wir sprechen hier von Änderungen im Sekundenbereich durch das Anfahren der Züge und dann das Bremsen."
    Auch durch das Bremsen kommt es zu Leistungsänderungen, denn immer mehr Züge erzeugen dabei Strom – und speisen diesen in die Oberleitungen und damit zurück ins Netz.
    "Das ist eine ganz tolle Sache, ich emittiere weniger CO2, ich brauche weniger Energie; es ist allerdings eine technische Herausforderung, weil die Volatilität des Lastverlaufes nimmt stark zu."
    Weil die Energieflüsse durch diese Rückspeisung noch extremer schwanken und nicht vorhersehbar sind. Kein Kraftwerk kann da mithalten und so schnell seine Leistung ändern.
    "Wir haben nicht die Kapazitäten, um diese Schwankungen auszuregeln aus eigener Kraft, also direkt in 16,7 Hertz."
    Und da setzt das Smarte des Bahnstromnetzes an: Es erzeugt nur einen Teil des Strom selbst. Der Rest kommt durch die über das ganze Land verstreuten Umrichter ins Bahnnetz. Die funktionieren wie sekundenschnell öffnende Ventile und dosieren so den Stromzufluss. Geöffnet oder geschlossen werden diese Ventile durch eine zentrale Frequenzüberwachung.
    "Was sonst, meines Wissens, in Deutschland kein Verteilernetz mehr hat."
    Fährt ein Zug an, misst die Frequenzüberwachung einen steigenden Verbrauch - und öffnet das nächstgelegene Ventil etwas. Fängt in der nächsten Sekunde ein anderer Zug an, zu bremsen, registriert sie die zusätzliche Stromerzeugung, und dreht das am günstigsten gelegene Ventil ein wenig zu, und so weiter.
    "Das heißt, wir regeln unser Netz, indem wir mehr oder weniger Strom von 50 Hertz in 16,7 Hertz umwandeln."
    Das Smart-Grid der Bahn besteht also im Kern aus einer Frequenzüberwachung, einer überschaubaren Zahl von Umrichtern, die wie Ventile steuerbar sind, und einem großen Puffer – dem öffentlichen Netz. Diese Architektur funktioniert und man könnte überlegen, ob sie sich auf andere Netze übertragen lässt.