Freitag, 19. April 2024

Archiv


Struck plädiert für Ampel in Hessen

Peter Struck nennt auch nach der Hamburg-Wahl weiterhin eine Ampelkoalition als erste Option für die SPD in Hessen. Die FDP solle sich nicht "als ewiges Anhängsel der CDU begreifen", sagte der SPD-Fraktionschef im Bundestag. Eine Zusammenarbeit seiner Partei mit der Linken auf Bundesebene schloss er erneut aus.

Moderation: Elke Durak | 25.02.2008
    Elke Durak: Hamburg hat also gewählt. Die SPD hat ihr Wahlziel nicht erreicht wie die CDU nicht, aber im Gegensatz zur CDU zugelegt um 3,6 Prozentpunkte. Hätte das Ergebnis besser ausfallen können, wenn es vorab nicht Irritationen durch den Bundesvorsitzenden gegeben hätte, wie er es gestern selbst bezeichnet hat, was er auch bedauerte? Aber Kurt Beck hat keinen merkbaren Effekt für die Wahl ausmachen können. SPD-Präsidium und Vorstand beraten heute: Wie weiter nach Hamburg, in Hessen und also mit Kurt Beck? Es heißt, der Vorstand wolle Frau Ypsilanti freie Hand lassen.

    Kann das dem Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag gefallen? Guten Morgen, Peter Struck!

    Peter Struck: Guten Morgen, Frau Durak! Generell muss man sagen, dass bei uns ja die Regel gilt, dass über Koalitionen in Ländern die jeweiligen Landesverbände entscheiden. Die Frage, was da in Hessen weiter passiert, ist ja noch nicht entschieden. Wir haben auch gestern mit Frau Ypsilanti darüber gesprochen. Sie strebt nach wie vor eine Koalition mit den Grünen und der FDP an.

    Durak: Aber sie könnte auch sich von den Linken wählen lassen? Verstehe ich das richtig?

    Struck: Nein. Ich denke, dass sie nach wie vor intensiv versucht, eine andere Koalition zusammenzukriegen. Es geht ja auch darum, Frau Durak, dass man an die FDP appelliert, sich sozusagen nicht als ewiges Anhängsel der CDU zu begreifen. FDP und CDU haben keine Mehrheit im hessischen Landtag, also geht es darum: Will die FDP Regierungsverantwortung wahrnehmen, oder will sie in der Opposition bleiben? Und ich denke, es gibt eine Reihe von Punkte, inhaltlichen Punkten, in denen es durchaus die Möglichkeit einer Zusammenarbeit zwischen SPD und FDP auch geben könnte.

    Durak: Soll sich Frau Ypsilanti von den Linken wählen lassen?

    Struck: Das muss sie nachher selbst entscheiden, nachdem die gesamten Bemühungen, sagen wir mal, durch sind, nachdem alle Fragen geklärt sind. Sie wird das natürlich mit ihrer Partei zu besprechen haben. Ich will nur sagen, weil das natürlich die nächste Frage von Ihnen wäre, Frau Durak, was das für Auswirkungen auf Berlin hätte: Für uns ist völlig klar, dass eine Zusammenarbeit mit den Linken auch nach einer Bundestagswahl überhaupt nicht infrage kommt - aus inhaltlichen Gründen, vor allen Dingen aber auch aus außenpolitischen Gründen.

    Durak: Vor der Bundestagswahl, Herr Struck, liegen noch andere Landtagswahlen. Kurt Beck hat ja doch eine neue Richtung vorgegeben. Hat er die Wahl in Hamburg versemmelt?

    Struck: Nein, auf keinen Fall. Ich meine, es ist immer Spekulation, wie weit wirken welche Äußerungen auf ein Wahlgebiet? Die SPD hat, wie Sie es gesagt haben, zugelegt. Die CDU hat verloren. Ob man dort ein oder zwei Prozent durch irgendeine Äußerung des Parteivorsitzenden mehr oder weniger hat, ist schwer nachzuvollziehen. Insofern: Die Debatte haben wir. Wir werden von einem Fünf-Parteien-Parlament in Zukunft ausgehen müssen, auch natürlich im Bundestag. Insofern glaube ich, dass schon die Debatte geführt werden muss: Wie steht die SPD zu den Linken vor allen Dingen hier auf der Bundesebene?

    Durak: Wie steht denn die SPD zu den Linken?

    Struck: Es gibt ein klares Nein zur Zusammenarbeit. Das wird nicht gehen, egal was Herr Lafontaine erzählen mag. Ich habe ausrechnen lassen in unserer Fraktion, was die Anträge der Linken im Parlament für finanzielle Auswirkungen hätten, wenn man das alles machte, was sie für richtig halten. Das wären pro Jahr 150 Milliarden Euro an Mehrausgaben. Die sind natürlich nicht aus dem Haushalt zu erwirtschaften. Das würde bedeuten, wenn man das wollte, dass man die Neuverschuldung massiv erhöhen müsste - wir gehen gerade den anderen Weg - und damit die Zukunftschancen der nachfolgenden Generation verbaut. Und ein Punkt, den ich auch als ehemaliger Minister im Bereich der Sicherheitspolitik nicht verantworten könnte, nämlich die Frage: Wie verhalten wir uns mit unserer Bundeswehr im Ausland? Die Position, wir machen dort Krieg und deshalb müssen wir dort ausgehen, ist ja absolut abenteuerlich.

    Durak: Gibt es denn zurzeit einen Richtungsstreit in der SPD-Führung?

