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Studenten ja, aber bitte nicht in meinem Vorgarten

Der Student als Bürgerschreck - das gibt es auch ohne Revolte. Es reicht der Bau eines Wohnheims. Damit bringt das Deutsche Studentenwerk derzeit in Freiburg und Landau die Anwohner gegen sich auf.

Von Ludger Fittkau | 01.06.2011
    Wenn man gewusst hätte, dass in der Vaubansiedlung am Südrand von Landau noch ein Studierendenwohnheim geplant würde - dann hätte man hier nicht gebaut. Das sagt in der Siedlung niemand ins Mikrofon. Aber öffentlich gesagt worden ist es - bei einer Bürgerversammlung vor wenigen Tagen. Und auch die Rede von der Wertminderung, die das Studierendenwohnheim für das neue Eigenheim nebenan bedeutet, klingt nicht sehr studentenfreundlich:

    "Wenn irgend so was ist, dann ist es eigentlich erwiesen, dass man fünf oder zehn Prozent Wertminderung hat."

    "Es war klar, es sollen Kettenhäuser, ähnlich wie von den Leuten, die hier sind hin - also Familien. So habe ich das damals gelesen und deswegen haben wir hier gebaut."

    Sandra Reumann, deren Haus unmittelbar neben dem geplanten Studentenwohnheim mit 190 Plätzen steht, sagt nicht, sie will keine Studenten. Aber:

    "Weniger. Weniger, wo es her dann dazu passt, dass die Integration noch erfolgen kann."

    In Freiburg im Breisgau hat man nach Anwohnerprotesten unlängst tatsächlich die geplanten Wohnheimplätze um ein Drittel reduziert. Und dies, obwohl die Studentenbuden dringend gebraucht werden und sie mit rund 200 Euro Miete wiederum um rund ein Drittel billiger sind als Studentenzimmer auf dem freien Markt.

    Achim Meyer auf der Heyde, der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerkes in Berlin hat kein Verständnis für Bürgerproteste gegen Studierendenwohnheime. Diese könnten doch zur Belebung von reinen Wohnsiedlungen beitragen, argumentiert er:

    "Normalerweise sind die Eigenheimsiedlungen relativ tote Gegenden, wenn man ehrlich ist. Vielleicht gibt es noch irgendein Restaurant, aber vielleicht gibt es auch durch ein Studentenwohnheim mit entsprechenden Kulturimpulsen, die manchmal auch ein bisschen lauter sind und auch mal Party, durchaus Leben, was in diese Siedlung gebracht wird und ich kann mir auch vorstellen, das die - meist sind es ja noch jüngere Eltern, die da in diesen neu geschaffenen Eigenheimsiedlungen leben, dass die durchaus gewillt sind, mal was anderes zu erleben, und das ist dann eher die Frage, wie man miteinander kooperiert."

    In Landau wollen aber manche Neu-Siedler nicht mit den Studenten kooperieren - sondern sie haben Angst davor, dass die jungen Leute nachts mit dem Sixpack auf den neuen Bouleplätzen der Siedlung lärmen und ihren Müll neben dem Gartenzaun abladen. Achim Meyer auf der Heyde versucht, zu beruhigen:

    "Natürlich sind die Studierenden eine jüngere Altersgruppe, das ist richtig. Aber die meisten sind nicht nur Lärm verursachend, sondern die neue Studienstruktur zwingt sie schon, relativ fleißig zu studieren. Und die haben auch eine Lebenstaktung, die eben nicht nur auf Party, sondern auch auf zielgerichtetes Studium ausgerichtet ist und insofern kann man da glaube ich ganz gut zusammenleben."

    Tatsächlich gibt auch im Landauer Vaubanviertel nicht nur Bürger, die gegen das Studentenwohnheim am Rande der Siedlung votieren. Es gibt auch Leute wie Simone Reuter und Marion Kamplage, die ihr eigenes Studentenleben noch nicht vergessen haben: Marion Kamplage:

    "Also ich finde es gut, wenn Studenten hier herkommen. Und das es hier ein bisschen mit jungen Leuten belebt werden und ein bisschen die Parkanlagen genutzt werden und die öffentlichen Plätze genutzt und von daher finde ich es sehr schön, wenn Studenten hier in die Gegend ziehen würden."

    Simone Reuter: "Ich meine, wie haben alle studiert und die die da studieren, machen später auch Neubaugebiete und von daher trennt uns ja nicht viel, dann."

    Wir in Freiburg könnte auch in Landau der Kompromiss sein, dass das Studierendenwohnheim etwas niedriger gebaut wird als bisher geplant. Aber nicht nur in Neubaugebieten in der Provinz treffen Neuankömmlinge manchmal auf alteingesessene ehemalige Studierende, die das eigene - oft unkonventionelle - Hochschulleben vergessen haben, sagt Achim Meyer auf der Heyde, der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks. Dabei helfen die Studenten doch gerade den großen Städten, Stadtteile aufzuwerten:

    "In Frankfurt am Main zum Beispiel wird jetzt von der Stadt gefördert ein Wohnheim im ehemaligen Rotlicht-Milieu, um dort auch eine positive Ausstrahlung auf die Stadtentwicklung zu geben. Auch das gibt es und insofern ist das sehr gemischt. Und wir kennen natürlich die Geschichte, Berlin-Kreuzberg, die Hausbesetzer der 80er-Jahre sind ja damals dann legalisiert worden durch entsprechende Formen, die auch die Stadt oder das Land vorangetrieben hat, inzwischen wehren sie sich als arrivierte Hausbesetzer gegen die ausländischen Touristen, die Kreuzberg besuchen. Auch das hat man öfters."

    Fazit: Landau oder Freiburg sind nicht überall. Aber das Eigenheim-Spießertum lauert mancherorts - auch an überraschenden Stellen. Getreu nach dem Motto: Die Bildungsrepublik soll blühen - aber bitte nicht in meinem Vorgarten!