Samstag, 20. April 2024

Archiv

Studie des Wuppertal Instituts
Schlechte Noten für Elektromobilitätskonzept

Rund eine Million Elektroautos will die Bundesregierung bis 2020 auf Deutschlands Straßen bringen. Doch wie sinnvoll ist das wirklich? Eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie hält das Elektromobilitätskonzept der Bundesregierung für grundfalsch. Viel wichtiger sei ein Hin zu öffentlichen Verkehrsmitteln.

Von Susanne Kuhlmann | 08.01.2015
    Ein orangefarbenes Elektro-Auto mit der Aufschrift "Tesla" ist an eine Ladestation angeschlossen.
    Das Wuppertal Institut will weg vom Auto, egal welcher Antriebsart. (picture alliance / dpa / Lex Van Lieshout)
    Ob es bis 2020 gelingt, eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen zu bringen, ist fraglich. Denn jetzt, gut fünf Jahre vorher, sind es noch nicht einmal
    13.000. Während die Bundesregierung an diesem Ziel festhält, kommen kritische Töne aus dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Angesichts der Umweltprobleme, die der Straßenverkehr verursacht, sollten für die Mobilität der Zukunft andere Aspekte im Vordergrund stehen, meinen die Wissenschaftler.
    Wer Millionen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gegen Elektroautos austauscht, löst keins der Umweltprobleme, die der Verkehr verursacht. Das ist die Ansicht von Prof. Uwe Schneidewind, dem Präsidenten des Wuppertal Instituts.
    "Was ganz zentral ist, dass wir den Anteil an automobilem Individualverkehr ganz erheblich zurückfahren. Wir brauchen ein Hin zu öffentlichen Verkehrsmitteln, zu stärkerem Rad- und Fußverkehr in den Städten. Das heißt, das Auto muss in den Mobilitätskonzepten der Zukunft eine sehr viel geringere Rolle spielen als das heute der Fall ist. Darum muss nachhaltige Mobilität zuerst auf Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung setzen, bevor sie sich damit auseinander setzt: Was sind die richtigen Antriebskonzepte für die verbleibenden Automobile?"
    Auch in Zukunft wollen Menschen mobil sein und sich jederzeit von einem Ort zum anderen bewegen - auch mit dem Auto. Nur ein Fünftel nutzt zurzeit den öffentlichen Nahverkehr, denn vor allem in ländlichen Gebieten können Busse und Bahnen nicht so häufig fahren, wie gewünscht. Das schreibt das Bundesverkehrsministerium in einer Stellungnahme zur Kritik des Wuppertal Instituts am Elektromobilitätskonzept der Bundesregierung. Zu einem Interview war im Verkehrsministerium allerdings niemand bereit.
    Auch Elektroautos brauchen Straßen und Parkplätze, produzieren beim Fahren aber keine Abgase und machen kaum Lärm, heißt es weiter. Weil manche Stadtbewohner schon jetzt auf den eigenen Wagen verzichten und stattdessen Car-Sharing Angebote nutzen, könnte der Bedarf an Parkplätzen in Innenstädten künftig sinken. Auch das Wuppertal Institut hat sich damit befasst, wie Städter unterwegs sind und sein Augenmerk auf junge Leute gerichtet.
    "Aus unserer Forschung wissen wir, dass es oft ein ganz wichtiger Zeitpunkt ist, wenn man nach der Ausbildung in den Beruf, in die Familiengründung hineingeht, dass man während dieser Phase, wo man oft kein Auto besaß, festgestellt hat, wie gut man sich auch ohne Auto bewegen kann und es dann Anreize gibt, das auch in der späteren Lebens- oder Familienphase so weiter zu praktizieren. Interessanterweise haben wir gerade bei den jungen Menschen eine neue Attraktivität des Lebens in den Stadtzentren. Das macht auch neue Mobilitätskonzepte leichter."
    Autos müssten nach dem gesamten Hybridverbrauch beurteilt werden
    Wer in der Stadt lebt, kann das öffentliche Nahverkehrsangebot nutzen und hat es auch zu Fuß oder mit dem Rad nicht weit zum Einkaufen und zur Arbeit. Steuerliche Vergünstigungen wie die Pendlerpauschale und Dienstwagenregelungen setzen dagegen falsche Anreize, urteilt Uwe Schneidewind.
    Das Wuppertal Institut hat die unterschiedlichen Antriebsarten für Autos miteinander verglichen und Ökobilanzen erstellt.
    "Heute, bei einem normalen Auto, fällt die Hauptbelastung an in der Nutzungsphase, durch den Treibstoff, den ich über die gesamte Lebensphase verbrauche. Und diese Belastungen, sowohl was Klima als auch Ressourcen angeht, sind sehr viel relevanter als in der Herstellung. Bei einem Elektromobil verschiebt sich das sehr viel mehr in die Herstellung, weil ich in den Batterien sehr viele und seltene Rohstoffe habe. Wenn dann der Strom aus regenerativen Energien kommt, fällt die Belastung während der Nutzungsphase gar nicht mehr so ins Gewicht."
    Wer ein reines Elektroauto fährt, muss allerdings schon nach vergleichsweise kurzer Strecke eine Steckdose ansteuern. Solange leistungsfähigere und leichtere Batterien noch nicht auf dem Markt sind, gilt der Hybridantrieb als Technologie des Übergangs, und auch das kritisiert das Wuppertal Institut.
    "Gerade ein Hybridauto, das beides hat, einen normalen und einen Elektromotor, ist äußerst ressourcenintensiv. Wenn dann am Ende der Strom noch eine ganze Zeit gar nicht aus regenerativen Quellen kommt, dann kann die Ökobilanz endgültig desaströs werden. Da müssen wir einen Blick drauf haben, dass wir die Autos nicht nur nach ihrem reinen CO2-Verbrauch, sondern nach ihrem gesamten Ressourcenverbrauch bewerten. Da fallen eben gerade Hybridautos heute gar nicht so gut aus."
    Beim Einführen neuer Systeme sei ein langer Atem notwendig, entgegnet das Bundesverkehrsministerium in seiner schriftlichen Stellungnahme. Hybridwagen seien die richtige Lösung auf dem Weg zur reinen Elektromobilität. Und sie trügen schon heute dazu bei, die Großstadtluft zu verbessern und den Verkehrslärm zu mindern.