    Struck: Nein, den gibt es nicht. Die Position der SPD zu dem Thema Zusammenarbeit mit den Linken im Bund ist völlig eindeutig.

    Durak: Habe ich aber anders gehört. Steinbrück, Steinmeier und auch Struck, Verzeihung, sind eher gegen die Zusammenarbeit mit der Linken; Kurt Beck hat da eine Tür aufgemacht.

    Struck: Nein, das sehe ich anders, auch nach dem, was Kurt Beck gestern in unserer internen Besprechung dargelegt hat. Auch für ihn ist völlig klar - auch für viele andere in der Parteiführung -, dass eine Zusammenarbeit mit der Linken auf Bundesebene gar nicht infrage kommt. Die außenpolitische Isolierung, die das zwangsläufig zur Folge hätte, wenn man deren Teil umsetzen wollte, kann ein Land wie Deutschland, das vom Export abhängig ist, überhaupt nicht verkraften.

    Durak: Es kann ja sein, dass das auf Länderebene sehr schnell sehr anders wird. Ihre Kollegin Hannelore Kraft, SPD-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen, sieht natürlich auch im Bund keine Zusammenarbeit, aber in den Ländern schon möglich, Ute Vogt, Baden-Württemberg, ähnlich. Sind Sie froh, Herr Struck, dass Sie das unter Umständen nicht mehr mitmachen müssen, wenn Sie nächstes Jahr ausscheiden?

    Struck: Erst einmal ist ja noch nicht klar, ob ich ausscheide, Frau Durak. Auf der anderen Seite muss ich schon sagen, es ist natürlich ein Unterschied, ob sie in einem Land wie Hamburg, oder wo immer auch die Linken eine Rolle spielen, oder gar hier in Berlin, ohne den Berlinern nahe treten zu wollen, regieren wollen oder regieren, oder im Bund. Für den Bund kommt das für niemanden in Frage. Ich halte von dieser Partei überhaupt nichts, wobei das Thema Lafontaine nicht das entscheidende ist. Herr Lafontaine ist ein Mann, der die Verantwortung scheut, aber er wird irgendwann ja auch nicht mehr dabei sein, sondern es geht um die politischen Inhalte dieser Partei.

    Durak: Ich wollte Sie nicht vorzeitig sozusagen aus dem Bundestag entlassen, Herr Struck.

    Struck: Das mache ich auch nicht, Frau Durak.

    Durak: Dennoch die Frage noch einmal, weshalb in Länderparlamenten oder in Landesparlamenten die Zusammenarbeit immer besser, immer mehr klappen sollte? Gucken wir nach Thüringen, dort ist das durchaus möglich. Schauen wir nach Sachsen-Anhalt, da wäre es möglich. Weshalb scheuen Sie und andere mit Ihnen so die Nähe zu den Linken?

    Struck: Na ja, was die neuen Länder angeht, muss man sagen, das ist eigentlich eine andere Partei als die, die hier auf Bundesebene auftritt, oder als Lafontaine artikuliert, denn dort sind eher realistische ehemalige PDS-Leute, die nicht unbedingt immer was mit der SED-Vergangenheit zu tun haben, und wir haben ja in manchen Ländern mit denen auch zusammen regiert in Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel oder auch teilweise dann in Brandenburg, bevor dann Große Koalitionen dort das Land übernommen haben. Dort gibt es also schon realistische Zusammenarbeitsmöglichkeiten. Was den Westen angeht, muss das jeder Landesverband für sich alleine entscheiden, und da rede ich auch nicht rein. Ich will auch nicht jetzt sagen, dass es ein gutes Programm wäre, wenn NRW mit den Linken zusammen regiert würde. Ich weiß ja auch nicht, welche Leute für die Linken dort auftreten, ob sie zuverlässig sind und ob man mit ihnen verlässliche Politik verabreden kann. Das muss jeweils im Lande entschieden werden, wenn es so weit ist, und NRW ist ja erst im Jahre 2010.

    Durak: Ein Wort noch zur Großen Koalition an den Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag. Dienstag, Mittwoch treffen sich die geschäftsführenden Vorstände der Fraktionen nach einer langen Pause. Wie sieht denn die aktive Zusammenarbeit in den nächsten Zeiten aus?

    Struck: Es ist schon so, dass wir ein Arbeitsprogramm uns vorgenommen haben, das wir dort auch noch mal dann konkretisieren wollen in Bonn bei unserer Klausurtagung, wie es in diesem Jahr und dann auch im nächsten Jahr bis zur Bundestagswahl weitergeht, was wir noch zu erledigen haben. Da, wo wir vielleicht Differenzen haben wie bei der Erbschaftssteuerreform oder Umweltgesetze, die auch anstehen in den parlamentarischen Beratungen, oder Pflegeversicherungsreform, da wollen wir versuchen, eine Linie festzulegen, und auch klar unser Arbeitsprogramm noch für den Rest konkretisieren.

    Durak: Und Sie bleiben dabei: die Große Koalition steht und steht und steht?

    Struck: Sie steht bis 2009, bis der Wähler andere Möglichkeiten eröffnet, die wir anstreben.

    Durak: Dankeschön. Peter Struck, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, war das hier im Gespräch im Deutschlandfunk.

    Struck: Dank, tschüss.
    Peter Struck, Vorsitzender der SPD-Fraktion
    Struck: "Wir werden von einem Fünf-Parteien-Parlament in Zukunft ausgehen müssen." (Deutschlandradio - Bettina Fürst-Fastré)