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Studentische Wohnungsnot
"Wohn-Klos für 500 bis 600 Euro"

Frankfurt am Main ist eine der Städte, in denen es bundesweit die wenigsten Plätze in Studentenwohnheimen gibt. Die miserable Versorgung mit Wohnraum könnte nach Ansicht der Uni-Präsidentin zu einem massiven Standortnachteil werden. Dass es nicht mehr Bleiben für Studenten gibt, ist nicht nur eine Frage des Geldes.

Von Ludger Fittkau | 07.10.2015
    Studenten gehen am 14.10.2014 auf dem Campus Westend der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main (Hessen) durch die glasumfasste Rotunde, die auch als Cafe dient.
    Studierende haben es in Frankfurt am Main besonders schwer, eine Wohnung zu finden. (picture alliance/dpa - Frank Rumpenhorst)
    "Dieser Raum wird natürlich ausgeräumt, da kommen Feldbetten hin." - Das muss man sich hier wie so ein Flüchtlingslager vorstellen? - "Ja!"

    Daniel Katzenmaier ist in normalen Zeiten hochschulpolitischer Referent des Asta der Goethe-Uni Frankfurt am Main. Doch ab heute Abend wird er eine Woche lang im Studierendenhaus der Uni auf dem Campus Bockenheim der Leiter eines Not-Camps für wohnungssuchende Studierende sein. Mehrere Seminarräume werden mit Feldbetten ausgestattet. Erste Hilfe für rund 100 noch wohnungslose Studienanfänger, die zu Semesterbeginn noch kein Dach über dem Kopf haben: "Wir haben jetzt dieses Jahr schon 60 Anmeldungen. Im letzten Jahr waren es so 20 bis 30 Anmeldungen. Und so 70 Leute waren dann da. Und wenn sich jetzt schon 60 anmelden, kann man schon glauben, dass so 100 oder noch mehr Leute herkommen."
    Der Asta hofft zwar, dass die 100 Gestrandeten nach einer Woche eine feste Bleibe bekommen. Doch die neue Frankfurter Uni-Präsidentin Birgitta Wolff hat in den letzten Wochen Erschreckendes darüber gehört, was ihren Studierenden als Wohnraum angeboten wird: "Ja, denen werden halt so Immobilien gezeigt, die wir vielleicht als Wohnklos bezeichnen würden. Souterrain-Sachen oder kleine, winzige Zimmerchen. Und die sollen dann auch so 500 bis 600 Euro kosten, das sind die Storys, die ich höre."
    "Dort sieht man auf jeden Fall viele Wohnungen, die viele Probleme haben. Kakerlaken und weiß nicht was, Mäuse… Das im Allgemeinen. Ich mein, in Frankfurt ist im Allgemein zu wenig sozialer Wohnungsbau." Diese Einschätzung der jungen Holländerin auf dem Campus Bockenheim teilt die neue Unipräsidentin. Mehr als 20.000 bezahlbare Wohnungen fehlen in der 700.000 Einwohner-Stadt Frankfurt am Main. Auch Mehmet, den ich ebenfalls auf dem Uni-Campus Bockenheim treffe, sieht das genau so: "Deswegen bin ich jetzt wieder auf Wohnungssuche. Und die einzigen guten Wohnungen, die ich finde, sind im Taunus. Was zu weit weg wäre, für Arbeit, für alles. In Frankfurt ist die Innenstadt auch eine jugendliche Stadt, sagen wir mal so. Überall Studenten, überall Jugendliche. Ausbildung – dies und das. Und man muss dann außerhalb gehen."

    Fakt ist: In Frankfurt sind in den letzten Jahren viel zu wenig Wohnheimplätze durch öffentliche Träger wie die Studentenwerke gebaut worden. Auf 650.00 Studierende in der Stadt kommen nur 4.000 öffentlich geförderte Plätze. Bundesweit Negativ-Rekord noch vor München! Private Investoren stoßen in diese Marktlücke und bauen Miniappartements, die sie zu Preisen bis 750 Euro vermieten. Inzwischen zahlen Studierende in Frankfurt durchschnittlich 15,50 Euro für eine Single-Wohnung. Die Wohnungsfrage verschärft die Frage des Studienzugangs für Abiturienten aus sozial schwächeren Schichten somit noch einmal.

    Dazu kommt: Frankfurt am Main hat ein extrem schnelles Bevölkerungswachstum – das schafft die Probleme auf dem Wohnungsmarkt, so die Uni-Präsidentin Birgitta Wolff: "Ja, aber die Wohnungsbaupolitik können ja die Kommunen weitgehend selber steuern. Sie können entscheiden, wo welches Bauland ausgewiesen wird und welche Priorität es gibt. Ich glaube, dass Problem ist erkannt. Aber die Region wächst einfach wahnsinnig schnell. Wenn sie sich anschauen, wie viele Menschen – nicht nur Studierende – hier jährlich dazu kommen, da kann ich mir schon vorstellen, dass selbst eine Kommune, die alle Hebel in Bewegung setzt, selbst nicht schnell genug Bewegung schafft. Und das Problem werden wir noch ein paar Jahre haben. Und das ist für uns ein Problem, weil es für eine Universität – positiv ausgedrückt – ein Standortvorteil ist, wenn wir zum Beispiel Studierenden aus China, aus Indonesien, aus Kenia Zulassungen schicken könnten, wo dann auch steht: Und ein Wohnheimzimmer bieten wir ihnen gleich mit.
    Es gibt diese Wohnheimzimmer aktuell aber einfach nicht. Das muss sich ändern, da sind sich alle relevanten Kräfte in Frankfurt am Main im Grunde einig. Jetzt muss eben noch gehandelt werden. Aber genau daran hapert es. Birgitta Wolff, die Frankfurter Uni-Präsidentin, setzt darauf, dass die Stadt weniger Baugenehmigungen für Büroräume – und eben mehr für Studierendenwohnheime erteilt: "Ich glaube gar nicht, dass es nur Geld ist. Weil, es ist sehr viel in Immobilien investiert worden, die jetzt auch leer stehen. Möglicherweise hat da der Markt auch einfach falsche Signale an Investoren gesendet. Wenn so viel Geld in Büroräume geflossen sind, statt in studentische Wohnräume, das ist ein totsichereres Geschäft eigentlich. Über Generationen ist hier prognostizierbar, dass ich da keine Leerstände habe. Und da brauchen wir einfach eine Mengenausweitung und eine Umschichtung und da ist es, glaube ich, wichtig, dass das die Stadt ihre Policy ändert. Das ist nicht unbedingt Kapitalknappheit. Sondern das ist eine Frage, wofür erteile ich Baugenehmigungen und was reiße ich wenn es partout auch mal wieder ab, um was anderes dafür zu errichten."