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Studie
Arme Kommunen bleiben arm

In Hinblick auf die Finanzkraft der Kommunen ist Deutschland ein Flickenteppich. In Bayern und Baden-Württemberg schreiben die Gemeinden schwarze Zahlen, andere werden laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus ihren Schulden vermutlich nicht herauskommen.

Von Johannes Kulms | 14.08.2015
    Zahlreiche Euro-Banknoten und Euromünzen, aufgenommen am 03.01.2014 in Frankfurt am Main (Hessen).
    Einige Kommunen schreiben schwarze Zahlen, andere kämpfen mit Schulden (picture-alliance / dpa / Daniel Reinhardt)
    In den letzten drei Jahren hat sich die finanzielle Lage vieler deutscher Städte, Gemeinden und Kreise entspannt. Seit 2012 ist ein Überschuss von 4,6 Milliarden Euro zu verzeichnen, im letzten Jahr gab es ein Plus von 240 Millionen Euro, wie aus dem kommunalen Finanzreport der Bertelsmann-Stiftung hervorgeht.
    Doch die Studie belege auch, dass die großen Unterschiede zwischen den Kommunen bestehen blieben und sich sogar noch vertieften, sagt René Geißler, Finanzexperte bei der Bertelsmann-Stiftung. Die Zahlen machten deutlich:
    "Dass es offensichtlich nicht möglich ist für die schwachen Kommunen, aufzuholen. Es findet gewissermaßen kein Aufstieg von der dritten in die zweite oder erste Liga statt. Es gelingt den Kommunen nicht, ihre Schwäche abzubauen. Und das ist für die Perspektive der Bundesrepublik und die Perspektive dieser schwachen Kommunen ein düsteres Bild."
    Schwache Kommunen können nicht aufholen
    Zwar steigen die Steuereinnahmen in Deutschland flächendeckend. Doch gebe es in den starken Kommunen eine höhere Dynamik als in den schwachen Kommunen, sagt Geißler.Für den Kommunalen Finanzreport hat die Bertelsmann-Stiftung die Zahlen von 398 kreisfreien Städten- und Landkreisen verglichen.
    In fast jeder vierten Kommune verschärft sich demnach die finanzielle Notlage. Dazu gehören das rheinland-pfälzische Pirmasens und Kaiserslautern, aber auch Städte in Nordrhein-Westfalen wie Oberhausen, Remscheid und Hagen.
    Diese Städte leiden häufig unter Arbeitslosigkeit, hohen Sozialausgaben und sinkenden Steuereinnahmen und nutzen zur Überbrückung immer häufiger Kassenkredite, um ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, sagt Geißler.
    "Kassenkredite sind der übliche Krisenindikator in Deutschland. Sie müssen sich einen Kassenkredit vorstellen wie einen Dispo-Kredit, den wir auch als Bürgerinnen und Bürger durchaus mal für den einen oder andere Monat in Anspruch nehmen müssen. Das ist alles in Ordnung, nicht weiter gefährlich. Aber stellen Sie sich vor, Sie sind über Jahre fortwährend mit mehreren Jahresgehältern im Dispo und Sie kommen da nicht mehr heraus. Dann haben Sie ein Problem."
    Die Kassenkredite sind laut Geißler bundesweit mittlerweile auf 49 Milliarden Euro angewachsen. Martin Klein, Hauptgeschäftsführer des Landkreistages Nordrhein-Westfalen, sieht angesichts solcher Probleme die kommunale Handlungsfreiheit massiv eingeschränkt.
    Kassenkredite auf 49 Milliarden Euro angewachsen
    Die Bertelsmann-Stiftung fordert den Bund auf, die Kommunen durch die Übernahme der Hartz-IV-Wohnkosten zu entlasten. Einer Forderung, der sich auch Katja Rietzler anschließt. Sie leitet beim gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung das Referat Steuern und Finanzpolitik.
    Im Saarland werden wir keine Entwicklung sehen wie in Bayern. Aber wir müssen eben doch zusehen, dass wir zumindest einigermaßen einheitliche Lebensverhältnisse in Deutschland haben. Und das nicht so extrem auseinanderläuft. Und da kann man eben schon gegensteuern."
    Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums weist solche Forderungen zurück.
    "Die Bundesregierung sieht da natürlich erst mal, wie es das Grundgesetz vorgibt, die Länder in der Verantwortung. Dennoch können wir sagen, wir haben als Bundesregierung sehr viel gemacht in den letzten Jahren und tun das auch immer noch."
    Vizekanzler Sigmar Gabriel befürwortet dagegen ein stärkeres Engagement des Bundes aus. Mit Blick auf steigende Flüchtlingszahlen sprach sich Gabriel gegenüber dem Magazin Focus für eine Entlastung der Kommunen in Höhe von zwei Milliarden Euro aus.